Hans Muller

Journaliste, photographe et traducteur, Genève

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Reportage

Tatütata

Großeinsatz auf der A30. Die mächtigen Rolltore der Feuerwehrkaserne in Thionville öffnen sich. Unser kleiner Kombi, ein so genanntes Führungsfahrzeug, folgt den beiden ausrückenden Einsatzfahrzeugen, einem Rettungswagen und einem Löschgruppenfahrzeug. Über Funk erfahren wir, dass ein Sattelzug auf der Autobahn in Brand geraten ist. „Normalerweise rücken wir in einem solchen Fall mit mehr Fahrzeugen aus, doch dieses Mal sind andere Wehren als erste gerufen worden, und wir haben nur eine unterstützende Funktion“, klärt mich der Feuerwehroffizier, der  unser Führungsfahrzeug steuert, auf. So lange niemand vor Ort die Gefährlichkeit des Brandes abschätzen konnte, wird genügend Material für den schlimmsten Fall herangeführt. Es könnte sich ja um Gefahrgut oder leicht brennbare Materialien handeln. Schon von weitem warnen Einsatzfahrzeuge der Straßenmeisterei den fließenden Verkehr und blockieren den rechten Fahrstreifen. Doch dann ist alles nicht so schlimm. Der Lkw qualmt zwar, aber es handelt sich um einen Brand unter dem Führerhaus, von wo weiße Rauchwolken aufsteigen. Die anwesenden Polizisten fragen den verstörten belgischen Fahrer nach seinen Papieren, während ein Feuerwehrmann den überhitzten Motor mit jeder Menge Wasser abkühlt. Welche Fahrzeuge für ein bestimmtes Ereignis ausrücken müssen, ist bereits im Voraus festgelegt. Dafür gibt es das Schéma départementale d’analyse et de la couverture des risques (SDACR), in dem, wie der Name schon sagt, die verschiedenen Brand-, Explosions- oder Unfallrisiken für das jeweilige Departement analysiert und die Art und Zahl der Einsatzfahrzeuge festgelegt werden, die bei einem Unfall ausrücken müssen. So gehören bei einem Brand ein Fahrzeug mit Drehleiter, ein Löschgruppen- sowie ein Führungsfahrzeug zur ersten Einsatzgruppe. Sollte sich der Brand ausweiten, werden weitere Einsatzkräfte nachgeführt. In Abhängigkeit der Risikoanalyse werden auch die verschiedenen Wehren mit Personal oder Material ausgestattet. Das Departement Moselle ist besonders gut ausgestattet, weil es aufgrund des Atomkraftwerks Cattenom, der Chemiewerke und der vielbefahrenen Transitautobahn A 30 in die höchste Risikokategorie eingestuft wurde. Daher hat die Feuerwehrkaserne Thionville aufgrund ihrer Nähe zur A 30 allein 5 Rettungswagen und mehrere Fahrzeuge mit hydraulischem Rettungsgerät. Verantwortlich für die Ausstattung der Kaserne in Thionville mit Fahrzeugen und Material ist ein Oberstleutnant im Stab in Metz. Im Department Moselle ist dies Sylvain Dauendorfer. Er ist aber nicht nur für Thionville zuständig, sondern für alle 281 Feuerwehren seines Departements, für die er Fahrzeuge, Ausrüstung und Bekleidung bereitstellt. Er bestimmt, welche der 1130 Einheiten, beziehungsweise 985 Fahrzeuge im Laufe des Haushaltsjahrs erneuert werden. „Für die Anschaffung von Fahrzeugen und Gerätschaften stehen mir im Jahr 4,5 Millionen Euro zur Verfügung“, präzisiert Sylvain Dauendorfer. Damit kann er 45 bis 55 Geräte und Fahrzeuge anschaffen. Weitere 1,5 Millionen Euro werden für die persönliche Ausrüstung der 6000 Feuerwehrleute aufgewandt, wobei man wissen muss, dass allein Feuerwehruniform und Stiefel bereits 700 Euro kosten. Alle Anschaffungen werden ausgeschrieben und besonders für die Neuanschaffung von Fahrzeugen ein detailliertes Lastenheft erstellt, in das auch die Rückmeldungen der Feuerwehren vor Ort einfließen. Kann ein Feuerwehrmann ein Gerät nur schlecht bedienen, wenn er Schutzhandschuhe trägt? Garantiert die Anordnung der Türen eines Rettungswagens die Sicherheit der Feuerwehrleute auch wirklich optimal?  „Alle Ausschreibungen folgen demselben Prinzip: SSE - wobei das Kürzel für Sicherheit, Einfachheit und Ergonomie steht“, so der Oberstleutnant. Jedes Departement hat für seine Wehren seine eigene Vorstellung, was das Material angeht. „Wir kaufen nur wenig Geräte und Fahrzeuge nach Katalog“, resümiert Sylvain Dauendorfer. Im Departement selbst hingegen sind die Fahrzeuge gleichen Typs immer identisch. Das hat einen einfachen Grund: Da die Feuerwehrleute in verschiedenen Kasernen eingesetzt werden können, müssen sich Werkzeuge, Schläuche und sonstige Gerätschaften auf allen Fahrzeugen immer am selben Ort befinden. „So liegt der hydraulische Rettungssatz bei unseren Fahrzeugen immer im Heck und ist zudem sofort einsatzbereit", nennt der Oberstleutnant als Beispiel. Besonders die Fahrzeuge haben eine lange Verweildauer in den Fuhrparks der Feuerwehren. So ist es nicht selten, dass ein Drehleiterwagen 15 Jahre im Einsatz bleibt. Das liegt einmal an der relativ geringen jährlichen Kilometerleistung und zum anderen an den hohen Anschaffungskosten. Die Kaserne in Thionville besitzt einen Atego mit einer Drehleiter von Metz, dem Mercedes unter den Drehleitern, für den fast 600.000 Euro hingeblättert werden mussten. „Wir haben uns für die qualitativ hochwertigste Lösung entschlossen, denn wir können uns keine Ausfälle leisten“, so die Begründung. Auch das Tanklöschfahrzeug in Thionville ist von Mercedes-Benz. Dieser sechsachsige allradgetriebene Actros 2641 ist mit zwei Tanks ausgestattet, von denen einer 8000 Liter Wasser und der zweite 2000 Liter Löschschaum fasst. Zudem verfügt er über Hochleistungspumpen, mit denen er Wasser aus Flüssen oder Seen zur Einsatzstelle pumpen kann. Dafür führt er Schläuche mit einer Gesamtlänge von 2000 Metern mit. Ein weiterer Actros ist als Löschgruppenfahrzeug aufgebaut: mit Doppelführerhaus, 3000-Liter-Wassertank und Wasserkanone. Wenn man den Feuerwehrleuten die jeden Tag mit den Fahrzeugen umgehen müssen, Glauben schenken darf, dann war die Wahl ihres „Generalzeugmeisters“ auch ganz richtig. „Die Actros sind so einfach zu fahren wie ein Pkw“, meinen einstimmig Marc Guillème und Ludovic Froment, zwei Berufsfeuerwehrleute der Kaserne von Thionville, die gerade mit dem Tanklöschfahrzeug von einer Übung zurückkommen.