Es ist ein grauer, ungemütlicher Tag in der Chaussée de Gand. Der Himmel ist düster, und permanenter Nieselregen unterstreicht noch die allgemeine Trübseligkeit. Die Straßen sind fast menschenleer - bis auf all die Journalisten, die Fernsehteams und Radiosprecher, die Fotografen und die schreibende Presse. All sie kamen gleich nach den Anschlägen von Paris und den anschließenden Untersuchungsergebnissen hierher, gleich nachdem eben diese Untersuchungen den Brüsseler Stadtteil Molenbeek-Saint-Jean in den Mittelpunkt des Interesses rückten. Es fehlt nicht viel, und man bekommt das Gefühl, in eine Kriegsreportage geraten zu sein.
Die Anwohner? Es sind stille Schatten, die wenig von sich preisgeben. Der fröhliche Trubel der Hauptverkehrszeit ist verstummt. "Es herrscht ungewohnte Stille, man spürt förmlich die Emotionen", meint ein Schauspieler aus Molenbeek, den wir am Kanal treffen. Es ist eine Gegend, in der seit einiger Zeit immer mehr Lofts bezogen werden und Künstler sich niederlassen. Der gebürtige Belgier scheint die Emotionen der anderen zu teilen. Hinzu kommt eine große Portion Wut: "Die Leute hier fühlen sich schuldig - und das ist wirklich die Höhe! 99,9 Prozent der Menschen hier machen nie Ärger - und wenn doch, wird sofort mit dem Finger auf sie gezeigt. Es ist eine Schande, denn sie müssen jetzt alle für die Radikalisierung eines einzigen Mannes bezahlen!"