Die Neue Politische Theologie ist von Beginn an ekklesiologisch verortete Theologie. Als kritische Theologie in der Kirche verfolgte und verfolgt sie bis heute eine doppelte Stoßrichtung: Indem sie auf Privatisierungstendenzen und die Gefahren der Selbstghettoisierung, der Selbstsäkularisierung und der kognitiven Vereinsamung der Kirche als Institution hinweist, versteht sie sich als innerkirchliche Reformstrategie, die zugleich ein kritisch-emanzipatorisches Selbstverständnis der Gläubigen fördern möchte. Auf der anderen Seite versteht sie Kirche als "Institution gesellschaftskritischer Freiheit” (J.B. Metz) und damit als Ort kritischen Räsonnements über die Grundstruktur gesellschaftlicher Freiheit selbst.
Entfaltet finden sich diese ekklesiologischen Grundannahmen bereits in den ersten Basistexten der Neuen Politischen Theologie. Ob in der Theologie der Welt (1968), im Debattenband Diskussion zur "Politische Theologie" (1969) oder in den ersten Lexikonartikeln und Vorträgen von Johann Baptist Metz Zum Problem einer Politischen Theologie (1967) – stets war es die Kirche, auf die das theologische Argument hinauslief, an der es sich neu kritisch entzündete oder von der ausgehend neue Aufbrüche gesucht wurden. Die Frage der Kirche und deren Präsenz in der Gesellschaft, so Metz schließlich in Glaube in Geschichte und Gesellschaft, „ist die Frage nach der gegenwärtigen Situation von Theologie und Kirche überhaupt”.
Den hermeneutischen Hintergrund bildeten dabei u.a. die Debatten über das Verhältnis von Institutionen und Freiheit in den 1960er Jahren. Wie kann Theologie gleichzeitig kritisch und institutionell eingebettet sein? Wie kann sie zum Objekt ihrer Kritik machen, was zugleich bestimmende Struktur ihrer erkennenden kritischen Subjektivität ist, nämlich Kirche, fragte Metz. Ausgehend von der Dialektik dieser Begriffe entwickelte er die Idee von Kirche als einer „Institution zweiter Ordnung”, die gerade nicht den Mustern einer freiheitskritischen Form der Institutionalisierung entspricht, sondern die das kritische Bewusstsein und die Reflexion über die Bedingungen der Freiheit selbst in sich aufgenommen hat. Freiheit also nicht gegen, sondern gerade in Institutionalisierung.
Dieser enge Konnex zwischen Neuer Politischer Theologie und kirchlicher Praxis liegt – auch das lehrt der Blick in die frühen Texte von Johann Baptist Metz – gewissermaßen in der Natur des theologischen Grundansatzes selbst. Wenn nämlich Politische Theologie nicht nur eine Form, eine „Schule” innerhalb der Theologie darstellt, sondern eine Grundform geschichts- und gesellschaftssensibler Gottesrede überhaupt, wenn sie somit einen „Grundzug im theologischen Bewusstsein überhaupt aufdecken” will, dann kann sie gar nicht anders, als in eine Form kirchlicher Praxis zu münden. Als Trägerin der Memoria passionis, als öffentliche Zeugin und Tradentin einer gefährlichen Freiheitserinnerung in den Systemen der emanzipatorischen Gesellschaft und als Ort „befreiter Freiheit” stellt Kirche damit die conditio sine qua non auch der Neuen Politischen Theologie dar.
Dies bedeutet freilich nicht, Kirche zum Zentrum der Theologie zu machen. Dieser Versuchung widersteht die Neuen Politische Theologie ausdrücklich, indem sie Theologie streng theozentrisch als Rede von Gott in Geschichte und Gesellschaft versteht. Wo also die Neue Politische Theologie die eschatologische Botschaft des Christentums in den Verhältnissen der Neuzeit als Gestalt kritisch-praktischer Vernunft ausdrückt, wo Freiheit, Friede, Gerechtigkeit und Versöhnung als nicht privatisierbare Verheißungen auch der biblischen Tradition verstanden werden, da drängt Politische Theologie geradezu notwendigerweise in die kirchliche Praxis ohne in dieser aufzugehen. Eine „völlig institutionsfreie kirchenlose Überlieferung dieses Gedächtnisses”, so Metz, erscheint der Neuen Politischen Theologie als „illusionär”.
Dass die ekklesiologische Verortung Neuer Politischer Theologie im Laufe der Zeit indes etwas in den Hintergrund getreten ist, mag in den veränderten Debattenlagen ebenso begründet sein wie in ihrer Genese selbst. So entwickelte sie sich nicht zuletzt auch entlang der jeweils aktuellen Diskurse wie etwa dem "Historikerstreit" der späten 1980er Jahre, der Fokussierung lateinamerikanischer Befreiungsbewegungen, der Krisensymptomatik "Kirchenkrise vs. Gotteskrise" in den 1990er Jahren, oder zuletzt den Diskussionen über Begriff und Gehalt der Säkularisierung und ihren dialektischen Schlingen sowie der Entfaltung des Begriffs des Politischen im Ringen um die Grundlagen des demokratischen Zusammenlebens.
Mit seinem jüngsten Buch Mystik der offenen Augen (2011)
schloss Metz im Übrigen wieder an diese "frühe" Tradition einer
ekklesiologischen Verortung seiner Theologie an. So endete der
Band mit Überlegungen zu einer "lernunwilligen Kirche", die "für
eine immer stärker wachsende Zahl von Glaubenden wie ein lernunfähiges,
hierarchisch abgehobenes Belehrungssystem" erscheint,
sowie einer Erinnerung an das auf Metz zurückgehende
Synodendokument "Unsere Hoffnung” (1975) als bleibendem Impuls zu einem
"Aufstand der
Hoffnung”.
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