250 Tausend Tonnen Grillkohle verbrauchen die Deutschen im Jahr und damit mehr als jede andere Nation der EU. Grillkohle, die es hierzulande im Handel zu kaufen gibt, stammt überwiegend aus Osteuropa und Südamerika. Die Köhlerei – oder auch Holzverschwelung genannt – ist als Handwerk in Deutschland nahezu ausgestorben. Seit 2014 steht sie auf der Unesco-Liste für Immaterielles Kulturerbe. Aber es gibt noch ein paar wenige Betriebe, die Grillkohle in Handarbeit herstellen. Iris Milde hat sich einen davon angeschaut.
Autorin
Sosa im Erzgebirge trägt den Beinamen Köhlerdorf. Im Ort gibt es eine Schauköhlerei und bis vor wenigen Jahren gingen noch zwei Köhler ihrem rußigen Handwerk nach. Inzwischen gilt Silvio Gläser als einer der letzten Köhler des Erzgebirges.
Gläser
„Es ist ein harter Beruf. Sie sehen ja, mit die Stämme den ganzen Tag zu kämpfen.“
Atmo
Schritte
Autorin
Das aber an einem der schönsten Arbeitsplätze überhaupt. Vom Gelände der „Holzverschwelung Gläser“ blickt man auf bewaldete Hügel und grüne Bergwiesen.
Gläser
„Auf einer Seite ist es schön. Auf der anderen Seite ist es, ich meine, wenn wir 35 Grad hier haben und wir haben die Kessel noch brennen, dann läuft man bei weg.“
Autorin
Silvio Gläser ist ein kleiner, aber muskulöser Mann. Er trägt eine schwarze Latzhose. Seine Hände und sein Gesicht sind rußverschmiert. Köhler ist kein Lehrberuf. Das Handwerk wurde in der Familie weitergegeben.
Gläser
„Die Köhlerei ist entstanden 1937 schon vom Großvater her. Der war also in der Familie der erste Köhler. Dann hat es der Vater fortgeführt und jetzt mittlerweile in dritter Generation.“
Atmo
über Hof stapfen
Autorin
Es riecht nach frischem und gleichzeitig nach verbranntem Holz. Auf der einen Seite des Hofs sind dicke Stämme zu einer langen Mauer aufgeschichtet.
Atmo
Stamm hieven
Autorin
Silvio Gläser zieht ein Stück Buchenstamm vom Stapel und hievt es in die Spaltmaschine.
Atmo
Spaltmaschine, Schichten
Autorin
Das Holz ächzt und kracht, während das Messer hindurchgleitet. Die Scheite werden dann um eine Stange herum aufrecht im Kreis gestellt, sodass am Ende eine runde Kuppe von etwa 3 Metern Durchmesser und zwei Metern Höhe entsteht.
Gläser
„Das Grundprinzip ist eigentlich das gleiche wie beim Erdmeiler. Es wird nur nicht mit Reißig und Erde abgedeckt, sondern bei uns kommt die Stahlglocke drüber.“
Autorin
Das Köhlerhandwerk gibt es seit etwa 4000 Jahren. Im Erzgebirge wuchs der Bedarf an Holzkohle mit dem Bergbau. Die Holzkohle, die beim Verbrennen viel höhere Temperaturen erzeugt als ein einfaches Holzfeuer, brauchte man für die Verhüttung und Verarbeitung der gefundenen Metalle.
Gläser
„Aber die waren früher alle im Wald, dort, wo das Holz geschlagen wurde. Wanderköhlereien waren das.“
Autorin
Etwa eine Woche musste das Holz im Erdmeiler schwelen, bis die Kohle fertig war. Silvio Gläser braucht dafür heute nur noch 24 Stunden, dank der großen Stahlglocken, die er über die Meiler stülpt.
Atmo
steigen, Fließband
Autorin
Die kann er auch höher befüllen als einen Erdmeiler. Gläser klettert die Eisenstufen an dem Stahlkessel nach oben. Sein Bruder Jochen legt ein Scheit nach dem anderen auf das Förderband und Silvio Gläser schiebt es von oben in die Glocke.
Gläser
„Dann wird sie untenrum dicht gemacht, also kommt Dreck ran, und dann wird sie angebrannt. Angebrannt wird sie über ein Rohr, das in der Erde liegt. Die Schwelzeit beträgt etwa 24 Stunden. Und in den 24 Stunden, also auch nachts, muss ich dann alle drei Stunden mal gucken, dass nichts passiert, dass nichts glüht.“
Autorin
Alle zwei Wochen schiebt er die sogenannte Köhlerwache. Denn das Holz darf nur schwelen, nicht aber verbrennen. Durch den Luftabschluss liegt der Kohlenstoffgehalt von Holzkohle bei 80 bis 90 Prozent. CO2 entsteht hauptsächlich beim Verbrennen der Kohle, also etwa beim Grillen.
Gläser
„Holzkohle machen, das hat ja eigentlich nur was mit Wasserentzug zu tun. Es kommen paar Holzessenzen mit vor, die dann bisschen Geruch geben, aber das ist auch alles.“
Atmo
Schritte
Autorin
Nach dem Abkühlen wird die Kohle in große Säcke abgefüllt.
Atmo
Sack rausziehen
Gläser
„Zehn-Kilo-Sack bei uns zehn Euro.“
Autorin
Der überwiegende Teil der Kohle gehe als Grillkohle in den Handel. Der Anteil an Holzkohle, der von Kunden aus der Industrie abgenommen wird, ist verschwinden gering, so Silvio Gläser.
Gläser
„Das sind vielleicht mal noch fünf Prozent. Es gibt noch paar Gießereien. Früher haben sie sie für bestimmte Legierungen gebraucht, aber das machen sie hier nimmer.“
Autorin
Circa 100 Tonnen Kohle produziert und verkauft die Köhlerei Gläser im Jahr.
Gläser
„Wir brauchen keine Werbung. Wir kommen ja gar nicht nach.“
Autorin
Mit den Billigpreisen der Discounter könne sein Betrieb nicht mithalten, winkt der Köhler ab, die Qualität mache den Unterschied.
Gläser
„Gute Holzkohle hat wirklich was mit dem Holz zu tun. Wir nehmen hauptsächlich Buche, Eiche, etwas Weichholz, das brennt gut an und das harte, das hält halt dann die Hitze.“
Autorin
Rund 85 Prozent der in Deutschland verkauften Holzkohle wird importiert, meist aus Osteuropa oder Südamerika. Der WWF hat durch mikroskopische Analysen festgestellt, dass über die Hälfte der in der EU gehandelten Produkte Tropenholz enthält. Silvio Gläser bezieht sein Holz direkt aus den umliegenden Wäldern. Doch die Holzpreise treiben auch ihm Sorgenfalten auf die Stirn.
Gläser
„Voriges Jahr noch bisschen Holz gekauft, von dem zehre ich erstmal noch. Vielleicht wird es nächstes Jahr wieder billiger. Vielleicht haben wir nächstes Jahr wieder einen Käfer oder so, dass das Holz schnell raus muss aus dem Wald.“
Autorin
Silvio Gläser ist jetzt Mitte 50. Mit ihm wird die lange Tradition des aktiven Köhlerhandwerks in Sosa in einigen Jahren zuende gehen, denn seine Töchter haben kein Interesse, den Betrieb zu übernehmen.
Gläser
„Ich werde wohl als letzter dann irgendwie aussterben. Wir haben nur Mädels. Und unsere Mädels, die möchten das nicht mehr und ich möchte es auch ihnen eigentlich nicht zumuten.“
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