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Fair-Play-Liga: Wo Kinder kicken und Eltern draußen bleiben müssen - SPIEGEL ONLINE

Im Mai dieses Jahres wird im Hamburger Fußball ein Spiel abgebrochen. Dem Schiedsrichter ist die Kontrolle über die Partie zwischen Altenwerder und dem SC Vier- und Marschlande entglitten, doch der Grund dafür ist weder ein Unwetter noch eine schwere Verletzung oder Streitereien auf dem Platz. Der Grund sind Handgreiflichkeiten unter besonders emotionalen Fans am Spielfeldrand - Eltern.

Auf dem Platz stehen sich an diesem Tag F-Jugendliche gegenüber, die sieben- und achtjährigen Kinder absolvieren ein ganz alltägliches Punktspiel. Dass dieses schließlich eskaliert, liegt an unterschiedlichen Auffassungen der erwachsenen Zuschauer über eine Schiedsrichterentscheidung, nach der es zunächst zu verbalen Entgleisungen und einem Handgemenge kommt und schließlich zum Spielabbruch.

Im Jugendfußball ist das kein Einzelfall, immer wieder werden in deutschen Ligen schon bei den Kleinsten Partien unter- oder abgebrochen. Doch es gibt ein alternatives Modell, das Schluss machen will mit pöbelnden Eltern und Leistungsdruck schon bei den Kleinsten: die Fair-Play-Liga. Und es sieht ganz so aus, als würde sich das 2007 entwickelte Konzept nicht nur in Deutschland durchsetzen, selbst Nachbarländer haben die vielen Vorteile längst erkannt.

Und so funktioniert die Fair-Play-Liga:

Bei den F-Junioren ist das Spielfeld abgesteckt, es wird um mehr als 20 Prozent verkleinert. Die kleinen Kicker spielen auf 40 Meter Breite, das Feld ist 30 bis 35 Meter lang. Auf dem Platz stehen nur sechs statt sieben Spieler, an der Seitenlinie nur die Auswechselspieler und die beiden Trainer. Ein Schiedsrichter fehlt ebenso wie die Eltern, die in mindestens 15 Metern Abstand Platz nehmen müssen. Die Spielentscheidungen treffen allein die Kicker der Juniorenteams, sie erklären sich im Bedarfsfall auch die Regeln.

Ein Fußballplatz in Schleswig-Holstein im Juni. Die Eltern der F-Junioren des TuS Holstein und von Holsatia Elmshorn sind zu Beginn noch etwas irritiert, wollen sich bei Fehlentscheidungen für ihre Schützlinge einsetzen. Sie nehmen dann aber doch hin, was auf dem Platz passiert. Auch wenn ein Abstoß eigentlich ein Eckball war oder der Einwurf falsch ausgeführt wird. Schließlich entscheiden die Kinder im Plenum. "Natürlich gibt es Charaktere, die gegen den Sinn des Fair Play handeln, aber die Mannschaft fängt das auf", sagt Kai Hausendorf.

Pöbelnde und blaffende Eltern

Der 40-Jährige ist Trainer und Jugendleiter des TuS Holstein, er möchte die Fair-Play-Liga in Hamburg und Schleswig-Holstein etablieren. Das Konzept funktioniert: Das Spiel hat keine unnötigen Unterbrechungen, es kommt zu keinen größeren Meinungsverschiedenheiten und von den Eltern ist außer einem Applaus für ein Tor nicht viel zu hören. Böse Fouls gibt es nicht. Die Kinder konzentrieren sich auf ihr Spiel und haben Spaß.

Genauso hat sich Ralf Klohr das damals vorstellt. Klohr hat das Modell der Fair-Play-Liga 2007 entwickelt, nachdem er beim Besuch eines F-Jugendspiels über pöbelnde und blaffende Eltern verwundert war. "Da wird Druck auf Kinder ausgeübt, der nicht gut ist", sagt der 52-Jährige. Mittlerweile macht sein Konzept deutschlandweit und darüber hinaus die Runde. Während in Aachen, im Verband Mittelrhein, Niederrhein, Hessen und Rheinland-Pfalz die Vereine dazu verpflichtet werden, bis zur E-Jugend an der Fair-Play-Liga teilzunehmen, soll sie nun auch in anderen Verbänden zwingend eingeführt werden und bis zum Jahr 2016 überall in Deutschland anlaufen. Bislang ist sie bei 35.000 G- bis E-Jugend-Spielen am Wochenende Pflicht.

Die Idee: Den Kindern soll früh der Fair-Play-Gedanke nahegebracht werden. Es ist ein didaktisches und gleichzeitig erzieherisches Konzept, Auswirkungen auf die Entwicklungen der Spieler im Alter sind ausdrücklich erwünscht. Bereits die jüngsten Spieler lernen: Fair Play ist wichtig, Leistungsdruck weniger. "Auch in der G-Jugend, wo viele noch keine Regeln kennen und die Trainer deshalb oft in das Spielgeschehen eingreifen müssen, lernen die Kinder schneller, weil sie dazu aufgefordert werden, selber über richtig oder falsch nachdenken zu müssen", sagt Hausendorf.

"Die Fair-Play-Liga ist kein Paradies"

Nicht immer klappt es. In Bayern kam es trotz des gezwungenen Abstands der Eltern zum Spielfeld während eines Spiels der Fair-Play-Liga zu einer Rangelei. Auch in Baden-Württemberg oder im Ruhrpott konnten Spiele wegen sich streitender Erwachsener nicht fortgesetzt werden. "Wir sind alle keine Gutmenschen und die Fair-Play-Liga ist kein Paradies", sagt Initiator Klohr, der mittlerweile ehrenamtlicher Beauftragter für die Fair-Play-Liga im Kreis Köln ist. Klohr bleibt von der Idee überzeugt, die mittlerweile auch im Ausland Nachahmer findet.

Weil es in den Niederlanden im vergangenen Jahr zu einem Todesfall im Jugendfußball kam, nachdem wütende Spieler eines B-Jugend-Teams in einem Vorort von Amsterdam den 41-jährigen Linienrichter Richard Neuwenhuizen totprügelten, übernimmt der niederländische Fußballverband KNVB nun Klohrs Konzept. Im Bezirk Süd-Niederlande II startete das Projekt im Mai 2013 für die F-Junioren. Aufgrund des Erfolgs dürfen die Klubs nun überall in den Niederlanden nach den Fair-Play-Regeln spielen.

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