- Die A 24, kurz hinter Berlin. Schiefergrauer Himmel über Brandenburg. Flaches, ödes Land. Der GM /Opel Hydrogen 4 rollt über nassen Asphalt. Vorn die Herren Wazlak und Schwan. Herr Wazlak fährt, Herr Schwan referiert. Der Hydrogen 4 basiert auf dem Modell Chevrolet Equinox aus den USA, 73 kW Dauerleistung, Höchstgeschwindigkeit 160 km/h, betankbar mit gasförmi gem Wasserstoff, komprimiert unter 700 bar Druck. Natürlich, so Herr Schwan, sei das Fahrzeug "voll validiert", Kaltstart möglich bis minus 25 Grad Celsius. Kein Motorengeräusch zu hören. Herr Wazlak: "Ein sehr angenehmes Fahren."
Klaus Wazlak ist Pressesprecher der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Mirko Schwan ist Ingenieur bei Opel. Sie fahren nach Hamburg. Die Clean Energy Partnership veranstaltet eine Rallye mit elf Autos, die mit Wasserstoff betrieben werden und Aufschrif ten tragen wie "0,0 g/km", "Null Emissionen" oder "Fuel Cell Hybrid Vehicle - Advanced". Fuel Cell steht für Brennstoffzelle. Als es zu regnen beginnt, erzählt Wazlak gerade von den MAN-Wasserstoffbussen, die die BVG testet. Schwan spricht von Betankungsprotokoll und Einfüllstutzen, die mit dem Tank kommunizieren, Druck und Temperatur des Wasserstoffs an einen Bordcomputer melden. Die Digitalanzeige vor dem Lenkrad zeigt an: 1,4 Kilogramm Verbrauch auf 100 Kilometer. Wazlak: "Ein gutes Gefühl zu wissen, dass man emissionsfrei fährt."
Wasserstoff. Seit zehn Uhr morgens geht es um nichts anderes. In der Holzmarktstraße am Berliner Ostbahnhof wurde eine neue Tankstelle eingeweiht, an der fortan Wasserstoff flüssig und gasförmig, 350 und 700 bar, nachgefüllt werden kann. Erzeugt wird er in einem Gebäude dahinter von einem Elektrolyseur und verdichtet von Kolbenkompressoren. Dazu wurde viel erzählt vor einem weißen Festzelt. Ein Herr des französischen Mineralölkonzerns Total, der die Station betreibt, hielt eine Rede. Eine Dame der norwegischen Statoil, die den gasförmigen Wasserstoff sowie das Betankungssystem produziert, auch. Und Markus Bachmeier von der Linde Group aus München, die den flüssigen Wasserstoff liefert, verwies auf "mehr als hundert Jahre Erfahrung" seiner Firma im Umgang mit Wasserstoff. Der norwegische Botschafter sagte: "Guten Morgen Berlin, guten Morgen Deutschland, guten Morgen Zukunft."
Zwei Norweger, ein Franzose, ein Bayer, dazu Vertreter des japanischen Autobauers Toyota, dessen deutscher Konkurrenz von Daimler, BMW, Volkswagen und Opel, eine Dame von Ford. "Da reden alle von Globalisierung", witzelte ein Fotograf, "und dass wir uns immer ähnlicher werden. Und dann sind die Norweger so nett, wie nur Norweger es sind, der Japaner sieht aus wie ein Japaner, der Franzose benimmt sich wie ein Franzose, der bayerische Ingenieur spricht wie ein bayerischer Ingenieur, und der Schwabe sagt 'Koschd'n', wenn er vom Geld redet." Wenn man bedenkt, dass die Pressesprecherin Architektur studiert hat und die Dame von Ford Romanistik und Germanistik, könnte man sich fragen, was sie verbindet. Antwort: ein gemeinsames Ziel.
Sie alle sind Mitglieder einer Gruppe namens Clean Energy Partnership, kurz CEP, die im Dezember 2002 vom Bundesverkehrsministerium mit ins Leben gerufen wurde. Die CEP ist eine Initiative aus Politik und Industrie, die den Wasserstoff als Fahrzeugantrieb etablieren will. "Im Fokus", heißt es im Programm zur Rallye, "steht die saubere Mobilität der Zukunft - geräuscharm und emissionsfrei." 13 Unternehmen gehören zur CEP; neben den schon genannten noch Shell, Vattenfall und die Hamburger Hochbahn.
