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Werbeausgaben in Belarus: Deutsche Unternehmen rudern zurück

Susanne engagiert sich ehrenamtlich in der Menschenrechtsorganisation Libereco. Ihren vollen Namen möchte sie nicht nennen. Susanne geht es nicht nur um die die Inhalte des belarussischen Staatsfernsehens, in denen öffentliche Personen, Oppositionelle vorgeführt, gedemütigt oder bedroht werden. Sie kritisiert vor allem deutsche, europäische und US-amerikanische Unternehmen, die in Sendungen dieser Art Werbung platzieren, etwa für Zahnpasta oder Medikamente. Man finanziere "Propaganda-TV" mit, so die Organisation Libereco in einer Pressemitteilung.

Zwei Drittel der Werbespots von westlichen Unternehmen

"Selten war man sich im Westen so einig wie bei der Verurteilung der Gewalt gegen Protestierende in Belarus, aber wenn es darum geht, Einschnitte bei sich selbst zu machen, sind viele Unternehmen dazu nicht bereit", kritisiert Susanne.

Die deutsch-schweizerische Organisation Libereco hat im vergangenen Dezember zum zweiten Mal veröffentlicht, welche Unternehmen im belarussischen Staatsfernsehen gegen Geld Werbespots buchen. Das Ergebnis: Rund ein Drittel der Unternehmen kommen aus Belarus, etwa zwei Drittel aus westlichen Ländern. Unter letzteren liegen laut der Organisation die USA ganz vorne (18 Prozent), danach folgt Deutschland (14 Prozent). Werbung von insgesamt fünf deutschen Unternehmen wurde gesendet, als Libereco zusammen mit einer britischen Partnerorganisation eine Woche lang Spots im Abendprogramm der drei staatlichen Fernsehsender Belarus 1, ONT und CTV gezählt und ausgewertet hat.

Kurswechsel bei deutschen Unternehmen?

Bei den Unternehmen handelt es sich größtenteils um Hersteller von Reinigungs-, Kosmetik- und Arzneimitteln. Das Unternehmen, das unter denjenigen aus Deutschland in der Zählung am häufigsten mit Spots auftauchte, ist Henkel. Das Unternehmen vertreibt beispielsweise Produkte wie "Persil" oder "Weißer Riese".

"Zu Beginn richtete sich unsere Kritik tatsächlich vor allem gegen Henkel. Dort haben sie allerdings dann auch schnell reagiert und uns gesagt, dass sie ihr Engagement einstellen und keine Werbung mehr platzieren werden", erzählt Susanne. Das bestätigt Henkel auch dem BR24-Medienmagazin. Für 2022 seien keine neuen Werbeaktivitäten im staatlichen Fernsehen geplant oder gebucht.

Reaktionen auf BR-Anfrage

Und die anderen vier Unternehmen? Dabei handelt es sich um Queisser Pharma, Dr. Theiss Naturwaren, KrewelMeuselbach und STADA. Das BR24-Medienmagazin hat nochmal alle deutschen Unternehmen, die im Stichprobenzeitraum Werbung im belarussischen Staatsfernsehen platziert hatten, angefragt. Zu einem Interview war niemand bereit. Aber: Queisser Pharma gibt auf BR-Anfrage zum ersten Mal bekannt, genau wie Henkel 2022 keine Werbung mehr zu schalten. Ebenfalls neu:

Der Arzneimittelhersteller STADA möchte nur noch ein Viertel seiner Werbeausgaben in Belarus in das dortige Fernsehen investieren, der Rest solle für Werbung auf "unabhängigen Online-Kanälen" ausgegeben werden, schreibt der Konzern. Die anderen beiden Unternehmen ließen die mehrfachen Anfragen bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Dr. Theiss Naturwaren hatte sich im vergangenen Sommer, nach der ersten Erhebung durch Libereco, gegenüber dem Saarländischen Rundfunk geäußert: Man sei schon 30 Jahre in Belarus auf dem Markt und versorge die Bevölkerung mit Pflege- und Medizinprodukten aus deutscher Herstellung. Damalige Fragen des SR zu einer möglichen moralischen oder politischen Mitverantwortung wurden nicht beantwortet.

"Rolle des Fernsehens nicht zu unterschätzen"

Polina Gordienko, die in Belarus aufgewachsen ist und Vorträge zur Lage dort hält, unterstreicht, wie wichtig das Fernsehen ist: "Jüngeren Menschen setzen seit dem Beginn der belarussischen Demokratiebewegung vor allem auf soziale Netzwerke oder Telegram - aber vor allem die ältere Bevölkerung ist auf das Fernsehen angewiesen", meint sie. Der Osteuropa-Historiker Jan Claas Behrends vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung schätzt den Generationenunterschied genauso ein - und betont, dass das Fernsehen in Belarus nicht nur Unterhaltungsmedium sei, sondern ein Herrschaftsinstrument. "Insofern darf man die Rolle nicht unterschätzen", so Behrends.

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