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Verbesserung von Patientenverfügungen: Fürs Lebensende gut beraten

Soll alles medizinisch Mögliche gemacht, das Leben um jeden Preis verlängert werden? Oder sollen in der letzten Lebensphase nur die Schmerzen gelindert werden? Wie können Betroffene festhalten, wenn sie ihre Meinung im Lauf des Sterbeprozesses ändern? Um diese und andere Fragen geht es, wenn der Entwurf des Hospiz- und Palliativgesetzes am Montag im Bundestag öffentlich angehört wird und am Mittwoch Abgeordnete fraktionsübergreifend mit Sachverständigen zum Thema Sterbebegleitung diskutieren.

Egal ob nach einem Unfall oder nach langer Krankheit, in kritischen Situationen sind Patienten oft nicht bei Bewusstsein und können ihre Einwilligung oder Ablehnung zur medizinischen Behandlung nicht selbst geben. Patientenverfügungen sollen helfen, diese wichtigen Fragen vorab zu klären und im Sinne der Betroffenen festzulegen, wie Mediziner handeln sollen, und wie nicht.

Einfach ist die Sache aber nicht: So schwierig wie die Frage, wie man mit einer zukünftigen Krankheit umgehen möchte, so kompliziert ist es, die Formulare auszufüllen. Ab wann ist beispielsweise das Gehirn unwiderruflich geschädigt? Wann ist der Sterbeprozess unabwendbar? Was tun bei einer schweren Krebserkrankung, die nicht mehr heilbar ist, intensivmedizinische Maßnahmen das Leben aber ein wenig verlängern könnten?

Der Laie ist mit diesen Fragen schnell überfordert.

Hilfe gibt es zwar von juristischer oder medizinischer Seite. Notare, Ärzte oder Verbände bieten ihre Dienste an, verlangen jedoch mitunter nicht wenig Geld dafür. Als Patientenverfügungen 2009 gesetzlich geregelt wurden, entschied sich die Politik gegen eine Kostenübernahme. Daher sind die Verfügungen wenig verbreitet, obwohl sie eigentlich die Patientenautonomie stärken und Ärzte sowie Angehörige vor stressigen Entscheidungen bewahren können. Zudem sind sie oft nicht so detailliert und aussagekräftig, wie sie nach dem Gesetz sein sollten, um verbindlich zu sein. Aus diesem Grund werden sie nicht immer beachtet.

"Die konventionelle Umsetzung der Patientenverfügung ist vollständig gescheitert", sagt Jürgen in der Schmitten von der Uni Düsseldorf. Der Palliativmediziner tritt stattdessen für eine umfassende Versorgungsplanung ein, wie sie in Australien, den USA oder Neuseeland unter dem Begriff "Advance Care Planning" schon verbreitet ist. Das Konzept sieht vor, dass interessierte Patienten oder auch Gesunde in einem längeren Gesprächsprozess über ihre Wünsche sprechen, welche in eine Patientenverfügung einfließen können.

Dabei werden sie von geschulten Gesprächsbegleitern beraten. Auch enge Familienangehörige, Hausärzte oder Pfleger können beteiligt werden. Indem der Ansatz der gesundheitlichen Versorgungsplanung ein Netzwerk mit Vertrauenspersonen einbezieht, soll im Ernstfall schnell die Entscheidung getroffen werden können, die dem Patientenwunsch entspricht. Regelmäßige Gespräche können die sich im Laufe der Zeit verändernden Einstellungen berücksichtigen.

Einen ähnlichen Ansatz bietet das Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt bereits seit einigen Jahren an. Nach der Beratung hätten zwei Drittel der Teilnehmer ihre Patientenverfügung geändert, weil sie verschiedene Punkte vorher nicht richtig verstanden hatten, sagte der Medizinethiker Kurt Schmidt auf einer Tagung zum "Advance Care Planning" in München.

Das US-amerikanische Unternehmen Kaiser Permanente bietet "Advance Care Planning" in vielen seiner Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen an. Im Norden Kaliforniens seien seit 2013 schon 845 Berater ausgebildet und mehr als 50.000 Gespräche geführt worden. Jedem Teilnehmer würden mehrere Termine angeboten, die jeweils ein bis zwei Stunden dauerten, sagte der Palliativmediziner Daniel Johnson von Kaiser Permanente.

In einem Forschungsprojekt hat der Allgemeinmediziner in der Schmitten zusammen mit dem Medizinethiker Georg Marckmann von der Universität München bestätigt, dass dieser Ansatz zu deutlich besser ausgearbeiteten Patientenverfügungen führt.


Damit haben sie auch das Interesse des Bundesgesundheitsministeriums geweckt. Noch dieses Jahr soll das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung verabschiedet werden, das sich auch dieses Themas annimmt. Pflegeeinrichtungen können ihre Bewohner beraten und Netzwerke zur gesundheitlichen Versorgungsplanung aufbauen - und Kosten über die gesetzliche Krankenkasse abrechnen.

Laut Till-Christian Hiddemann vom Gesundheitsministerium soll auf diesem Weg die Grundlage für die Einführung der Versorgungsplanung in Deutschland geschaffen werden. "Es geht darum, die Strukturen im Gesundheitssystem so zu ändern, dass eine wohlüberlegte und aussagekräftige gesundheitliche Versorgungsplanung in der medizinischen Praxis berücksichtigt wird", so Hiddemann.

Der Allgemeinmediziner Nils Schneider von der Medizinischen Hochschule Hannover begrüßt diesen ersten Schritt. Dieser müsse aber schon früher getan werden: Erst im Pflegeheim mit der Versorgungsplanung zu starten, sei definitiv zu spät. "Die Menschen kommen in einem Gesundheitszustand ins Heim, der schon vorher viele Entscheidungen erfordert", sagte er auf der Tagung in München. Auch sind ältere Menschen dann oft bereits kognitiv beeinträchtigt. Laut Erika Stempfle vom Diakonie-Bundesverband braucht es außerdem deutlich mehr Geld, als bisher eingeplant.

Ansonsten könnten die Wünsche der Patienten am Ende nicht umgesetzt werden.

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