Allein machen sie dich einIn drei Phasen wollen sie bis 2016 die Alltagstauglichkeit von Wasserstoff demonstrieren, die dafür nötige Technik entwickeln und eine möglichst flächendeckende Infrastruktur in Deutschland aufbauen, was auch von den Metropolen Berlin und Hamburg und dem Bundesland Nordrhein-Westfalen unterstützt wird. 1,4 Milliarden Euro werden dafür von der Bundesregierung und den Unternehmen bereitgestellt. Es ist das größte Entwicklungsprogramm in Sachen Wasserstoff weltweit.
Dass Automobil-Unternehmen zusammenarbeiten, ist nicht ungewöhnlich. Etwa wenn es um Telematik gehe und um die Frage, wie man das Straßennetz effizienter nutzen könne, sagt Monika Wagener, Sprecherin des Ford Forschungszentrums in Aachen. So entwickeln Ford und Peugeot gemeinsam Diesel motoren. Ein reger Wissensaustausch bei Beschichtungsverfahren im Motorenbau sei üblich.
Doch die Mobilität der Zukunft ist eine weit größere Heraus forderung. "Alleine", sagt Oliver Weinmann, Geschäftsführer der Vattenfall Europe Innovation GmbH, "kann keiner die Welt verändern." Und Wagener sagt: "Es ist das Henne-Ei-Problem." Ohne Autos keine Tankstellen. Ohne Tankstellen keine Wasser-stoff-Produktion. Ohne Wasserstoff-Produktion keine Speicherung. Und umgekehrt. Da ist das Geschäft wie das Leben: Wenn sie sich brauchen, werden Fremde zu Freunden, Konkurrenten zu Gefährten. "Wenn nur einer ins kalte Wasser springt", sagt der CEP-Vorsitzende Patrick Schnell, "schauen die anderen zu. Unser Ziel ist es, dass möglichst viele gemeinsam ins Wasser springen."
Raststätte Stolpe, Zwischenstopp nach 167 Kilometern. Hier steht ein Lastwagen von Linde mit 240 Kilogramm gasförmigem Wasserstoff und einem 700-bar-Kompressor. Die im Programm angekündigte "Mobile Wasserstofftankstelle". Schnell, laut Visitenkarte auch Head of Innovation, Sustainable Development and New Energies bei Total in Deutschland, hält in einem weiteren Festzelt einen Vortrag, in dem er feststellt, 2020 könnte der Kraftstoffbedarf auf deutschen Straßen zu 91 Prozent mit Wasserstoff gedeckt werden, hergestellt aus erneuerbarer Energie. Schnell spricht von zentraler und dezentraler Produktion, von Pumpspeicherbecken, Druckluft- und Kavernenspeichern. Es gibt Würstchen, Kartoffelsalat und Krapfen. Draußen vor dem Zelt wird über die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko diskutiert. BP war auch CEP-Partner, stieg aber wieder aus. Man unkt, ob die das nicht noch einmal bedauern werden.
Der Laie kann all dem zwar nur bedingt folgen, doch eines kapiert auch er: Erdöl ist nicht die Zukunft. Das leicht zu fördernde Öl ist abgeschöpft, die Bohrungen werden immer riskanter und teurer. Egal, wie lange das noch gut gehe, meint Wagener, "der letzte Tropfen Erdöl wird irgendwann verbraucht sein". Und selbst bis dahin müsse die Mobilität umweltfreundlicher werden. Die deutsche Politik habe längst Zeichen gesetzt mit ihren Klimazielen, sagt Weinmann, etwa mit dem Aufbau von Windenergie-Parks in der Nord- und Ostsee. Was sich wiederum mit den Interessen der CEP deckt, denn der Überschuss an Windenergie könnte zur Produktion von Wasserstoff per Elektrolyse (für die man viel Strom braucht) verwendet und in Wasserstoff, der ein Sekundärenergieträger ist, auch gespeichert werden. Bachmeier von Linde, einer der weltweit größten Hersteller von Wasserstoffanlagen, spricht von einer "umfassenden Wertschöpfungskette" von der Erzeugung und Verflüssigung über die Speicherung und Logistik bis zur Betankung. Hans-Christian Wagner von BMW spricht allein bei Automobilen von zahllosen Arbeitsplätzen in Energietechnik, Sensortechnik, Mechatronik.
