erschienen in TZ 10/Mai 2014
Modebegeisterte Plus Size Bloggerinnen nutzen Social Media um durch gemeinsame Aktionen Stereotypen abzubauen und soziale Akzeptanz sowie volle modische Partizipation zu erreichen.
Ausgehend vom angelsächsischen Raum ist die Zahl der Plus Size Blogs zuletzt auch im deutschsprachigen Raum explodiert. Selbstbewusste junge Frauen mit Größen über 44 haben Blogs gegründet, um ihre Modebegeisterung offen zu leben und auf ihre soziale und modische Stigmatisierung hinzuweisen. Sie verstehen sich als "Fat Aktivistinnen"-und verwenden den Begriff "fat" bewusst, um auf ihre positive Einstellung zu ihrem kurvigen Körper hinzuweisen und gleichzeitig auf dessen Stigmatisierung in Gesellschaft und Modeindustrie. Die Modebloggerin Gabi Fresh aus Chicago nannte ihren 2008 gegründeten Blog z.B. "Young, Fat and Fabulous". Wenn die 25-jährige ihren Followern Modetipps gibt, dann möchte sie vor allem eines sagen: "Ignore fashion rules". Mit dem von ihr kreierten "Fatkini", einer Mischung aus X-Large Bikini und Tankini geht sie mit bestem Beispiel voraus und widerlegt die allgemeine Auffassung, dass üppige Körperformen zu verhüllen seien. Darüberhinaus spielt sie auf limitierende Regeln an wie etwa "Schwarz macht Schlank", "große Muster machen dick" oder "Blocktreif macht breit". Hinter Regeln dieser Art steht die Auffassung, dass ein kurviger Körper ein Zustand sei, der schnellstmöglich behoben werden müsse. Ziel der Fat-Aktivistinnen ist es dieses Stereotyp zu eliminieren und voll an Modetrends zu partizipieren. In den Modeblogs weisen Badges mit Aufschriften wie "No Diet Talks" auf die Bewegung hin. Mit modischer Ausgrenzung meint die Plus Size Community aber auch den Zustand als außerordentliche Größengruppe "bezeichnet" und nicht regulär in den Größenskalen geführt zu werden. Da Bloggerinnen oft "digital natives" und daher tendenziell unter 35 Jahren sind, ist weiters die Erschwinglichkeit der Teile ein Kriterium für Ausgrenzung. Eine Bloggerin wünscht sich z.B. ihre Größe bei Primark zu finden, weil das ihren begrenzten finanziellen Möglichkeiten entspreche.
In englischsprachigen Modeblogs ist die Selbstermächtigung schon weiter fortgeschritten als in den deutschsprachigen. Aber hier wie dort herrscht Unzufriedenheit mit der beharrlichen Ignoranz der Modeindustrie. Abhilfe soll der Aufruf zu gemeinsamen Aktionen schaffen. Eine Bloggerin aus Manhattan möchte z.B. bewirken, dass die Industrie ihre Größenskala erweitert und hat zu diesem Zweck eine hashtag Aktion ins Leben gerufen. Dabei sollen Betroffene Fotos von Teilen, die sie gekauft hätten, wenn sie in der passenden Größe verfügbar gewesen wären, mit dem Hashtag #plussizeplease in den Social Media posten. Das gleiche Ziel verfolgt auch die 23-jährige deutschen Modebloggerin Kathrin, allerdings mit einem diskreteren Mittel. Sie rief zur Aktion "Plus Size Wish List - The stuff fat girls actually want". 22 Bloggerinnen folgten ihrem Aufruf, veröffentlichten ihre Wunschlisten auf ihren Blogs und deponierten den Link dazu auf Katrin's Blog. Die Wunschlisten decken das gesamte Bekleidungsspektrum ab, zeigen aber einen speziellen Bedarf an körperbetonender und enger Kleidung. Auffallend häufig in den Wunschlisten ist die Nennung von sexy Dessous und gemusterten und dekorierten Strümpfen, Overknees und Leggings sowie hochhackigen Schuhen und Stiefeln. Auch auf die "Schwarz macht Schlank Theorie" gibt es in den Wunschlisten eine klare Antwort: Farben, Farben, Farben!
