5 abonnements et 2 abonnés
Article

Froome und Quintana bei der Tour de France: Die Frage nach der Glaubwürdigkeit - SPIEGEL ONLINE

Am Ende waren es nur noch eine Minute und zwölf Sekunden. Nairo Quintana schoss die Alpen hinauf und ließ die Leistungen des 102. Gesamtsiegers der Tour de France, Christopher Froome, in den Pyrenäen in Vergessenheit geraten. Besonders ärgerlich für den 25-jährigen Kolumbianer: Hätte er nicht schon auf der zweiten Etappe, bei flachem Terrain, Wind und Regen, an der Nordseeküste nach Zeeland, fast eineinhalb Minuten verloren, stünde er nun ganz oben auf dem Podium der Tour.

Froome dagegen, der auch im Zeitfahren dem Kapitän der Movistar-Mannschaft ein paar Sekunden abnahm, sicherte sich den Tour-Sieg mit nur einer exzellenten Etappe. Hinauf zum Col de Soudet stellte der in Kenia geborene Brite sogar einen neuen Rekord auf - Froome fuhr den Pyrenäen-Anstieg schneller als die Doping-Generation um den siebenmaligen Sieger Lance Armstrong.


Die Wunderfahrt lässt Zweifler aufhorchen, auch wenn Froome nun sagt, er habe sich diesen Anstieg schon vor drei Wochen ausgeguckt. Wie schon beim ersten Toursieg des 30-Jährigen 2013 rückt die Dopingfrage in den Mittelpunkt.

Das tut sie jedes Jahr. Wer seine Konkurrenten auf Distanz hält, muss sich den Doping-Gerüchten stellen. Auch wenn es dank harten Trainings geglückt ist, wie Froome immer wieder beteuert, oder durch Talent und körperliche Voraussetzungen, wie sein überdurchschnittliches Lungenvolumen von acht Litern oder dem geringen Herzschlag von höchstens 168. "Die Zeiten haben sich verändert, jeder weiß das. Das ist nicht mehr der Wilde Westen, wie er es vor 10-15 Jahren war", sagt der 30-Jährige.

Mehr als die Zweifel der Journalisten macht dem Briten die Kritik ehemaliger Fahrer zu schaffen: Fragen nach Doping müssen gestellt werden, aber sollten sie von überführten Athleten wie Armstrong oder Laurent Jalabert kommen? Heftige Anfeindungen erlebten Froome und sein Team zudem auf der Straße. Ein Zuschauer spukte den Mann im Gelben Trikot an, ein anderer warf sogar einen vollen Urinbecher nach ihm. Das waren unschöne Szenen.


Verwirrung um offengelegte Daten


Denn bei allen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Froomes Leistung: Bislang ist der Brite trotz zahlreicher und verschärfter Kontrollen nicht überführt worden. Das Sky-Team legte sogar nach, veröffentlichte die Leistungsdaten seines Kapitäns.

Auslöser waren Berechnungen im französischen Fernsehen, die Froomes Parforceritt als "unnatürlich" bewerteten. Doch die Daten von Sky unterscheiden sich deutlich von jenen der TV- und Anti-Doping-Experten. Während ein Leistungsdiagnostiker einen Wert von 7,04 Watt pro Kilogramm für den Anstieg errechnete, trat Froome laut seinem Trainer Tim Kerrison nur 5,78. Ab sechs beginnen die Zweifel.

Unterschiede von beiden Berechnungen entstanden, weil Sky für den Anstieg 41:30 Minuten berechnete, das Fernsehen 40:48. Außerdem sollen seine Gewichtsangaben nicht korrekt sein; dass sein ovales Kettenblatt seine Leistung um sechs Prozent steigere, ist zudem merkwürdig. Und so werden die Zweifel bestehen bleiben.


Quintana trainiert fast immer in Kolumbien


Der Brite dürfte sich bald nicht mehr alleine solchen Fragen stellen. Nach seinen grandiosen Leistungen in den Alpen muss sich aller Voraussicht nach auch der Tour-Zweite Nairo Quintana Zweifel gefallen lassen. Vor allem weil er sich, anders als die weiteren Favoriten auf den Gesamtsieg, meistens in seinem Heimatland Kolumbien vorbereitet, und da gelten die Kontrollen nicht als besonders streng, wie Konkurrent Vincenzo Nibali in einem Interview anklingen ließ.


"Ich wurde auch in Kolumbien kontrolliert, fünfmal insgesamt. Es ist nicht so, dass bei uns das Kontrollregime nicht funktioniert", wehrt sich der Movistar-Fahrer.

Sein Vorteil ist, dass er in einem Andendorf in rund 3000 Meter Höhe aufwuchs. Auf seinem Schulweg musste Quintana einen Anstieg mit einer achtprozentigen Steigung erklimmen - sein Fahrrad wog rund 20 Kilogramm, noch heute wiegt er gerade einmal das Dreifache. Gleichzeitig rankt sich eine mysteriöse Geschichte um den Kolumbianer: Als Kind soll er an einer Krebsart gelitten haben, die eine Heilerin mit einem Elixier aus Pflanzen der Heimatregion Boyaca behandelte. Es wirkte offenbar Wunder.

Eine Parallele zu anderen Top-Fahrern: Armstrong kämpfte erfolgreich gegen den Hodenkrebs, Froome überstand die Tropenkrankheit Bilharziose.


UCI-Bericht spricht noch immer von flächendeckendem Doping


Ein beliebtes Mittel, um Doping zu vertuschen, soll das Vortäuschen von Krankheiten wie Asthma oder Entzündungen sein. Rund 90 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente läge Missbrauch zugrunde, sagt ein Insider. Am meisten gedopt werde immer noch mit Bluttransfusionen und Steroiden, die den Muskel wachsen und ihn schneller regenerieren lassen. Auch der 2008 eingeführte Blutpass hindere die Athleten daran nicht. Es komme nun einfach zu Mikrodosierungen.

All das steht in einem Bericht des Radsport-Weltverbandes UCI aus dem Februar dieses Jahres. 174 Personen aus dem Sport gaben an, dass immer noch gedopt werde - nur nicht mehr so hemmungslos.

Aus Datenschutzgründen wird Ihre IP-Adresse nur dann gespeichert, wenn Sie angemeldeter und eingeloggter Facebook-Nutzer sind. Wenn Sie mehr zum Thema Datenschutz wissen wollen, klicken Sie auf das i.

Rétablir l'original