Gegen den Klimawandel. Für CO2-Reduzierung. Gegen die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus politisch unberechen baren Förderländern. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Alles gute Argumente. "Der Haken", sagt Sybille Riepe, Pressesprecherin der CEP, "ist nur: Wenn es um Wasserstoff geht, treffen sich immer die Gleichen, reden immer über das Gleiche und sind sich immer einig." Genauso wichtig, so Riepe, sei: "Wir müssen raus aus dem Labor. Wir müssen die Motorhauben aufmachen. Wir müssen zeigen: Wir haben echte Autos, echte Tankstellen, echte Kunden, die das alles bereits getestet haben." 837 000 Kilometer haben die Testfahrzeuge der CEP, überwiegend in Berlin und Hamburg, ohne größere Pannen bislang zurückgelegt. Ein ordentliches Resultat angesichts kurzer Fahrstrecken und begrenzter Fahrzeugflotte. Und aus dem Auspuff kommt nichts als Wasserdampf.
Nur unter Druck entsteht ein neuer AntriebH. Wasserstoff. Ein Elektron. Ein Proton. Ein farbloses, hochentzündliches Gas und das häufigste chemische Element des Universums. Das stets zweiatomig vorkommende Molekül H2 ist das leichteste Element, Bestandteil von Wasser und beinahe allen organischen Verbindungen. Gebundener Wasserstoff kommt in allen lebenden Organismen vor. In Erdöl, Erdgas, Mineralien, auch in Gasen. Von keinem anderen Element sind so viele Verbindungen bekannt; die am häufigsten auftretende ist Wasser. Zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Mit einem Wort: H2ist überall. Und von allen Brennstoffen hat es, bezogen auf die Masse, die höchste Energiedichte. In einem Kilogramm H2 steckt etwa dreimal so viel Energie wie in einem Kilogramm Erdöl.
Viele Vorteile, viele Nachteile. H2 ist ein flüchtiger Stoff. Zur Herstellung von flüssigem Wasserstoff benötigt man eine Temperatur von minus 252,8 Grad Celsius, nur 20,35 Grad über dem absoluten Nullpunkt. In gasförmigen Zustand lässt sich H2 nur unter starkem Druck und hohem Energieaufwand versetzen. Wasserstoff wird zwar seit mehr als hundert Jahren als Industriegas produziert, überwiegend durch Reformierung von Erdgas, doch der Anspruch der CEP ist es, Wasserstoff aus regenerativen Energien zu erzeugen. Stichwort: saubere Mobilität.
Isenbüttel, Am Krainhop 5, gleich hinter Wolfsburg. Das Volkswagen Technologiezentrum Elektrotraktion. Man unterzeichnet eine Geheimhaltungsverpflichtung ("strengstes Stillschweigen"; "absolutes Verbot von Bildaufzeichnungen"). Die Dame am Empfang weist auf die Sammelstelle vor dem Gebäude im Falle einer Explosion oder eines Feueralarms hin. Und dann begleitet man Henning Volkmar und seinen Kollegen Sven Schmitz durch hohe, kahle Hallen. Man steht vor großen Kisten, die Experten Brennstoffzellen-Stack nennen.
Volkmar und Schmitz sprechen von Elektroden und protonenleitender Membran. Es geht um Luftverdichter, Lithium-Ionen-Akkus, Kühler. Was man so braucht, um mit Wasserstoff Energie zu generieren, die den Elektromotor antreibt. Wo Volkswagen das alles testet, sind Schränke von Apparaturen aus Edelstahl, Messing, verbunden mit Kabeln, Schläuchen, drapiert mit Sensoren, Thermostaten. Schmitz sagt: "Das ist schon ein bisschen exotisch." Volkmar: "Auch dafür brauchen wir die CEP, damit sie das Thema Brennstoffzelle für alle Hersteller gemeinsam, gebündelt und aus neutraler Hand kommuniziert."
