Wer hätte gedacht, dass die Causa R. Kelly im noch so jungen Jahr 2019 plötzlich um so viele Akten, Anwaltsschreiben, Anklageschriften dicker und schwerer wird. Dass all die schwierig zu fassenden Vorwürfe zahlreicher sexueller Verbrechen - in einem Ausmaß, bei dem jedem schlecht werden dürfte bei der bloßen Vorstellung, sie könnten stimmen - auf einmal Gehör finden, Gesichter kriegen - und Konsequenzen folgen.
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln aktuell gegen den R&B-Sänger und Hip-Hop-Produzenten R. Kelly - MissbrauchSein Scheinwerferlicht wirft gerade große Schatten hinter seinen Karriere-Thron. Klar, Kelly galt seit den frühen 90ern als Hoffnung, seit den frühen 2000 als Legende des Genres rund um Nachwuchs- Künstlerinnen wie Aaliyah, Destiny's Child, Beyoncé.
Aber eben diese erfolgreichen Frauen und früheren Kinder-Stars der Musikbranche soll der Sänger mutmaßlich manipuliert und mehrfach sexuell missbraucht haben, Menschen aus seinem nahen Umfeld soll er sogar vergewaltigt und - spätestens seit 2017, so heißt es - teils in einem geheimen Sex-Kult gefangen gehalten und gehirngewaschen haben, um sie für seine Gelüste auszubeuten.
Geschockt hat die „Lifetime"-Doku „Surving R. Kelly" die bürgerlichen wie prominenten Zuschauer interessanter Weise zunächst kaum. Obwohl die Szenen von Gesprächen mit angeblichen Überlebenden ausgestrahlt wurden, deren Aussagen an die Substanz gehen und die R. Kelly schwer belasten.
Denn: Der Ruf des Kinderschänders, der auf kleine Mädchen steht und sie am liebsten nackt in seinem Schlafzimmerbett neben seinem Studio-Aufnahme-Zimmer sieht, halten sich seit dem Beginn seines schnellen, blitzartigen Durchbruchs. Doch #MeToo und Time's Up, die zwei lautstarken, Social-Media-präsenten Bewegungen für Frauenrechte und sexuelle Selbstbestimmung aller Geschlechter, machen Nachforschungen jetzt möglich, ja: nötig.
Die mediale und Star-schwere Aufmerksamkeit hat den Anstoß gefördert, mutmaßliche Missbrauchstaten und Täterinnen sowie Täter in Hollywood und im musikalischen „Hall of Fame"-Umfeld zur Rechenschaft zu ziehen: Film-Mogul Harvey Weinstein, Schauspiel-Ikone Kevin Spacey, Talk-Show-Master und Comedy-Onkel Bill Cosby. Sie alle straucheln aktuell ob der Vergehen, derer sie angeklagt, verhaftet, verklagt oder beschuldigt wurden.
R. Kelly sticht aus dieser Szene der möglichen Sex-Verbrecher noch hervor, weil die Mädchen, die er mit seinen Übergriffen von sich abhängig gemacht und traumatisiert haben soll, so unglaublich jung und - Kenntnisstand jetzt - ausnahmslos Black Girls waren. Die verstörende Vermutung: Die Branche, aber auch die Polizei, die Gerichte, die Jury im Saal vergangener Verhandlungen sollen angeblich deshalb so lange die Augen verschlossen haben.
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Das ist im Moment unmöglich. R. Kelly und der mutmaßlich Kriminelle in ihm beschäftigen die Justiz, die Musik-Streaming-Dienste, seine Fans, seine Kollaborateure. Spotify boykottierte den Sänger in den Playlisten.
So viel passiert, dass es echt unangenehm undurchsichtig ist, was stimmt und welche Vorwürfe noch bewiesen werden müssen. Daher haben wir uns hingesetzt und recherchiert, was amtlich ist.
Der NOIZZ-Überblick zum Fall R. Kelly Januar 2019: Doku „Surviving R. Kelly", Polizei-Ermittlungen in mehreren US-Staaten gegen R. Kelly, Droh-Briefe gegen Anklägerin, Sex-Sekten-Haus-Verkauf, Lady Gaga Statement>> Mutmaßliches Missbrauchs-Opfer wird von R. Kelly bedroht
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Polizei in Chicago und Atlanta ermitteln erneut in aktuellen sexuellen Missbrauchsfällen gegen R. Kelly, Staatsanwältin Kimberly M. Foxx ruft unbekannte Opfer auf, sich als Zeuginnen zu melden.
