Im Büro von Alexander Markus klingelt das Telefon zurzeit häufiger als sonst. Der Leiter der deutschen Außenhandelskammer in Kiew spricht mit den deutschen Firmen in der Ost-Ukraine wie es weitergehen soll: "Die Firmen versuchen ihre Aktivität vor Ort aufrecht zu halten. Allerdings habe ich auch von vielen Firmen gehört, dass sie ihre Mitarbeiter entlassen haben zur Arbeit im Home Office, und ihre Büros aus Sicherheitsgründen im Moment nicht geöffnet sind."
Bei anderen Firmen sieht es noch schwieriger aus. Markus hört zunehmend: "Die Industrieunternehmen in der Ostukraine, in den beiden Gebieten Donezk und Lugansk ,müssen ihren Betrieb einstellen. Oder wenn sie weiter produzieren, haben sie Probleme, ihre Waren abzutransportieren." Denn auch viele Spediteure wollten die Region nicht mehr bedienen. Sie fürchten, dass ihnen ihre Fahrzeuge von den Kämpfenden abgenommen werden.
Region ist wegen niedrigem Lohnniveau für Fimen attraktivDabei ist gerade der industrielle Osten wirtschaftlich wichtig für die Ukraine. Es gibt viel Kohle- und Stahlindustrie. Auch Lebensmittelproduzenten sind hier angesiedelt. Für ausländische Investoren ist die Ukraine vor allem wegen niedriger Löhne attraktiv, sagt Markus: "Die Ukraine ist neben Moldawien das Land mit den interessantesten Kostenstrukturen, vor allem beim Personal. Nach der offiziellen Statistik haben wir hier einen durchschnittlichen Monatslohn von rund 200 Euro."
Korruption weit verbreitet
Andererseits müssen die deutschen Unternehmen mit höheren Bürokratiekosten rechnen. Auch Korruption ist ein großes Problem, sagt Rechtsanwalt Alexander Weigelt. Er berät deutsche Unternehmen vor Ort, er meint: " Die Ukraine ist nicht die EU. Der EU-Rechtsrahmen gilt nicht. Ansonsten ist der Aufwand für Bürokratie, das heißt Besetzung von Stabsstellen, von Buchhaltung, personell höher. Man muss ungefähr mit dem doppelten Personalumfang rechnen."
Doch derzeit schreckt vor allem die unsichere politische Lage deutsche Investoren ab, sagt Riccardo Giucci. Er ist der Leiter der deutschen Beratergruppe, die von der Bundesregierung nach Kiew entsandt ist: "Es muss im Land investiert werden. Die Sicherheitslage bedeutet aber, dass kein Investor im Moment wirklich Interesse hat, zu viel Geld hier zu riskieren."
Auslandsinvestitionen um zehn Prozent zurückgegangenDie Auslandsinvestitionen seien allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um zehn Prozent zurückgegangen. Die Weltbank schätzt, dass die ukrainische Wirtschaft dieses Jahr um acht Prozent einbricht. Dazu kommt, dass der russische Markt für ukrainische Produkte faktisch geschlossen ist. Alte Verträge werden nicht verlängert. Und an der Grenze würden Produkte nicht mehr durchgelassen, sagt Alexander Markus von der AHK: "An der Grenze wird viel mehr kontrolliert und man hat das Gefühl unter vorgeschobenen Gründen. Dass dort Zertifikate nicht stimmen, dass Standards nicht eingehalten werden, die Waren gar nicht mehr über die Grenze gelassen."
Im Gegenzug ist zwar der Handel mit der EU gestiegen, aber nicht so stark, dass es den Verlust mit Russland kompensiert. Dazu kommt der Verfall der ukrainischen Währung. Viele Firmen haben Kredite in Dollar aufgenommen. Sie können ihre Schulden jetzt häufig nicht mehr zurückzahlen. Das könnte sogar die ukrainischen Banken in Schieflage bringen.
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