Wie wird man Restauranttester und was macht eine gute Kritik aus? Moderatorin Anke Harnack ist seit 2019 als VIP-Testerin für die SZENE HAMBURG unterwegs. Für den jährlich erscheinenden Gastro-Guide nimmt sie Institutionen wie Geheimtipps unter die Lupe. Sie verrät, worauf sie dabei achtet und warum Esskultur schon bei den Kleinsten anfängt.
Wie sieht der Job einer Restaurantkritikerin aus?
Wenn man testen geht, guckt man mit sehr viel weiterem Blick. Man nimmt noch mal genauer in Augenschein, wie das Restaurant ausgestattet ist, ob es barrierefrei ist, wie lange man im Voraus reservieren kann, wie die Öffnungszeiten sind – also all diese Dinge, um die man sich individuell nicht scheren würde.
Wie gehst du an deine Bewertungen ran?
Ich versuche, sie so wohlwollend wie möglich zu schreiben. Ich erinnere mich an einen Restaurantbesuch, da habe ich nicht verstanden, warum ein fantastisch gegrilltes Lachssteak in einer merkwürdigen Pampe versenkt wurde. Ich versuche, so was dann mit einem Fragezeichen aufzulösen, aber ich dresche nicht drauf. Ich gehe immer davon aus, dass jeder sein Bestes tut.
Was sind für dich die wichtigsten Voraussetzungen, um einen Restaurantbesuch richtig einzuordnen?
Man sollte beim Testen alle Antennen ausfahren und wirklich hören, sehen, riechen, fühlen. Wenn man auf einem zu harten Stuhl sitzt und soll dann ein sündhaft teures Essen genießen, finde ich das nicht besonders cool. Außerdem achte ich darauf, dass meine Begleitung nicht das Gleiche bestellt. Es sollte schon eine möglichst große Auswahl auf den Tisch kommen und dann wird durchprobiert.
Wofür fühlst du dich in deiner Rolle als Testerin verantwortlich?
Für den Mehrwert meines Berichts: Wer könnte sich hier wohlfühlen? Welche Zielgruppen sehe ich? Was bieten die Restaurants an und was nicht? Entscheidend sind also nicht meine persönlichen Bedürfnisse, sondern meine professionelle Beurteilung.
Wie stehst du zum Thema No-Shows?
Eine absolute Unart, ich habe dafür null Verständnis. Einzige Ausnahme sind wirklich tragische Verkettungen von Ereignissen. Davon abgesehen, gehört sich das nicht und ich verstehe jedes Restaurant, das Anzahlungen für Reservierungen oder Ähnliches verlangt. Ich bin seit Kurzem als Systemische Coachin tätig und habe in meinen Vertragsbedingungen festgehalten, dass Termine, die nicht rechtzeitig abgesagt werden, bezahlt werden müssen. Ich muss mir ja die Zeit freihalten! Und komisch, darüber hat sich bisher noch niemand beschwert.
Deinen dreijährigen Sohn nimmst du gerne mit ins Restaurant. Welche Tipps hast du für andere Eltern?
Wenn ich am Telefon schon höre, dass es keine Kinderstühle gibt oder mein Gegenüber komisch herumdruckst, dann würde ich umdisponieren. Es gibt ja genug Läden, in denen kleine Gäste mit Kusshand begrüßt werden oder die einen Spielplatz vor der Tür haben. Ich ermutige jeden dazu, sich im Vorfeld genau zu erkundigen, wie die Gegebenheiten vor Ort sind. Auch während des Restaurantbesuchs ist eine gute Kommunikation wichtig. Wenn ein herumstromerndes Kind stört, kann man das ja sagen und beispielsweise darum bitten, bestimmte Laufwege freizuhalten.
Ärgert es dich, wenn dein Kind nicht erwünscht ist?
Ich verstehe Restaurants, die sagen, hier passen Kinder nicht. Wir wissen als Eltern, wie anstrengend Kinder sein können. Und dass ihr Verhalten Leute stören könnte, die sich gerade für viel Geld einen schönen Abend leisten. Vor meiner Zeit als Mutter hat mich das manchmal auch genervt.
Heute prüfst du Restaurants auf ihre Familientauglichkeit.
Unsere Kinder sind die Restaurantbesucher von morgen. Ich kann doch nicht erst mit einem Zwölfjährigen anfangen, in ein Restaurant zu gehen, weil ich annehme, dass er sich dann benehmen kann. Essen gehen ist ein Lernprozess. Genauso, wie man lernen muss, mit Messer und Gabel umzugehen.
Ist das schon ein Stück Esskultur für dich?
Unbedingt. Kindern sollte so früh wie möglich Essen in jeder Form ermöglicht werden. Ich finde es wichtig, ihnen eine möglichst große Vielfalt anzubieten, sie alles ausprobieren zu lassen und sie mitzunehmen, wenn man außer Haus isst. Es ist doch schön, wenn sie die verschiedenen Lebenswirklichkeiten kennenlernen. Na klar, dazu gehört auch mal ’ne Pommes auf die Hand.
Interview: Jasmin Shamsi trägt Berlin auf der Zunge und Hamburg im Herzen. Als Food- und Kulturjournalistin spürt sie Geschichten aus der bunten Gastrowelt auf oder testet sich durch die kulinarische Vielfalt dieser Stadt.
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