Nach einer Weltreise ist vieles anders. Was tun, wenn man sich auf Sommer und Liebe eingestellt hat - und dann allein im Regen steht? Unsere neue Kolumnistin wählt die "ginvolle Lösung".
Von Jessica Wagener
"Krass! Ich klinge wie Eric Clapton!" Meine Mitbewohnerin schrubbt die Saiten ihrer Gitarre mit beeindruckender Inbrunst. Hört man aber zum Glück nicht, weil aus der Docking Station in Jet-Lautstärke Slowhands "Old Love" dröhnt.
Ich versuche zeitgleich, mein Instrument mit den Zähnen zu spielen und schreie: "Und ich wie Jimi Hendrix!" Es ist Samstagnachmittag, 16 Uhr, und dass wir kurz davor sind, unsere Gitarren zu zerschmettern - daran ist die Flasche Gin auf dem Tisch schuld. Und der Regen. Und ein Mann.
Wie pleasantvillig hatte ich mir das noch auf meiner letzten Weltreisestation Kapstadt ausgemalt: Nach einem halben Jahr pünktlich zum Sommeranfang zurückkommen - geläutert, gebräunt, gestärkt - und ein neues Leben starten. Mit Sonnenschein. Mit Glück. Mit dem gemeinsamen Versuch, eine belastungserprobte On-and-Off-Liebe nach zwei Jahren testweise mal ein µ weiter auf die On-Seite zu schieben.
"Komm' endlich nach Hause", höre ich seine fast 10.000 Kilometer entfernte Stimme noch immer in meinem Ohr, ihr Echo hallt leise in meinem Herzen nach. "Das klingt, als würde da was auf mich warten", murmelte ich am anderen Ende in einer südafrikanischen Telefonzelle. "Ja. Ich." In diesem Moment setzte mein Vertrauen bibbernd zum letzten Sprung an - und landete bei Ankunft mit dem Gesicht voran im Hamburger Sommerregenmatsch. Denn er wartete nicht allein.
Er hätte jetzt "so was ähnliches wie eine Beziehung" mit einer anderen Frau, das hätte sich in den letzten Wochen "so ergeben". Mit uns, das ginge eben einfach nicht. Dabei hatte er mir an seinem Küchentisch gerade noch mit feuchten Augen gesagt, dass er mich liebt, und dass er durch meine lange Reise jetzt wüsste, "wie tief" er für mich empfinden würde.
Ja. Pfützentief, maximal.
Ach, eigentlich bin ich bloß noch ein bisschen bitter. Wie Wacholderschnaps. Denn Worte und Taten haben doch immer Konsequenzen und hätte er mir nicht Dinge wie "Man ist zeitlebens für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat" gemailt, als ich in Miami, Rio, Buenos Aires war und hätte sich mein Herz deshalb nicht wie ein Liebes-Lemming in den Abgrund der Hoffnung gestürzt - unser WG-Gin hätte wohl bis Weihnachten gehalten. Und ich den kleinen Prinzen nicht für das kleine Arschloch.
Konsequenzen hat die leere Flasche hier auf dem Tisch auf jeden Fall auch. Später. "Old love, leave me alone..." Die Musik verklingt, die Mitbewohnerin schleudert ihre Gitarre auf die Couch und schüttet drei Tropfen Tonic in die letzte Mischung. "Beste Medizin gegen deinen Herzterz." Prost. Und willkommen Zuhause.
Bevor der Gin mich am frühen Abend schließlich unsanft in Morpheus' Arme schubst, denken meine letzten zwei seminüchternen Synapsen noch: Bald geht der echte Sommer los. Sagt die Wetter-App. Mit 30 Grad und blauem Himmel. Wird bestimmt schön.
Obwohl - bis auf den Kater morgen früh erwarte ich lieber nichts.
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