Nein, das habe ich noch nicht erlebt, aber es ist eines meiner erklärten Lebensziele. Es wird also noch passieren. Was ich stattdessen erlebt habe, war eine geheime Pressekonferenz mit dem Boss in Frankfurt.
Im Rahmen der Buchmesse stellte er mir und 100 anderen Journalisten am Donnerstag in einem Luxushotel seine Autobiografie „Born To Run" vor. Für mich war das alles andere als ein romantischer „Tanz in der Dunkelheit", aber man muss ja nehmen, was man kriegen kann.
Schon als ich Bruce hinter der halb geöffneten Tür erspähe, fängt mein Herz wild an zu klopfen. Er ist wirklich nach Frankfurt gekommen - einer der größten Rockstars aller Zeiten!
Er ist braungebrannt, lächelt verschmitzt und sein Jackett sitzt perfekt. Als er aufs Podium läuft, winkt er mir zu - jedenfalls habe ich das Gefühl. Er lässt sich beklatschen und fotografieren. Es wirkt so, als sei ihm das ziemlich unangenehm. Kein Wunder, er wird ja auch nicht vier Stunden auf seiner geliebten Bühne performen, sondern sich eine Stunde lang von anstrengenden Journalisten befragen lassen.
Erst mal darf das sogar nur der Moderator. Warum gehst du nicht auf das ein, was Bruce erzählt? Und warum ist dein Englisch so schlecht? All das möchte ich rufen, aber ich darf ja nicht - das wurde uns allen vorab verboten. Genauso wenig darf ich während des Gesprächs Fotos machen oder filmen. Und daran halte ich mich auch! Ganz im Gegensatz zu einigen Kollegen ...
Irgendwann kann Bruce endlich was aus seinem Buch vorlesen und greift zur Lesebrille. „Die brauchte ich als junger Surferboy noch nicht", sagt er und gluckst dabei mit seinem tiefen Lachen in sich hinein. An der Stelle im Buch geht's darum, dass er als junger Musiker dachte, er könne Mick Jagger bei den Stones ersetzen: „Ich kann Gitarre spielen, seh' gut aus, hab keine Akne..."
Wie Bruce das vorliest! Als sei's Musik: Er trommelt dazu mit den Füßen im Takt. Eine weitere Vorlesepassage handelt sogar von Hamburg. Bruce konnte bei seinem ersten Reeperbahn-Besuch nicht glauben, dass das „ehemalige Trainingsgebiet" der Beatles auch eine Sexmeile ist.
Er muss sich noch einigen unangenehmen Fragen zu seiner Depression (am besten liest man doch dafür das Buch!) und seiner kranken Mutter stellen. Und dann kommt endlich die Fragerunde fürs Publikum. Bei jeder Möglichkeit schnellt meine Hand in die Höhe wie von einer Streberin in der ersten Reihe. Ich möchte wissen, was denn eigentlich Bruces Kinder, für die er das Buch auch geschrieben hat, zu den verrückten Storys ihres Vaters gesagt haben.
Aber leider drücken mir die Damen vom Buchverlag einfach nicht das Mikro in die Hand. Dabei hat Bruce mich mit meinem Lockenkopf und meiner grünen Jacke doch längst erspäht!
Stattdessen erfahre ich durch die Fragen der anderen Journalisten, dass er nicht anstrebt, Bob Dylans Nobelpreis-Nachfolger zu werden („Auch wenn er sich nicht meldet, freut er sich bestimmt darüber!") - und auch nicht US-Präsident.
Ganz am Ende stürmen viele aufdringlich auf ihn zu und wollen Autogramme: „Lasst uns doch an die Bar gehen!", sagt er. Aber auch dort schaffe ich es nicht, mich durch die Journalisten-Männer-Masse durchzudrängeln. Und dann muss ich los, sonst verpasse ich meinen Zug nach Hamburg.
Hach, Bruce, das war wirklich ein verpatztes Date, aber wir sehen uns dann ja irgendwann auf der Bühne.