Eine Woche vor der Rallye erklärt Patrick Schnell in einem Café gegenüber dem Berliner Hauptbahnhof, wie die CEP funktioniert. Der Franzose Schnell kam nach Deutschland, weil er sich statt Wehrdienst für zwei Jahre Arbeit bei einem französischen Unternehmen im Ausland verpflichtete. Er wollte nach Marokko, landete aber bei Elf in Düsseldorf. Anschließend finanzierte ihm der Konzern ein Studium zum Bauingenieur in Saarbrücken. Und als Elf Minol übernahm, zog er nach Berlin um, wo zusammen mit der BVG das Produkt "Aqua Sol" erprobt worden war, ein Wasserstoff-Diesel-Antrieb. Was Schnell bis heute an Deutschland imponiere: die Kooperationsbereitschaft deutscher Unternehmen, die von der Politik auch so gewollt sei. "In Frankreich wäre das viel schwieriger umzusetzen."
Dem Elektroauto den Stecker ziehenDie CEP ist unterteilt in Projektgruppen. Mobilität Pkw. Mobilität Busse. Infrastruktur. Wasserstoff-Produktion. Public Relations. Innerhalb der Projektgruppen werden Erkenntnisse und Erfahrun gen ausgetauscht, man spricht über Kosten, sogar über Patente. Peter Froeschle von der Daimler AG sagt: "Wir sind bereit zu sagen: Lasst uns die Patente so austauschen, dass eine faire Lösung für alle Beteiligten herauskommt." Es gibt einen Steuerkreis, der aus den Leitern der Projektgruppen, dem CEP-Vorsitzenden und der PR-Frau Riepe besteht. Sie kommunizieren ständig. Telefonkonferenzen, Kommuniqués, das Übliche. Zweimal im Jahr eine Vollversammlung, auf der die Richtlinien festgelegt werden. Der Vorsitzende wird gewählt. Froeschle sagt: "Beim Tank? Da sind wir offen und arbeiten gemeinsam mit den Partnern. Bei der Betankung? Da müssen wir kooperieren, um einen einheitlichen Standard zu bekommen. Die Brennstoffzellentechnik? Das ist der Schlüssel, da werden wir unsere Kompetenz und unser Knowhow sicher inhouse weiter ausbauen."
Dass Vattenfall den Autobauern nicht hineinredet, liegt nahe. Dass Total mit Statoil und Linde eng zusammenarbeitet, wenn sie gemeinsam eine Wasserstofftankstelle bauen, sowieso. Das soll nicht heißen, dass sie, besonders am Anfang, nicht wochenlang um Formulierungen in Presseerklärungen gestritten hätten. Oder sich der eine über die spitzen Ellbogen des anderen echauffierte. Riepe: "Jede Partnerschaft braucht Zeit. Das ist wie in einer guten Ehe."
Bereits Anfang der neunziger Jahre galt Wasserstoff als erste Option für neue Fahrzeugantriebe. Grenzenlos verfügbar. Falls mit erneuerbaren Energien erzeugt, signifikant besserer Wirkungsgrad von der Herstellung bis zum Verbrauch als Benzin und Diesel. Die Automobilhersteller versprachen schnelle Lösungen. Und blamierten sich. Froeschle erzählt, für Daimler sei Wasserstoff bereits 1994 "ein Thema" gewesen. Sie nannten ihre erste Serie Necar 1 und kamen nur mühsam über eine "Bastelwerkstatt" hinaus, wie ein Ingenieur von Daimler sagt: "Vor 15 Jahren hatten wir einen Transporter, der war bis zum Dach voll mit Wasserstoff und erreichte 50 Stundenkilometer." Irgendwann musste die Branche zudem feststellen, dass sie mit der Hochtemperaturpolymermembranbrennstoffzelle den falschen Ansatz gewählt hatte.
Der Hype verlegte sich daraufhin, vor allem in den vergangenen Jahren, auf das Elektroauto; auch wenn Fahrzeuge mit Brennstoffzelle in der Regel unter die Kategorie Elektromobilität fallen, nur dass die Energie im Fahrzeug erzeugt wird und nicht aus der Steckdose kommt. Auch hier engagierte sich die Bundesregierung, die im Frühjahr sogar ein Gipfeltreffen für die Industrie organisierte.
