07. Dezember 2015 15:47 Uhr
DB-SimulationszentrumLokführer können sich beim Fahren zurücklehnen? Von wegen. Im Fahrerraum ist einiges los, höchste Konzentration wird verlangt. Das zeigt sich auch im Übungssimulator.
Schon bevor die Fahrt überhaupt losgeht, hat der Zug Verspätung. Er steht im Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, nach Fulda soll es gehen. "Das macht jetzt aber nichts", sagt Olaf Carls von seinem Fahrersitz. Der 49-jährige "Triebfahrzeugführer", wie es im Bahndeutsch heißt, sitzt nämlich in vier Metern Höhe in einem Hight-Tech-Kasten, der von außen nur entfernt an einen Zug erinnert. Es ist ein Simulator der Deutschen Bahn.
Bald gibt es 17 Stück davon, die sich auf zwölf Standorte in ganz Deutschland verteilen. Einer steht in der Nähe des Mainzer Hauptbahnhofes, in Blickweite zu den Kollegen auf den Gleisen. Rund 20.000 Lokführer beschäftigt der Konzern nach eigenen Angaben bundesweit. "Jeder davon muss mindestens ein Mal im Jahr in den Simulator", sagt Steffen Renisch, Leiter Arbeitsgebiet Prozesse und Gestaltung und zuständig für den Fernverkehr.
Es wackelt, piept und blinkt - in der Fahrerkabine ist höchste Konzentration gefordert. Olaf Carls sitzt hinter dem Simulationsmonitor und bedient Tasten und Hebel fast blind. Er kann auf über 25 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Schon die kleinste Ablenkung kann aber auch bei ihm zur Vollbremsung mitten auf der Strecke führen - "Störung" ertönt es aus dem Computer im Hintergrund.
Regelmäßig macht sich die Sicherheitsfahrschaltung bemerkbar, die die Aufmerksamkeit der Fahrer kontrolliert. Beim Fahren muss durchgängig ein Pedal durchgetreten werden, alle 30 Sekunden geht der Fuß aber kurz hoch, um die Wachsamkeit zu gewährleisten. Geschieht das nicht, wird eine Zwangsbremsung eingeleitet.
Zur gleichen Zeit sitzt Thomas Oehl, Instruktor, im benachbarten Kontrollraum und überwacht Carls Zugfahrt. Im Normalfall sitzen in dem Simulator Aus- oder Weiterzubildende, denen Oehl auf die Finger schaut. "Mach mal die Türen auf, Leute wollen aussteigen", erinnert er, als der Zug am Bahnsteig wartet. Vor ihm stehen drei Bildschirme, er sieht genau, wann es in dem Simulator blinkt, ob die Geschwindigkeit stimmt. Und, ob energiesparend gefahren wird.
Das Unternehmen fördere schon lange die umsichtige Fahrweise ihrer Lokführer, berichtet Renisch. Mit den vor einigen Jahren eingeführten rückspeisenden, dynamischen Bremsen hat der Lokführer "die Möglichkeit, die Energie wieder dem Stromnetz zur Verfügung zu stellen". Bis zu zehn Prozent Energie könnte unter anderem durch das einfache Rollen der Züge über weite Strecken gespart werden. Auf einer Strecke zwischen Berlin und Frankfurt am Main entspreche das mehr als dem Jahresverbrauch einer vierköpfigen Familie.
Geringere CO2-Werte und ein höherer Anteil erneuerbarer Energien sind wichtige Ziele der Deutschen Bahn. Für das Jahr 2020 angepeilte Klimaziele konnten schon jetzt erreicht werden. Für die Zukunft sind nun neue Zielwerte in Arbeit.
Carls ist noch immer nicht in Fulda angekommen, rote Warnleuchten haben ihn gestoppt. Streckenweise sind 250 Stundenkilometer erlaubt, im Moment herrscht aber Stillstand. Immerhin wurde die Verspätung aufgeholt. Der 49-Jährige ist engagiert und nimmt die Fahrt ernst - als wäre er in Wirklichkeit unterwegs.
Den Eindruck vermittelt auch der realitätsnahe Simulator, die gefahrene Strecke ist dem wahren Abschnitt detailgetreu nachempfunden worden, inklusive Topographie. Allein in Rheinland-Pfalz ist das Schienennetz der Deutschen Bahn 1822 Kilometer lang. "Für Prüfungen werden aber meist fiktive Strecken ausgewählt", sagt Carls. So hat kein Lokführer Vorteile bei ihm bekannten Strecken.
Die Kosten für einen solchen Simulator liegen bei rund einer Millionen Euro, wie Steffen Renisch berichtet. Auch wenn die Fahrten Spaß machten, "für den Garten ist das leider nichts".
Autor: Jan-Nikolas Picker