Sie ist eine international anerkannte Wissenschaftlerin - und trotzdem bald arbeitslos. Seit Jahren forscht die Biologin Juliane Bräuer an zwei Max-Planck-Instituten und der Universität Jena, also renommierten Instituten, über das Verhalten von Hunden.
Ihre Forschungsergebnisse werden von Wissenschaftlern weltweit und auch von der breiten Öffentlichkeit beachtet. Und dennoch, so Bräuer, wird sie wohl bald ihren Job verlieren: "In der freien Wirtschaft ist es so: man fliegt raus entweder weil man nicht gut genug ist oder die Firma pleite. Beides ist bei mir nicht der Fall. Es ist ein Fehler des Systems."
Kaum feste Stellen im "akademischen Mittelbau"Juliane Bräuer teilt das Schicksal von geschätzt 90 Prozent aller wissenschaftlich für Unis und Forschungsinstituten arbeitenden Akademiker - dem sogenannten "akademischen Mittelbau". Sie bekommt keine feste Stelle. Die sind zu knapp und meist auf Jahre besetzt. Finanzielle Mittel für neue Stellen gibt es nicht.
Experten bemängeln schon lange, dass die Budgets der Unis nicht mit den Anforderungen aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Studierendenzahlen mitgewachsen sind.
"Heute haben wir doppelt soviel Studenten, wie vor 20 Jahren", erklärt Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. "Die finanziellen Mittel der Universitäten haben da nicht mitgehalten. Wir brauchen kleinere, aber mehr Lehrstühle, wo das Personal eine Perspektive hat".
Anträge schreiben statt ForschenFür Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen heißt das: Für jede neue Studie müssen Anträge für Fördermittel geschrieben werden. An Stiftungen, die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) oder Stellen, die Stipendien vergeben oder eben ihre Institute. Erst wenn der Antrag genehmigt ist, oder ihre Institute noch Gelder übrig haben, kann die Forschung weiterlaufen und sie können ein Gehalt beziehen.
Aber eben immer nur solange das Forschungsprojekt bewilligt oder noch ein Rest-Etat der Institute vorhanden ist - also immer nur zeitlich befristet. Juliane Bräuer schätzt, dass allein etwa zwei Drittel ihrer Arbeitszeit für das Schreiben der Anträge nötig sind - Zeit, die ihr für die Forschung fehlt. Zugleich zerrt die ständige Unsicherheit hinsichtlich des Arbeitsplatzes an ihren Nerven.
Top-Wissenschaftler arbeitslos?Die ständige Abfolge von befristeten Arbeitsverträgen, also Zeitverträgen, geht bei Bräuer jetzt seit über 12 Jahren. Das bedeutet: damit ist bald Schluss. Denn das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt es diese Verträge nur maximal 12 Jahre lang auszustellen. Spätestens dann muss eine Festanstellung erfolgen - oder die Kündigung. Das Gesetz schiebt also das Problem der fehlenden Stellen nur auf. Die Folge: viele WissenschaftlerInnen, wie Juliane Bräuer, versuchen sich eben mit Stipendien und befristeten Verträgen über Wasser zu halten, haben kaum Einkommen, keine regelmäßige Sozialversicherung und stehen im mittleren Alter ohne Stelle da.
„Brain Drain" - die Flucht der Forscher ins AuslandWeil sie ihre Forschungsprojekte in Deutschland nicht fortführen können, wandern viele ins Ausland ab, wo ihnen Stellen geboten werden - ein Verlust an wissenschaftlichen Know-How ist somit die Folge, geradezu „ein furchtbarer Kreativitätsverlust," konstatiert Russell Gray, Bräuers Chef am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.
Der Kampf um die StellenLängst hat auch die Gewerkschaft GEW das Problem erkannt und fordert im "Templiner Manifest" 50.000 neue Dauerstellen für die Universitäten von der Politik. Und Akademiker haben sich im "Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft" zusammengetan, um mit Aktionen auf die prekäre Lage der Akademiker aufmerksam zu machen und versuchen einen Streik zu organisieren. Getreu dem Motto: gute Arbeit in der Wissenschaft braucht gute Beschäftigungsbedingungen. Andere haben gleich eine neue Gewerkschaft - die "unterbau" gegründet und fordern nicht nur bessere Arbeitsbedingungen für sich sondern auch eine neue Organisation der Universitäten. Doch selbst wenn diese kommen: Juliane Bräuer wird wohl spätestens 2022 ihre Arbeit als Forscherin beenden müssen, obwohl das von Seiten international tätiger Wissenschaftler bedauert wird - ein persönliches Schicksal und ein Verlust für die Wissenschaft und den Forschungsstandort Deutschland.