Nach vier Monaten wurde die Terrorgruppe "Islamischer Staat" aus der syrischen Stadt Kobane vertrieben. Auch viele Kurden in der deutschen Diaspora sind erleichtert. Unsere Reporterin hat den Kulturverein Mesopotamien Erfurt besucht.
von Jennifer Stange, MDR INFO
Der Fernseher läuft im kurdischen Kulturverein Mesopotamien in Erfurt. Die ersten Bilder aus der Kobane huschen über den Bildschirm. Nach vier Monaten wurde die Terrorgruppe "Islamischer Staat" aus der kurdisch-syrischen Stadt vertrieben. Der Preis dafür war hoch: die Stadt ist nahezu vollständig zerstört, hunderte, wenn nicht tausende Menschen wurden bei den Gefechten getötet. Mit gemischten Gefühlen blickt Milan Ibrahim auf die Bilder ihrer alten Heimat: "Ich war glücklich und ich habe auch geweint. Also da ist ein Freund von uns gestorben. Der heisst Chemgin. Ich wollte auch, dass er auch den Tag sieht, wenn Kobane befreit ist."
Aus dem Kampfgebiet nach DeutschlandDie 18-jährige kam mit ihren Eltern aus der umkämpften Region Rojava nach Deutschland. Bekannte, Freunde und auch ihr Bruder sind dort geblieben, um die kurdischen Gebiete gegen die Dschihadisten zu verteidigen; ihr Bruder direkt in Kobane. Nach vier Monaten Dauerangst, kann Milan nun aufatmen, er hat überlebt: "Als Kobane befreit war, hab ich ihm gesagt: Glückwunsch! Also ich hab ihm geschrieben und er hat nicht geantwortet. Ich habe gefragt: Was ist los? Und er hat dann geantwortet und gesagt wegen seiner Freunden, die gestorben sind, ist er nicht glücklich aber er ist erleichtert."
Der IS ist nicht besiegt, aber er hat eine deutliche Niederlage erlitten. Das will der Kurdische Kulturverein am Samstag feiern und bei einer öffentlichen Kundgebung in der Erfurter Innenstadt gleichzeitig für humanitäre Hilfe werben. Nursel Öztürk gehört zu den Organisatorinnen: "Ich habe es auch oft in den Nachrichten gehört, es gab in Rojava vier Krankenhäuser die zerstört sind. Kaum Medikamente, sehr viel zerstörte Wohnungen und kein Lebensraum mehr. Es sind sehr viele Flüchtlinge weg, also geflüchtet aus Kobane."
Anerkennung für Leistung der KurdenSie sollen zurückkehren können in eine neue Stadt, die jetzt aufgebaut werden soll. Dafür braucht es Hilfe. Das wollen die Erfuter Kurden am Samstag deutlich machen. Aber es geht auch um die Anerkennung dafür, dass ihre Landsleute den Kampf gegen den IS nicht nur für sich gekämpft haben, sondern für die gesamte Zivilisation, betont Öztürk: "Ja, die Anerkennung von Kobane, die gegen IS-Milizen gekämpft haben, gegen diese Barbarei. Die Forderung ist, dass Europa jetzt nicht sagt, die haben es geschafft und jetzt schauen wir weg."
Ob sie es wollen oder nicht - die kurdischen Kämpferinnen und Kämpfer sind derzeit das einzige Bollwerk gegen den Vormarsch des IS. Vor wenigen Tagen versuchte die Terromiliz die irakische Ölstadt Kirkuk zu erobern. Auch hier leisten kurdische Kämpfer, unterstützt von den Einwohnern, Widerstand. Die irakische Armee hat sich bereits im vergangenen Jahr aus der Stadt zurückgezogen.
Zuletzt aktualisiert: 31. Januar 2015, 12:28 Uhr
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