Doch inzwischen ist die Euphorie um das Elek troauto deutlich abgeklungen: Die Batterie ist zu teuer; ein Kilowatt Leistung kostet 1000 Euro, was sie bei der benötigten Mindestmenge von 15 Kilowatt auf einem Massenmarkt unrentabel macht. Wie die noch kurze Lebensdauer der Batterie erhöhen? Wie die Akkus vor Überhitzung schützen? Wo sollen Millionen Steckdosen herkommen? Und selbst wenn es Antworten auf diese Fragen gäbe: Das Elektroauto schafft derzeit nur eine Reichweite von 200 Kilometern. "Der 'Gipfel' zum Elektroauto", kommentierte die "Süddeutsche Zeitung", "war nur eine große Show, jetzt geht es wieder um das Machbare."
Machbarkeit. Das ist auch das Credo der CEP. Dass auch hier noch viele Fragen offen sind, wollen die Partner nicht abstreiten. Soweit es die Autobauer betrifft, geht es vor allem um Größe und Kosten der Brennstoffzelle. Sie begreifen sich deshalb auch nicht als Konkurrenten des Elektroautos. Sie sehen Wasserstoff und Brennstoffzelle, die eine Reichweite von 400 Kilometern und mehr erzielen, als ideale Ergänzung. Das Elektroauto für den Stadtverkehr. Die Brennstoffzelle für die Langstrecke. Doch sie sagen auch, dass ihnen der Trubel um das Elektroauto eher genutzt als geschadet hat. Er hat Druck ausgeübt auf die CEP, sie gezwungen, "enger zusammenzurücken, das hat uns zusammengeschweißt", sagt Riepe. Die Reibereien und Streitigkeiten, die es auch gab, empfand Hans-Christian Wagner von BMW sogar als konstruktiv: "Das kann auch was Fruchtbares sein. Die CEP ist auch ein Seismograf: Wer steht wo, wer engagiert sich wie und wie stark, wohin geht die Reise?"
Eine gute Frage, die Peter Froeschle von der Daimler AG gern beantwortet. Sein Unternehmen plane, Brennstoffzellenfahrzeuge, die nun als B-Klasse firmieren, "ab 2015 in großen Stückzahlen auf den Markt zu bringen". Er sagt dies während eines Empfangs in den Nordischen Botschaften in Berlin, am Abend vor der Rallye. Der norwegische Botschafter hatte geladen in einen Raum mit weißen Lederpolstern, mit weißem Stoff drapierten Stehtischen, überall weiße Fähnchen, der Fußboden aus Granit, die Wände mit Holzplanken verkleidet.
Schönes Ambiente, passend zum Thema. Rein wie die Natur, sauber wie Wasserstoff. Froeschle hat dazu die passende Nachricht: Er prophezeit Daimlers F-Cell die Serienreife, 200 Stück davon würden noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. "Wir haben den Verbrauch noch mal um 16 Prozent reduziert, gleichzeitig die Leistung um 30 Prozent erhöht und das Brennstoffzellensystem um 40 Prozent verkleinert."
Die Zukunft? Steht in den TarotkartenEine Milliarde Euro soll Daimler bereits in die Wasserstoff-Forschung gesteckt haben, und dass der Konzern es ernst meint, demonstriert auch ein jüngst geschlossener Kooperationsvertrag mit acht weiteren Autobauern zur gemeinsamen Einführung von Brennstoffzellenfahrzeugen. Jedenfalls seien die Leute begeistert, wo auch immer der Mercedes F-Cell Probe gefahren würde. "Das ist ein tolles Auto, das voll alltagstauglich ist." Auch wenn sie noch viel basteln wollen. Die Koschd'n, logisch.
Am Nebentisch steht Oliver Weinmann von Vattenfall und sagt: "Eigentlich passt das wunderbar zusammen - ein sauberer Energieträger für eine CO2-freie Mobilität." Er glaube, dass "die Zeit dafür gekommen ist. Die Rahmenbedingungen sind heute besser als vor zehn Jahren." Wohl auch deshalb plant der Energie versorger eine Tankstelle in der Hamburger Hafencity, ein futuristisch anmutendes Glaskonstrukt an strategischer Stelle nahe der Oberbaumbrücke. Zwar sagt Weinmann, die CEP mache jedem Partner klar, "dass es nichts bringt, sich zu überprofilieren, dass man auch mal Kompromisse eingehen muss, damit am Ende alle etwas davon haben".
