Stand: 06.06.2017 09:31 Uhr
Der Spitzensport in Deutschland steht vor gravierenden Veränderungen. Gelder sollen neu verteilt, Kriterien für die Mittelvergabe sowie Strukturen geändert werden. Die Reform ist umstritten, bei Verbänden und Athleten. Wie sieht die Zukunft des Spitzensports jenseits des Fußballs aus? NDR Info blickt in einer Serie hinter die Kulissen.In Deutschland fließt die staatliche Sportförderung vom Bundesinnenministerium direkt an den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Der hat die Gelder bisher relativ intransparent an die Sportverbände verteilte, so zumindest die Kritik des Bundesrechnungshofes. So dürfe mit Steuergeldern nicht umgegangen werden, deshalb wurde für die aktuelle Sportreform ein Deal beschlossen: Das Bundesinnenministerium versprach mehr Geld für den Sport, wenn der DOSB die Verteilung mit einem Analysesystem und einer Kommission transparenter gestaltet.
Zerwürfnisse werden deutlichDoch noch bevor die Reform überhaupt in Gang kommt, droht das Zweckbündnis im politischen Hickhack auseinanderzubrechen. "Wir wollen, dass die Entscheidungskriterien so transparent sind wie nie zuvor. Wir wollen, dass sie so objektiviert stattfinden wie nie zuvor", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) über die Spitzensportreform: "Ich wiederhole gerne, was ich auch bei der Mitgliederversammlung des DOSB gesagt habe: Ich werde mich dann für eine substanzielle und nachhaltige Erhöhung einsetzen."
DOSB hat sich vergaloppiertDas kleine Wörtchen "dann"! Der DOSB sollte es gehört haben, ist aber enttäuscht, dass es den versprochenen Aufschlag von 39 Millionen Euro im neuen Haushalt noch gar nicht gibt. DOSB-Vorstandschef Michael Vesper gibt sich ahnungslos: "Da ist der Bundesinnenminister leider erst einmal am Bundesfinanzminister gescheitert. Deswegen waren wir darüber irritiert, dass das vorher schon so angekündigt worden war." Der DOSB hat sich anscheinend vergaloppiert. Denn die eigenen Mitglieder hatten der Reform vor allem zugestimmt, weil ihnen das Steuer-Geldgeschenk versprochen wurde. "Ich glaube, dass die Verbände schon beim DOSB nachfragen, wo bleibt das versprochene Geld bleibe - und der DOSB kann im Moment nicht liefern. Aber das hätte er vorher wissen müssen", sagte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, im Exklusiv-Gespräch mit der NDR Sportrecherche. Das Bundesinnenministerium hat sein Zögern begründet: Der Sport fordere auf Grundlage alter Zahlen mehr Geld. Das sei nicht die Absprache gewesen.
"Wir haben eben die Athleten""Dass man noch nicht sagen kann: Wie viele Stützpunkte werden wir an welchen Stellen in unserem Land demnächst haben, wie viele Trainer und Bundestrainer? Da fehlen einfach Detailinformationen, und dann habe ich sogar Verständnis dafür, dass ein Bundesfinanzminister sagt: Da sehe ich noch keine Etatreife, das stelle ich noch nicht in den Haushalt mit ein", betonte Freitag. Der DOSB aber schaltet eine Eskalationsstufe höher und droht mit dem Scheitern der Reform. Beklagt sich in Briefen an das Ministerium, wann und wo das Geld versprochen wurde. DOSB-Vizepräsident Leistungssport Ole Bischof zeigt sich selbstbewusst: "Keiner kann ohne den anderen. Denn ich kann noch so viel Steuergeld in die Hand nehmen: Wenn ich keine Athleten habe, habe ich keine Athleten. Und wir haben eben die Athleten."
Nach der Wahl wird neu verhandelt"Aber der DOSB weiß natürlich genau, wie die Mechanismen funktionieren", sagte Freitag, um abschließend dann noch die Absurdität des Streits deutlich zu machen: "Dieser Bundestag wird ohnehin nicht mehr den Haushalt 2018 verabschieden, das Spiel beginnt nach der Bundestagswahl neu. Und deshalb ist es im Moment auch eigentlich völlig egal, ob ein Aufwuchs von 39 Millionen Euro im Haushalt etatisiert worden ist oder nicht."
Dieses Thema im Programm:
NDR Info | Aktuell | 05.06.2017 | 18:05 Uhr