Ordentliche Frauen schicken keine versauten Nachrichten und rauchen nicht kette. Ansonsten sind sie " bitches". Während das so ist, darf sich T-Low hingegen jeden Tag mit Joint im Mund und allen möglichen verschreibungspflichtigen Medikamenten den Kopf zudröhnen. Zur Belohnung werden ordentliche Frauen von ihm "mies gechokt", also beim Sex gewürgt. Darum geht es in seinem Song Ordentlich.
Die Karriere von Thilo Panje, der sich wegen seines Vornamens "T-Low" nennt, fußt auf einem musikalischen Unfall. Dieser Unfall hat sich verselbstständigt, und das hat natürlich mit Social Media zu tun. Ordentlich veröffentlichte er schon 2020. Als Füllmaterial für eine EP, wie er später sagte. Trotz des misogynen Inhalts wurde der Song bei TikTok zum viralen Hit. Tausende junge Männer und Frauen legten ihn unter ihre kurzen Videos und verbreiteten ihn weiter, Teeniepärchen schauten sich verliebt in die Augen, während im Hintergrund Ordentlich lief. Mittlerweile hat das Stück über 45 Millionen Streams bei , es ist noch immer der dritterfolgreichste Song von T-Low, der Startpunkt einer Karriere mit immer neuen Superlativen. Nummer-eins-Hits, ausverkaufte Konzerte, goldene Platte. T-Low selbst sagt inzwischen, Ordentlich sei sein schlechtester Song.
Als Ordentlich erschien, war T-Low 19 Jahre alt. Ein Junge aus der schleswig-holsteinischen Provinz. Aufgewachsen im 2.600-Einwohner-Kaff Lägerdorf, umgeben von Feldern und Kreidegruben. Früh von der Schule abgegangen, viel gezockt, im Skatepark gegammelt, seit seiner Teenagerzeit begleitet vom Angstlöser Xanax. Vor etwas mehr als fünf Jahren nahm T-Low aus Langeweile erstmals Musik auf und stellte sie ins Internet. Ein klassischer Rapkarrierenstartpunkt, wie es sie unzählige Male gab in den letzten Jahren. T-Low hat sich inzwischen sogar optisch an seine Konkurrenz beim Streamingportal Soundcloud angepasst.
Die langen Haare fallen ihm ins Gesicht und erinnern entfernt an Emo-Frisuren der Nullerjahre. Sein ganzer Körper ist übersät mit einer wilden Komposition aus Tattoos, teils mit Kugelschreibertinte selbst gestochen. Ein Gameboy, ein Playstation-Logo oder Referenzen an das Opiat Kodein. Über der rechten Augenbraue hat T-Low den Namen seiner Mutter tätowiert. Er wirkt wie eine Dorfversion des 2019 an einer Überdosis Fentanyl verstorbenen US-amerikanischen Emo-Rappers Lil Peep.
Alles an seinem Auftreten schreit nach pubertärer Rebellion, die über adaptierte Slogans wie " Fuck the police" nicht hinausgeht. Doch gerade das Provinzielle macht T-Low so zugänglich und sorgt dafür, dass die meisten seiner Fans über den holprigen Karrierestart hinwegsehen können und ihn zur Kultfigur stilisieren, obwohl seine Musik hauptsächlich von Zitaten und Abwandlungen lebt. Denn er suggeriert auch: Man muss nicht aus Atlanta oder Chicago, noch nicht einmal aus Berlin kommen, um etwas zu erreichen. Lägerdorf tut's auch.
T-Lows Musik ist ein Potpourri aus Einflüssen von US-Rappern wie Future, Gunna und Young Thug, die den aktuellen Zustand der Trapmusik prägen, gemischt jedoch mit Pop-Punk-Referenzen, die an den erwähnten Lil Peep oder den ebenfalls jung gestorbenen XXXTentacion erinnern. Er trägt dieselben Designermarken wie seine Vorbilder, verwendet ähnliche Beats mit cheesy Gitarrensamples. Sogar ein ähnliches Wortfeld bestellt er in seinen von Anglizismen geprägten Texten. Hauptsächlich geht es darin um Teenage-Angst und . Vor allem um das Opiat Kodein und das Opioid Oxycodon. Und es geht darum, mal wenig gehabt zu haben und jetzt ein Star und damit reich zu sein. Im Song We Made It aus diesem Jahr rappt er: "Gleicher Kreis seit zehn Jahr'n/ Heute im Sport-Car und früher mit Bahn/ Längeres Geld und auch längeres Haar/ Ich wurd' vom broke boy direkt zu 'nem Star".
Interessant ist daran zumindest, wie T-Low das Do-it-yourself-Ethos von Trap auf die aktuelle, pandemisch geprägte Zeit bezieht. Der Künstler skizziert einen Aufstiegsgedanken, der durch Corona, die steigende Inflation und geopolitische Krisen gerade für jüngere Generationen immer unrealistischer wird. Harte Arbeit reicht eben nicht aus. Es braucht ziemlich viel Glück, im Zweifel auch bei TikTok.