Mangelnde Trendaffinität
Dazu der eindringliche Appell der 23-jährigen Isabelle auf http://neben-saechliches.blogspot.de/2012/12/plus-size-wish-list.html "Auch WIR wollen sexy Unterwäsche tragen, auch WIR wollen toll geschnittene Mäntel tragen, auch WIR wollen schicke Stiefel tragen, auch WIR wollen tolle modische Kleider und Oberteile haben, die nicht nur schwarz und / oder sackig an einem herunterhängen, auch WIR wollen die aktuelle Trendfarbe tragen, auch WIR wollen bezahlbare Preise. In England haben die Firmen schon verstanden, was sie tun müssen. Wieso gibt es in Deutschland nur so wenig Angebot? Und wenn es mal ein gutes Angebot gibt, kostet es gleich ein Vermögen. Was ist mit den Mädels mit dem kleinen Geldbeutel?"
Aufmerksamen deutschen Herstellern scheinen die Wishlists in den Blogs nicht verborgen geblieben zu sein. Bonprix hat bereits 15 Bloggerinnen zu einem "Plus Size Design Camp" nach Hamburg eingeladen Zum Sommer 2014 launchte das Unternehmen eine Kollektion "Maite Kelly", einem Spross aus der Kelly Family. Die Initiatorin der Plus Size Wishlist Katrin war zur Kollektionspräsentation eingeladen und berichtete in ihrem Blog darüber. Dabei hob sie positiv hervor, dass die Kollektion schon bei Größe 38 beginne, also "keine reine Plus Size Kollektion" sei. Ihr Rat an alle Designer: "Wenn ihr eine Plus Kollektion entwerft, fragt euch, ob eine Frau, die eine 36 oder 38 trägt, dieses Teil auch kaufen würde. Wenn die Antwort „Nein" ist, wisst ihr, dass da was falsch gelaufen ist."
Kommentare zur Plus Size Industrie
Thema in den Plus Size Blogs ist auch "Anna Scholz Lingerie", die der beliebte Online-Shop "Simple Be" zum Sommer 2014 launchte. Außerdem diskutiert man die ebenfalls zum Sommer 2014 lancierte Plus Size Linie "Violetta" der spanischen Modekette Mango. Der Style wird für gut befunden, aber auch kleine Passformprobleme bleiben nicht unerwähnt. Inwieweit Guido Maria Kretschmer die Attitude der modebegeisterten Plus Size Girls realisieren kann, bleibt abzuwarten, Seine Kollektion für Heine wird Ende Mai präsentiert und zum Winter 2014/15 gelauncht. Neben den englischen sind es speziell nordwesteuropäische Labels, die sich über das Verhüllen von Körperkurven hinweggesetzt haben und auf Körperbetonung setzen. Ein Label, das in den Blogs genannt wird, ist Carmakoma aus Dänemark. Auf dieser Website führt die Online-Recherche schließlich nach Österreich. Der Store Locator gibt an, dass die Kollektion bei Stor in der Wiener Strozzigasse erhältlich ist. Es ist die Schneidermeisterin Gabrielle Wally, die Stor vor einem Jahr gegründet hat um auf die Wünsche einer modebegeisterten Plus Size Community zu reagieren. Die Lust auf den eigenen Shop kam mit der Entdeckung von Carmakoma. Aber Wally führt auch noch andere dänische Labels:, wie etwa Veto, Yppig, Studio und Zizzi. Mit Zizzi hat sie ein Label entdeckt, das die Sprache der jungen Plus Size Kundin perfekt beherrscht. Aber auch Berlin zeigt seit Juli 2013 mit der Messe "Curvy is Sexy" ein trendiges Angebot im Plus Size-Sektor. Wally hat dort das Label Weimann entdeckt. Selbst Teil ihrer Zielgruppe stellt Wally fest, dass Österreich keine typische Bloggernation ist. Trotzdem kann sie zumindest eine aktive österreichische Plus Size Bloggerin nennen: "Curvy Claudia". der aktuelle Eintrag der 30-jährigen verrät, dass sie ein Faible für Pink hat, also scheint auch sie nichts von der "Schwarz macht schlank Theorie" zu halten ....
Hildegard Suntinger