Als Melisa Manrique Oyola und Manik Chander sich kennenlernten, spielten sie oft ein Spiel namens „My Migrant Mama is much cooler than yours". Die beiden deutschen Studentinnen im Auslandssemester in Mumbai versuchten einander mit den Leistungen zu übertrumpfen, die ihre Mütter vollbracht hatten: „'Meine Mama hat zehn Stunden pro Tag gearbeitet!' - ‚Naja, nee, meine hat auf jeden Fall zwölf Stunden pro Tag gearbeitet! Meine ist viel cooler als deine!'", erinnert sich Manrique Oyola mit einem Schmunzeln.
Inzwischen ist sie 33 Jahre alt und lebt in Berlin. Manik Chander ist 31 und lebt in Oberursel. Konkurrenz zwischen den beiden gibt es nicht mehr: Die Migrationsgeschichte ihrer Mütter hat die jungen Frauen dazu inspiriert, gemeinsam das Buch „Mama Superstar" herauszugeben und eine Community zu gründen. „Wir wollen eine Bewegung sein, die Migration feiert und Kinder ermutigt, auf die Migrationsgeschichte ihrer Eltern stolz zu sein", erklärt Chander. Beiden Gründerinnen wurde erst im Erwachsenenalter bewusst, welche Leistung ihre Mütter erbracht haben - und dass sie dafür bis heute kaum Anerkennung bekommen.
Manrique Oyolas Eltern verließen in den Neunzigerjahren mit ihren Kindern Peru, das durch die kommunistische Guerilla „Sendero Luminoso" erschüttert wurde - und fingen in Italien von Null an. „Von einem Tag auf den anderen war ich in einem neuen Land und konnte mit niemandem mehr sprechen", erinnert sie sich. Sie war damals fünf Jahre alt - „aber für meine Eltern war es natürlich noch schlimmer." Als Doktorin der Philosophie war ihre Mutter Niceta in Peru Direktorin eines Gymnasiums, in Italien fand sie zunächst nur Arbeit als Altenpflegerin.
„Zu entscheiden: Ich muss alles zurücklassen, damit meine Töchter bessere Möglichkeiten haben - das ist sehr mutig", sagt Manrique Oyola. „Ich könnte mir nicht vorstellen, in wenigen Jahren irgendwohin zu gehen, wo ich niemanden kenne und eine neue Sprache lernen muss - ohne WhatsApp, ohne Skype oder die Möglichkeiten, die wir jetzt haben." Sie selbst kam vor sieben Jahren ihres Masterstudiums wegen von Rom nach Kassel und lernte in dieser Zeit Deutsch.
Chanders Mutter Dally zog Ende der 80er Jahre aus dem indischen Bundesstaat Punjab zu ihrem Ehemann, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten. „Ich habe sie oft gefragt: Wusstest du damals wirklich, worauf du dich einlässt?", erzählt Chander. „Aber meine Mutter ist sehr schicksalsergeben und hat die Entscheidung ihrer Eltern immer als das Richtige für sie akzeptiert, auch wenn sie wusste, dass sie sich in Deutschland durchbeißen muss." Chander wurde im Taunus geboren und hat mit ihrer Mutter im hessischen Kleinstadtleben so manches kulturelle Missverständnis erlebt.
Von einigen erzählt auch das Buch: Etwa von der Frage, was es mit diesem „Herrn Niklas" auf sich hat, der im Dezember braven Kindern Mandarinen in die Schuhe steckt - und offenbar die Kinder der Familie Chander nicht bedacht hatte. Was für sie eine humorvolle Anekdote ist, war für ihre Mutter Dally ein schmerzhafter Prozess: „Es hat sie traurig gemacht, ihre weinenden Kinder vor den leeren Stiefeln zu sehen, die glauben, dass sie nicht brav waren. Denn in dem Moment hat sie bemerkt, dass sie dieses Deutschsein nicht ganz versteht." Auch für die Töchter war das Anderssein ihrer Eltern nicht immer leicht...
Der ganze Text verfügbar auf: https://www.deine-korrespondentin.de/mama-die-superheldin/
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