Sein Vater eine lockige Kultfigur, sein Namensgeber eine italienische Torwartlegende: Dino Toppmöller ist Bayerns neuer Co-Trainer – und die Wunschlösung von Julian Nagelsmann. Wieso?
Wäre Dino Toppmöller Geologe, er würde wohl eine Dissertation über riesenhafte Fußstapfen und den damit einhergehenden Druck verfassen. Denn es ist die immer gleiche Reporterfrage, auf die sich der Co-Trainer die Freiheit herausnimmt, immer leicht anders zu antworten: Wie groß sind die Fußstapfen ihres Vaters Klaus Toppmöller, Herr Toppmöller?
„Als Spieler haben die Vergleiche ein wenig genervt, heute bin ich stolz auf meinen Vater. Ich glaube jeder Trainer wäre froh, wenn er einen solchen Mentor an seiner Seite hätte", sagt Toppmöller Junior. Und an anderer Stelle: „Ich will meinen eigenen Weg gehen."
Und dieser Weg führt Dino Toppmöller nun an einen Ort, dem sich sein Vater nur mit Argwohn und Abstand näherte: die Trainerbank des Rekordmeisters. Toppmöller folgt seinem Chef Julian Nagelsmann und steht ihm auch in München zur Seite. Es ist ein Widersehen zweier Bekannter, seit Sommer 2020 arbeiten die beiden bereits in Leipzig zusammen. Nach dem Abgang von „Tiger" Hermann Gerland und Miroslav Klose waren an der Säbener Straße noch zwei Trainerstellen zu vergeben. Nun also: Dino für Tiger. Neben Toppmöller bringt Nagelsmann auch noch seinen Vertrauten Xaver Zembrod mit. Eine kostspielige Reunion. Zu den 25-Nagelsmann-Millionen wird nochmal ein sechsstelliger Betrag für die beiden Wunsch-Cotrainer vom Münchner Festgeldkonto abgebucht.
Es ist eine Investition, die sich auszahlen könnte. Dino Toppmöller hat sich im Trainergeschäft mittlerweile einen Namen gemacht, einen eigenen. Als Spielercoach sammelte er seine ersten Erfahrungen bei Benfica. Benfica Hamm, dem semi-professionellem Vorortclub aus Luxemburg, nicht dem portugiesischen Spitzenclub. Toppmöller gelang im ersten Jahr der Aufstieg in die erste Liga, der Rekordmeister klopfte bei ihm an. Der Rekordmeister aus Luxemburg wohlgemerkt: F91 Düdelingen.
Es sind die kleinen Schritte, nahe des Elternhauses in der Eifel, weit weg von der großen Fußballbühne, die Dino Toppmöller als Trainer weitergebracht haben. Die Parallelen zum Vater ziehen andere: Zwei kopfballstarke Mittelstürmer, die ausgestattet mit einer UEFA Pro-Lizenz ihre zweite Berufung an der Seitenlinie finden. Als Vater Klaus 1999 beim FC Saarbrücken als Trainer unterschreibt, bringt er seinen Sohn gleich mit. Gemeinsam feiern sie den Aufstieg in die 2. Liga. Es beginnt eine Wanderschaft durchs Fußball-Unterhaus. In 128 Zweitliga-Spielen läuft Dino Toppmöller noch für Augsburg, Bochum, Offenbach und Eintracht Frankfurt auf. Als er den Frankfurtern am vorletzten Spieltag mit einem Doppelpack den Weg zum Aufstieg ebnet, die Gegenfrage vom eigenen Vater: „Und warum hast du heute keine drei Tore gemacht?"
Für die ARD-Sportschau haben sich Vater und Sohn kürzlich am Tresen von „Toppi’s Sportsbar“, der Familienkneipe in der Vordereifel, interviewen lassen. Man erlebt zwei ehrgeizige Fußballexperten, die hart, aber herzlich miteinander ins Gericht gehen. Am Ende verteilt Klaus Toppmöller Lob für den Trainernachwuchs: „Was Taktik angeht, ist Dino immer perfekt vorbereitet.“
Der Trophäenschrank im Hause Toppmöller ist allein mit Titeln des Sohns befüllt. In drei Jahren gewann Dino Toppmöller mit dem F91 Düdelingen dreimal den Meistertitel und zweimal den Pokal.In Erinnerung bleiben aber vor allem die internationalen Aufritte. Unter ihm als Cheftrainer schaffte 2018 erstmals ein luxemburgischer Vertreter den Sprung in die Gruppenphase der Europa League. Auch wenn es keinen Außenseitererfolg zu bejubeln gibt, Gastauftritte in Piräus, Sevilla und Mailand krönen die Abenteuerreise. Das 2:5 im San Siro – ein Festtag für den Fußballzwerg Düdelingen.
