Hier sprechen regelmäßig Menschen, die von Armut betroffen sind.
Sandra (Name von der Redaktion geändert) ist 41 Jahre alt und alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes, der chronisch krank ist. Im Mai 2015 bekam sie die Diagnose Krebs, seitdem lebt sie von Hartz IV. Aus gesundheitlichen Gründen kann Sandra nicht mehr arbeiten gehen - und wird es wohl auch nie mehr können. Zuvor hat sie als Schreibkraft in einem Büro gearbeitet und war in Elternzeit. Ihre Krebsdiagnose erhielt Sandra, als sie gerade einmal drei Wochen wieder gearbeitet hatte.
Sie bekommt rund 1000 Euro von der Bundesagentur für Arbeit (Hartz IV, Mietzuschuss, etc.). Kindergeld in Höhe von 198 Euro und Unterhaltsvorauszahlungen vom Vater des Kindes von 200 Euro.
Insgesamt hat sie für sich und ihren Sohn 1398 Euro zur Verfügung. Davon zahlt sie:
690 Euro Miete in einer mittelgroßen Stadt 80 Euro Strom 60 Euro Autoversicherung, da sie aufgrund ihrer Erkrankung auf ein Auto angewiesen ist rund 70 Euro Internet/Telefon/Handy rund 100 Euro für Kleidung, Kosmetika, Medikamente 250 Euro für LebensmittelSandra und ihrem Sohn bleiben so rund 150 Euro monatlich zum Leben.
Sobald mein Körper wieder streikt, ist sie wieder da. Dafür Worte zu finden, ist kaum möglich. Ich hatte mein Leben nicht so geplant.
Was war denn dein Plan? Ich hatte einen guten Job, war immer sehr gerne arbeiten, kam gut über die Runden. Ich hatte einen ganz anderen Lebensstil als jetzt. Eigentlich hieß es auch, dass ich gar keine Kinder bekommen könnte. Dann kam alles ganz anders. Erst war ich schwanger und dann kam die Diagnose. Der Krebs hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Da wieder rauszukommen ist sehr, sehr schwer.
Das Problem ist, dass ich weder Flüssigkeit noch Essen behalten kann, weil mir ein großes Stück meines Darms fehlt. Sobald ich auch nur einen Schluck Wasser trinke, muss ich sofort auf Toilette. Welcher Arbeitgeber würde das mitmachen? Ich kann ja nicht einmal mit meinem Jungen Eis essen gehen.
Wie sehr hat sich dein Leben durch die Krankheit und durch Hartz IV verändert? Das kann man gar nicht beschreiben. Früher konnten wir zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen und heute können wir gar nichts mehr machen. Jetzt wohne ich mit meinem Sohn in einer Zweizimmerwohnung, früher hatten wir viel mehr Platz.
Man sieht mir den Krebs nicht an. Ich habe noch Haare auf dem Kopf. Die Krankheit ist mir ja nicht auf die Stirn geschrieben.
Würdest du dich selbst als arm bezeichnen?Ich schäme mich da schon für, auch wenn ich nichts dafür kann. Früher habe ich zwar auch aufs Geld geachtet, aber ich konnte mir einfach mal in einem Laden eine Jeans kaufen. Jetzt muss ich zu einem Discounter gehen. Das sieht man den Klamotten auch an. Dennoch achte ich schon sehr darauf, dass wir gepflegt aussehen.
Was müsste sich deiner Meinung nach ändern, um die Situation von Hartz-IV-Empfängern zu ändern? Es müsste mehr Unterstützung geben, wenn man krank ist. So wie das jetzt ist, wird nicht unterschieden zwischen Menschen, die seit 20 Jahren nicht arbeiten gehen wollen und Menschen, wie mir, bei denen es einfach nicht geht. Ich würde mir wünschen, dass Menschen wie mir einfach mal geholfen wird. Ich war mein Leben lang immer arbeiten und das sollte berücksichtigt werden.
Welche Unterstützung würdest du dir konkret wünschen? Ich hätte gerne einfach die Chance, mit meinem Kind auch mal zur Ruhe zu kommen. Aber das können wir nicht. Ständig sind wir auf Wohnungssuche, weil in unserer jetzigen Wohnung Schimmel ist. Aber in unserer Situation bekommen wir auch keine Wohnung.