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Juli 2018: R. Kelly veröffentlicht 19-Minuten-Song, Titel „I Admit" (Deutsch: „Ich gestehe") und widerspricht MissbrauchsvorwürfenEr singt: „Ich habe Sex mit jeder Frau in meinem Umfeld, egal, ob jung, minderjährig, aber es ist krank, mich deswegen pädophil zu nennen."
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Mai 2018: R. Kelly-Klage durch Ex-Partnerin, Sex mit Minderjähriger und absichtliche Übertragung einer Sex-Geschlechtskrankheit>> Sexuelle Belästigung: Neue Anklage gegen R. Kelly
July 2017: Schwere Sex-Sklaverei-Vorwürfe gegen R. Kelly nach Investigativ-Recherche von Buzzfeed NewsSänger soll mehrere mutmaßliche Missbrauchsopfer über verschiedene US-Städte in Sexkult-ähnlichen Strukturen in seinen Privathäuser gefangenen halten, sie quälen und ausbeuten.
Mai 2008: 3-wöchiger Abschluss-Prozess gegen R. Kelly wegen Kinder-Pornografie in 12 FällenNachdem Verhandlungen häufig verschoben wurden - wegen schwangerer Staatsanwältin, Unfall von Richter, Nicht-Erscheinen von Kelly nach Verstoß gegen Tempo-Limit.
Januar 2003: Polizei Florida klagt R. Kelly wieder wegen 12 zusätzlichen Fällen Kinder-Pornografie anAnklage muss vorerst fallen gelassen werden, Gericht regelt: „Beweise wurden unzulässig besorgt".
Juni 2002: Chicagos Polizei hat genug Beweise für Anklage von R. Kelly wegen 21 Fällen von Kinder-PornografieAber R. Kelly „kooperiert" mit der Justiz, zahlt einmalig 750.000 Dollar Strafe und plädiert auf „nicht schuldig" in allen Fällen.
Winter-Olympiade 2002: R. Kelly-Auftritt bei Sport-Groß-Event während Kinder-Pornografie-ProzessAnwalt behauptet, Beweisvideo sei sabotiert, spricht von „Schmutzkampagne".
Mitte 2002: Tour mit Jay-Z durch Amerika und Europa; zeitgleich zwei weitere KlagenJunge Frauen klagen vor Gericht unter anderem wegen Zwang zur Abtreibung nach Sex mit Minderjähriger, beide Fälle geschlossen nach Zahlung. Summe unbekannt.
Februar 2002: Gerichtsprozess mit Videobeweis „Pee-Sex-Tape", minderjähriges Opfer identifiziertR. Kelly uriniert auf ein angeblich erst 14-jähriges Mädchen, hat mehrfach Sex vor laufender Kamera mit der Minderjährigen, filmt sie und sich dabei. Ihre Tante - Background-Sängerin bei Kelly - identifiziert das Mädchen, als sie mit den Szenen konfrontiert wird.
2002: Tracy-Sampsons-Prozess gegen R. Kelly, Klage: 50.000 Dollar SchmerzensgeldProzess beendet. Endgültig gezahlte Summe unbekannt.
August 2001: Tracy Sampson klagt gegen R. Kelly wegen unsittlicher sexueller Beziehung als erst 17-JährigeDer Produzent habe Status, Autorität und ihr Vertrauen missbraucht und Abhängigkeit ausgenutzt, sagt die Ex-Mitarbeiterin beim Label „Former Epic Records".
1998: Hawkins verlangt vor Gericht 10 Millionen Dollar Schmerzensgeld, Richter entscheidetSie kriegt lediglich 250.000 Dollar Schadensersatz. Tiffany sagt: R. Kelly missbrauche weiterhin systematisch minderjährige Mädchen - mit Zeugen.
1996: Klage vor Gericht - Sängerin Tiffany Hawkins sagt gegen R. Kelly ausDer Sänger soll laut der Klägerin 1991 mehrfach Sex mit ihr (erst 15) und anderen minderjährigen Frauen gehabt haben.
1995: Scheidung der illegalen EheAuf extremen Druck von Aaliyahs Eltern.
31. August 1994: R. Kelly (damals 27) vollzieht Kinderheirat mit erst 15-jähriger AaliyahSie soll auf seine Anweisung die Heiratsurkunde fälschlicherweise als 18-Jährige unterschrieben haben. Die illegale Kinderheirat gilt als bewiesen und mehrfach bestätigt.
Mai 1994: Soul-Sängerin Aaliyah, mutmaßlich R. Kellys erstes Opfer, veröffentlicht ihr Debüt-Album „Age Ain't Nothing But A Number"Quelle: Noizz.de