Die erste Lehre: Wer wiedergeboren werden möchte, muss sterben. Tot für die Welt sollen wir sein. Kein Weg führt daran vorbei. Darum hüllen wir uns in Gewänder, wie sie in Japan üblicherweise den Verstorbenen für ihre letzte Reise vorbehalten sind. Die Yamabushi Eriko, eine stille Vierzigjährige mit mildem Lächeln, hilft mir, mich anzukleiden: Eriko knotet Bänder um mich, ich steige in eine weisse Pluderhose, ziehe mir eine Wickelbluse über. Um den Kopf bindet sie mir eine Art Schal mit zwei Schlaufen, die wie runde Eisbär-Öhrchen abstehen. Der Tod gleicht nach buddhistischer Vorstellung einer Pilgerfahrt. Darum ähnelt das japanische Totenkleid, shiroshouzoku, dem Gewand der Pilger, die nach ihrer Zeit der inneren Einkehr schliesslich eine Wiedergeburt in den Alltag erfahren.
Ein letzter Blick in den Spiegel zeigt eine westliche Touristin, eingepackt in einen Kokon aus Stoff, mit skeptischem Gesichtsausdruck, bereit für den vermeintlichen Weg zur Erleuchtung im Schnelldurchlauf, bereit für die Weltflucht. Eriko reicht mir einen weissen Rucksack und einen hölzernen Wanderstab. Dann steigen wir in einen Bus, der uns von unserer Pilgerherberge in die Berge bringt...