2 abonnements et 1 abonné(e)
Article

Kontrolle per Kamera: Die am stärksten überwachten Städte der Welt - WELT

Wirtschaft Kontrolle per Kamera

Eine deutsche Metropole gehört zu den am stärksten überwachten Städten

Schon 2021 könnte es global eine Milliarde Überwachungskameras geben. Die meisten stehen in China, aber auch eine deutsche Stadt gehört zu den am stärksten überwachten Orten der Welt. Eine Entwicklung, die Experten Sorge bereitet.

Kameras, die jeden Schritt aufzeichnen. Was zunächst nach einer Zukunftsdystopie klingt, ist in vielen Städten bereits heute Realität. Besonders hoch ist die Anzahl der Überwachungskameras in chinesischen Städten, wie ein aktuelles Ranking des Tech-Magazins „Comparitech" zeigt.

Demnach liegen allein 14 der 15 meist überwachten Städte der Welt in China. Die einzige Ausnahme bildet London - die britische Metropole liegt sogar auf Platz drei.

Absolut betrachtet werden zwar Peking mit 1,15 Millionen und Shanghai mit einer Millionen Kameras am meisten überwacht. Für die Platzierung entscheidend ist jedoch die Anzahl der Überwachungskameras je 1000 Einwohner.

Den ersten Platz belegt dabei die chinesische Stadt Taiyuan. Auf rund 3,8 Millionen Einwohner kommen dort etwa 465.000 Kameras - rechnerisch ergibt das knapp 120 Geräte pro 1000 Einwohner.

Doch auch in Deutschland ist die Zahl der Überwachungskameras teils beachtlich: Mit 17.464 Kameras und damit 4,9 Kameras je 1000 Einwohner steht Berlin in dem Ranking auf Platz 50 der am meisten überwachten Städte der Welt. Die Zahlen der Erhebung stammen aus dem Jahr 2016 - in der Zwischenzeit könnte die Zahl also durchaus noch weiter gestiegen sein.

Weltweit sind laut Daten- und Informationsdienst IHS Markit derzeit 770 Millionen Kameras im Einsatz, rund die Hälfte davon in China. Und die Branche hat Hochkonjunktur: Der IHS-Prognose zufolge werden es Ende 2021 bereits eine Milliarde sein - das entspräche je einer Kamera auf acht Bewohner der Erde und einem Anstieg von beinahe 30 Prozent innerhalb eines Jahres. Führend auch hier: die Volksrepublik China.

Entsprechend wachsen die Umsätze von Sicherheitsunternehmen: Laut dem Bundesverband Sicherheitstechnik sind diese 2019 im Vergleich zum Vorjahr erneut mehr als fünf Prozent auf nunmehr 4,6 Milliarden Euro gestiegen. Die Videoüberwachungstechnik verzeichnete dabei ein besonders großes Plus - nämlich um sieben Prozent.

„Dass die Zahlen in China besonders ansteigen, ist nicht überraschend", sagt Dennis-Kenji Kipker, Informationsrechtler und Mitglied der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz. „Doch auch in Deutschland hat das Innenministerium in den vergangenen Jahren mehr und mehr versucht, Kameras en vogue zu machen."

Hierzulande sind die meisten Kameras allerdings nicht an Straßen und Plätzen angebracht, sondern im öffentlichen Nahverkehr. Die Zahl der Videokameras in Regional- und S-Bahnzügen hat sich seit 2012 nahezu verdreifacht, auf fast 33.000.

Auch lokale Verkehrsdienstleister bauen ihre Überwachungssysteme aus. Allein die Berliner Verkehrsgesellschaft BVG setzt 19.078 Kameras ein. „Die Zahl wirkt auf den ersten Blick natürlich sehr groß, allerdings zählen dabei auch alle Kameras in Fahrzeugen mit - allein das sind 14.524 Stück", sagt eine Sprecherin.

Gemeint sind dabei auch Kameras an Spiegeln der Busse, die dem Fahrer beim Abbiegen einen Blick in den Toten Winkel gewähren, insofern dienten die Geräte vor allem der Verkehrssicherheit, so die Sprecherin.

Die Kamerahersteller kommen aus aller Welt. In den USA ist es Behörden verboten, Überwachungstechnik chinesischer Unternehmen zu verwenden, um Spionage zu verhindern.

Nur jeder Fünfte gegen Gesichtserkennung durch Behörden

Auf dem deutschen Markt sieht es anders aus: Präsent ist beispielsweise das Unternehmen Hikvision. Beispielsweise in Frankfurt haben die Chinesen bereits öffentliche Ausschreibungen für sich entschieden. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von 2019 stehen viele Deutsche dem Thema Kameraüberwachung allerdings gelassen gegenüber, selbst wenn es dabei um automatische Gesichtserkennung geht. Die Ergebnisse zeigen: Die Hälfte der Befragten ist dafür, Gesichtserkennung durch Behörden unter strengen Auflagen zu gestatten.