„Er erzählte mir mal, dass Diego Placente Torschusstraining nicht gemocht hat“
Der größte Erfolg ist eine Niederlage auf europäischer Bühne. Noch so eine Parallele, die sich zwischen Vater und Sohn ziehen lässt. 2002, Champions League-Finale Bayer Leverkusen gegen Real Madrid. Näher als an diesem Abend im Hampden Park sollte Klaus Toppmöller in seiner Karriere keinem Titel mehr kommen. Es ist der Höhepunkt von „Vizekusen“. Ein Begriff, der nach Verliererfußball klingt und dem spielfreudigen Offensivspektakel die Werkself nicht gerecht wird. Tiki-Taka-Fußball – bevor der Begriff überhaupt erfunden war. Am Ende der Saison 2001/02 wird der Lockenschopf von Sportjournalisten zum Trainer des Jahrs gewählt. Ein Vorbild für den Sohn? Dino Toppmöller wirft zunächst andere Namen in den Raum. Als Spieler in Offenbach habe er an den Lippen von Wolfgang Frank gehangen. Während seiner DFB-Trainerausbildung in Bad Honnef war er beeindruckt von Christoph Daum und seinem Gastvortrag: „Ein exzellenter Motivator.“
An seinem Vater schätze er den persönlichen Draht zu den unterschiedlichen Charakteren innerhalb einer Mannschaft: „Er erzählte mir mal, dass Diego Placente Torschusstraining nicht gemocht und dies auch so offen kommuniziert hat. Was hat mein Vater gemacht? Den Spieler stattdessen ein individuelles Stretching-Programm absolvieren lassen.“
Dino, benannt nach der Torhüterlegende Dino Zoff, die als Spieler mit Italien EM- und WM gewann und als Dino Nazionale die Squadra Azzurra bis ins Endspiel der EM 2000 coachte. Toppmöller wie das Trainerurgestein, das in 242 Bundesligaspielen an der Seitenlinie stand. Dino Toppmöller: Mehr Trainer in einem Namen geht nicht.
Mehr Trainer in einem Namen geht nicht
Nicht immer geht der Coachingplan für die eigene Karriere auf.
Beim belgischen Zweitligisten Royal Excelsior Virton schmeißt der
40-Jährige kurz vor Weihnachten 2019 hin. Nach nicht einmal einer
Halbserie sind die Differenzen zwischen Vereinsführung und
Trainer zu groß. Unter diesen Bedingungen will der Nachwuchstrainer
nicht weiterarbeiten.
Der Wechsel nach Leipzig im Sommer 2020 ist dann eine wohl durchdachte Entscheidung. An Offerten, andernorts als Cheftrainer einzusteigen, mangelte es zuvor nicht. Hartnäckig hielten sich die Gerüchte um ein Engagement in Kaiserslautern. Aber da wären sie wieder da gewesen, der großen Fußstapfen. Klaus Toppmöller, Spieler der Jahrhundertelf und bis heute Rekordtorschütze der Roten Teufel. Nach zwei Telefonaten mit Julian Nagelsmann steht schließlich das Engagement als Assistenzcoach. Toppmöller, der fließend Französisch spricht, ist erster Ansprechpartner für die Spielerfraktion des Fußball-Weltmeisters. Standardtraining wird zu seinem Lehrauftrag. Und da stimmt die Bilanz, zumindest offensiv. 19 erzielte Standard-Tore sind Ligaspitze in der abgelaufenen Saison, neun Gegentreffer nach ruhenden Bällen ein passabler Wert. Es sind genau solche Kleinigkeiten, für die sich Toppmöller Junior interessiert: „Ich glaube, ich bin detailverliebter und analytischer als mein Vater. Dafür hatte er ein extremes Auge für die Spieler, wusste innerhalb von Bruchteilen, was der Profi kann oder was nicht.“
Wenn man heute Toppmöller in die Google-Suchleiste tippt, wird die Anfrage zunächst mit Klaus ergänzt, dann mit Dino. Und noch weiter unten mit „Bye Bye Bayern“. Mit dem Wechsel nach München wird auch eine alte Kampfansage wieder aktuell. „Bye-bye Bayern!“ stichelte Klaus Toppmöller gegen den Rekordmeister, als der zu Saisonbeginn 1993/94 eine Niederlagenserie hinlegte. Toppmöller, damals Coach der Frankfurter Eintracht, sah sich der Schale ganz nah. Doch am Ende jubelten mal wieder die Bayern und der kurz zuvor entlassene Toppmöller musste vom Sofa aus zuschauen. Mit dem Sohn auf der Bayernbank gibt es nun einen Grund, zusammen mit dem Serienmeister zu jubeln.
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