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Junge Leute lesen weniger Zeitung – und schauen stattdessen immer mehr auf ihr Smartphone. Informationen holen sie sich im Netz, kostenlos. Der digitale Wandel trifft deutsche Medienhäuser mit voller Wucht. Wir fragen diese Woche bei einzelnen Häusern nach, wie sie dem Sturm begegnen. Heute geht es um Europas zweitgrößten Zeitschriftenverlag Gruner und Jahr. Jennifer Lange berichtet.
Wer vor einem Zeitschriftenregal steht, kann schnell den Überblick verlieren. So viele Magazine! In den meisten geht es um Mode, Essen, Sport oder die richtige Wohnzimmer-Einrichtung. Rund 70 Zeitschriften-Titel gehören allein zum Verlag Gruner und Jahr – darunter Brigitte, Stern, Gala, oder Neon.
Mit Zeitschriften verdient der Verlag immer noch gutes Geld. Der Umsatz liegt bei 1,7 Milliarden Euro. Die Rendite bei 9,5%. Aber das klassische Print-Geschäft steht stark unter Druck. Der Konzern setzt daher immer mehr aufs Digitale, sagt Unternehmenssprecher Frank Thomsen. „Wir investieren in digitale Firmen so viel wie noch nie. Eine dreistellige Millionensumme ist im letzten Jahr in Investments geflossen, im Digitalen.“
Das bedeutet vor allem Investments in neue Vertriebsplattformen wie Delinero. Auf seiner Startseite wirbt der Lebensmittel-Versandhändler für Käse, Wein und Öle, die Redakteure der verlagseigenen Zeitschrift „Essen und Trinken“ getestet haben. Im Online-Shop des Männer-Magazins Beef kann der Leser gleich die Grillschürze, das passende Gewürz oder Kochbuch dazu bestellen. Und wer bei Google den Suchbegriff „Wandfarbe“ eingibt, bekommt als ersten Treffer den Online-Auftritt der Zeitschrift „Schöner Wohnen“. Auf der Seite erfährt er gleich, bei welchem Baumarkt in der Nähe er die Wandfarbe kaufen kann. Gruner und Jahr wird also immer mehr zum Händler im Netz. Frank Thomsen fügt hinzu, der Verlag wolle „das Bewährte nicht einfach über Bord werfen nur weil es schon älter ist und uns die Digital-Konzerne aus Amerika einreden, dass wir keine Chance mehr hätten.“
Daher bringt der Verlag laufend neue Zeitschriften auf den Markt. Etwa „Straight“ ein Magazin für lesbische Frauen; „Flow“, ein Heft mit Wohlfühl-Kreativgeschichten gedruckt auf besonderem Papier; oder „Walden“, eine Zeitschrift für Männer, die gerne draußen in der Natur sind. Gruner und Jahr sucht sich also Nischen. Da lässt sich häufig noch Geld machen. „Es gibt weiter einen Markt für Magazine. Davon sind wir fest überzeugt.“
Der Verlag will aber nicht Print gegen Digital ausspielen, oder umgekehrt, so Verlagschefin Julia Jäkel kurz nach Amtsantritt auf einer Podiumsdiskussion. „Wir sind zuallererst ein Zeitschriften-Haus mit in Teilen sehr erfolgreichen digitalen Angeboten.“ Derzeit kommen 17 Prozent des Umsatzes aus dem Digitalgeschäft. Tendenz steigend.
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