Doch die Tankstelle, an deren Betrieb sich Shell beteiligen wird, soll sieben Millionen Euro kosten. Weinmann: "Das macht man nicht mehr aus Image-Gründen." Sondern für sich. Patrick Schnell hatte gesagt: "Natürlich wollen wir auch an den Zielen der Gesellschaft mitwirken, aber der wirtschaftliche Zwang ist Teil jeder Überlegung." Weinmann wird von seinen Chefs immer mal wieder gefragt, wann man mit Wasserstoff Geld verdienen könne: "Am Ende des Tages geht es immer um harte Zahlen."
Wen man auch fragt bei der CEP - alle sagen: Wasserstoff wird kommen. Ob 2015, wie Daimler. Oder nicht vor 2020, wie sie bei Volkswagen glauben. Oder irgendwann, wie Wagener von Ford sagt: "Tarotkarten, Glaskugel, Pendel - woraus soll ich Ihnen lesen? So seriös ist die Antwort, die ich geben kann." Und selbst wenn die Unternehmen reif für den Markt wären, der Markt wäre es noch nicht für ihre Produkte. Bachmeier von Linde verlässt sich deshalb lieber auf etwas, das er "Bauchgefühl Bachmeier" nennt. Alle alternativen Antriebskonzepte zusammengenommen, gebe es derzeit mindestens ein Dutzend Optionen, doch kein Automobilhersteller werde ein Dutzend Antriebssysteme produzieren, keine Tankstelle ein Dutzend Betankungssysteme anbieten. Bachmeier: "Drei bis vier Systeme werden sich in Zukunft herauskristallisieren, und Wasserstoff gehört definitiv zu den besten Alternativen." Vielleicht liegt aber auch BMW richtig mit seinem sogenannten bivalenten Antrieb, einem Verbrennungsmotor, der sowohl mit Benzin als auch mit flüssigem Wasserstoff betrieben werden kann.
Als die Rallye gegen 18 Uhr in Hamburg am Prototyp-Museum, Schanghaiallee 7, endet, gibt es Sekt für die Teilnehmer und ein Gruppenbild mit allen Wasserstoff-Autos und einem Citaro Fuelcell-Hybrid-Omnibus der Hamburger Hochbahn, die zehn davon in Betrieb hat. Wolkenverhangener Himmel, kalter Wind.
Die nächsten Reden, Gott sei Dank drinnen. Diesmal die Senatorin für Wissenschaft und Forschung, die sagt: "Wir wollen zeigen, wie eine Handels- und Deutschlandmetropole auch beim Klimaschutz weit vorn sein kann." Hamburg ist Umwelthauptstadt Europas 2011. Und schon wieder passt was. Ein sehr charmanter Herr eines Partners eines CEP-Partners sagt, die Rallye sei auch als Allegorie zu verstehen: "Dass man Dinge gemeinsam tut, auf offenen Wegen, die man manchmal erst finden muss."
Was den CEP-Vorsitzenden Schnell zu einem Ausblick inspiriert: Die Partnerschaft wachse, sagt er, und wird nach Nordrhein-Westfalen demnächst auf Baden-Württemberg erweitert werden. Honda wäre ein Wunschkandidat. Schön wären noch ein, zwei Erdölgesellschaften. Möglichst viel Power, damit schon bald deutschlandweit Wasserstoff getankt werden kann.
Es wird noch ein schöner Abend. Aperitifs. Süppchen. Schnittchen. Spießchen. Man redet über die bevorstehende Weltwasserstoffkonferenz in Essen, wo man sich ohnehin wieder trifft. Man fragt sich ein bisschen zu oft, ob BP das Desaster mit seiner lecken Ölplattform als Konzern überlebt. Man redet über Privates. Sie kennen einander seit Jahren. Sie stehen zusammen. Sie gehören zusammen. Allein schon, weil jeder genauso sagen würde, was Schnell sagt: Für den Durchbruch bräuchten sie 1000 Wasserstofftankstellen in Deutschland, was zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro koste. "Wir hoffen hier natürlich auf die Unterstützung der Politik."
Alle für ein Ziel. Und wenn sie dann da ist, die Infrastruktur, geht es um Millionen Autos, Milliarden Euros und Marktanteile. Was dann aus der CEP wird, ist schon klar. Einer sagt: "Wir wissen sehr wohl, wo die Grenzen solcher Partnerschaften liegen." Es bleibt im Geschäft wie im Leben: Was einen verbindet, ist meist auch, was einen trennt. -