Nur 22 Prozent sind komplett dagegen. 17 Prozent der Teilnehmer waren sogar der Meinung, deutsche Behörden sollten das Recht erhalten, die Gesichtserkennung uneingeschränkt zu nutzen. Wie repräsentativ solche Momentumfragen sind, ist aber umstritten. „Kameras werden stärker als die großen Konzerne, deren Apps wir alle auf dem Handy haben, als bedrohliche Überwachung wahrgenommen. Man hat bei der App zumindest das Gefühl, als Verbraucher selbst über den Zugriff auf seine Daten bestimmen zu können - was bei CCTV nicht der Fall ist", meint Kipker.

Bedenken von Datenschützern sieht man bei der BVG ein. Eine Sprecherin versichert: „Zwar kann der Fahrer das Bild der Kamera einsehen, aber auf die Aufnahmen kann er später nicht zugreifen." Andere Mitarbeiter hätten hingegen zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Videos.

„Manche glauben, es gebe Angestellte, die den ganzen Tag auf Bildschirmen beobachten, was unsere Kameras aufzeichnen. Das stimmt nicht. Prinzipiell werden alle Aufnahmen ungesehen überschrieben."

Im Falle einer Straftat kann die Polizei allerdings Einsicht beantragen. So hätten sich die Kameras schon einige Male als nützlich bei der Verbrechensaufklärung erwiesen, heißt es bei der BVG.

Jurist Kipker hält die abschreckende Wirkung der vielen Kameras für begrenzt: „Wer im Affekt eine Straftat begeht, dem ist auch eine Kamera egal. Und wer ein Verbrechen plant, überlegt sich schon im Voraus, wo Kameras ihn filmen könnten."

Trotzdem ist das Hauptargument der Kameraverfechter die Möglichkeit, Aufnahmen in der Verbrechensbekämpfung einzusetzen. Anders als Zeugenaussagen könnten sie das Geschehen objektiv abbilden, sagt Daniel Kretzschmar, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Berlin.

Möglicher Missbrauch durch KI im Fokus

„Außerdem kann Videotechnik wertvolle Fahndungsanhalte geben - zur Identifizierung von Verdächtigen, dem Tathergang und dem Fluchtweg." Auch weitere Zeugen und Serientäter seien besser ausmachbar. Grundsätzlich haben Bürger ein Recht darauf, sich unbeobachtet im öffentlichen Raum zu bewegen. Kritiker betrachten deshalb insbesondere die Kameraüberwachung durch private Unternehmen als Verstoß gegen ihre Rechte.

Doch nicht nur die stark wachsende Zahl von Kameras beunruhigt Datenschützer. Auch der Missbrauch durch künstliche Intelligenz (KI) rückt immer mehr in den Fokus.

Erst kürzlich sorgte das polnische Unternehmen Pim Eyes für Aufregung. Die Suchmaschine hat Zugriff auf 900 Millionen Gesichter - das Missbrauchspotenzial ist riesig. Alle, von denen es Fotos im Netz gibt, könnten in der Datenbank gelistet sein. Ob Pim Eyes rechtswidrig handelt, ist zurzeit noch unklar. „Künstliche Intelligenz vermarktet sich ziemlich gut", sagt Kipker. Er rechne mit weiterem Aufwind für Entwickler in diesem Bereich: „Da stehen wir erst am Anfang." Ein konkretes Beispiel: Mittels Pim Eyes ließe sich eine Person auf Bewerbungsfotos ins kleinste Detail digital rückverfolgen - auf sämtliche Fotos, die je von ihr durchs Internet geisterten, hätten Unternehmen in Sekunden Zugriff.

Es gebe durchaus sinnvolle Einsatzfelder von KI, meint Kipker. „Aber wenn in die Intimsphäre eingegriffen wird und die Lebensgewohnheiten des Einzelnen nachverfolgt werden, muss es klare Limits geben." Immerhin eines lässt Datenschützer aufatmen: Viele Systeme funktionieren derzeit nur eingeschränkt, wie eine Studie des US National Institute of Standards and Technology zeigt. Grund ist die Maskenpflicht - sie behindert die Gesichtserkennungsalgorithmen. Im Vergleich zu Aufnahmen ohne Verdeckung tritt hier eine Fehlerquote von bis zu 50 Prozent auf. Je mehr die Nase abgedeckt ist, desto schwerer fällt den Algorithmen eine richtige Zuordnung.

Rétablir l'original