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PK zur WM-Vergabe: Sein Name ist Niersbach, er wusste von nichts - SPIEGEL ONLINE

Er kam schnellen Schrittes, ging vorbei an den Porträts der bisherigen DFB-Präsidenten und begrüßte die anwesenden Journalisten mit einem lauten "Servus". Nur wenig später aber war es in der DFB-Zentrale in Frankfurt mit dem selbstbewussten Auftreten von Wolfgang Niersbach schon vorbei. Was folgte, war eine historische Pressekonferenz, die eigentlich den Enthüllungen des SPIEGEL ihren Gehalt nehmen sollte - und stattdessen zu einer 39-minütigen Selbstdemontage wurde.

Es sei viel geschrieben, viel gesprochen worden, sagte Niersbach. Es ist der Beginn eines langen Monologs, einer Ausführung rund um die ungeklärte Zahlung von 6,7 Millionen Euro zwischen dem deutschen WM-Organisationskomitee, dem Fußball-Weltverband Fifa und dem damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Eine "schwarze Kasse", so hatte es der SPIEGEL enthüllt. Aber bei Niersbach geht die Geschichte anders.

Die Geschichte, die Wolfgang Niersbach an diesem Donnerstag erzählt, beginnt mit einem Termin in Salzburg am Dienstag. In Salzburg wohnt Franz Beckenbauer, damals Chef des Organisationskomitees (OK) für die WM. Und erst seit dem Termin kenne Niersbach "einigermaßen genau diesen ersten Teil, also wie überhaupt der Kontakt zu Robert Louis-Dreyfuss zustande gekommen ist". Es habe 2002 ein Vieraugengespräch zwischen Beckenbauer und Fifa-Präsident Joseph Blatter darüber gegeben, ob Deutschland nicht einen Zuschuss für die WM 2006 bekommen könne. So wie Japan und Südkorea für das Turnier 2002.

Fifa und Blatter dementieren

"Im Zuge dieses Vieraugengesprächs", so sagt es Niersbach an diesem Donnerstag, habe Blatter "einen Zuschuss von 250 Millionen Schweizer Franken, umgerechnet 170 Millionen Euro, in Aussicht gestellt, daran aber den Satz geknüpft, das soll mit der Finanzkommission der Fifa geklärt werden." Niersbach wörtlich weiter: "Dann haben Gespräche mit der Finanzkommission stattgefunden. Wer die geführt hat, weiß ich bis zum heutigen Tage nicht. Jedenfalls tauchte dann die Forderung auf, das sei schon in Ordnung mit den 250 Millionen Schweizer Franken. Aber im Gegenzug müssten zehn Millionen Schweizer Franken an die Finanzkommission überwiesen werden."

Es sind die mysteriösen umgerechnet 6,7 Millionen Euro, über die weiter Unklarheit herrscht. Denn Stunden, nachdem erst die "Bild"-Zeitung und dann Niersbach diese Version der Geschichte öffentlich gemacht hatten, dementieren Fifa und Blatter energisch.

Laut Niersbach ging die Geschichte dann so weiter: Beckenbauer habe das Geld zunächst aus eigener Tasche zahlen wollen, da das OK noch über keine eigenen Mittel verfügt hätte. Weil Beckenbauers Berater Robert Schwan angeblich davon abriet, habe man sich das Geld dann bei Louis-Dreyfus geliehen. Weiterhin ausschließen wollte er, dass dieses Geld für Korruption genutzt worden sei. Und damit: Dass die WM-Vergabe 2006 mit unlauteren Mitteln vonstatten ging. Denn erst 2002, so behauptet es Niersbach, habe die Fifa dem DFB den Zuschuss in Aussicht gestellt, also zwei Jahre nachdem Deutschland als Ausrichter der WM 2006 feststand. Wenn die Geschichte oder nur der zeitliche Ablauf stimmt, hätten damit keine Stimmen für Deutschland gekauft worden sein können. Die Zahlung erklärt dies aber nicht.

Warum muss sich der DFB Geld bei einem Konzernchef leihen?

Niersbach, der öfter wiederholte, dass die Vorgänge über zehn Jahre zurücklägen und so seine Erinnerungslücken zu legitimieren versuchte, trug in der Folge immer weniger zur Aufklärung bei. Ein Beispiel: Die vom SPIEGEL enthüllte angebliche handschriftliche Notiz Niersbachs auf einem Überweisungsblatt für Dreyfus. "Ich kann auch nicht definitiv ausschließen, dass da eine handschriftliche Notiz von mir auf irgendeinem Vorgang war. Aber wenn Sie nach meinem exakten Wissen fragen, dann muss ich passen", so der DFB-Präsident.

So wurde in Frankfurt lediglich eine noch nicht bekannte Version der Ungereimtheiten erzählt, die wiederum neue ungeklärte Umstände hervorrief. Warum zum Beispiel das Organisationskomitee eines der reichsten Verbände der Welt Geld von einem Konzernchef nahm "und nicht einfach ein Bankdarlehen über diese Summe" aufnahm, auch das konnte Niersbach angeblich nicht beantworten. Geschweige denn die Frage, warum die Fifa zehn Millionen Franken als Voraussetzung für eine Zahlung über 170 Millionen forderte.

Der DFB-Präsident hat sich mit dieser Pressekonferenz keinen Gefallen getan. Dass ein solch erfahrener Medienprofi eine PK anberaumt und dann nur wenige Fragen beantworten kann, wirkt bizarr. Zuvor schon hatten sich zwei Präsidiumsmitglieder über das Vorgehen ihres Kollegen öffentlich kritisch geäußert. Wolfgang Niersbach scheint nicht mehr Herr der Krise zu sein, die auch seine Krise ist.

Sehen Sie die wichtigsten Aussagen aus Niersbachs PK im Video:

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