Laptop Yoga, Science Slams und Programmieren für Computerhäschen: Beim entspannten Feiern findet die Internetkonferenz Republica zu sich selbst.
Über den Hof der Station-Berlin dröhnt den ganzen Tag lang Elektro-Musik. Überall stehen Liegestühle herum, an den Bars wird schon am Vormittag Bier ausgeschenkt. Aus einem türkisen Bulli heraus werden Tabakwaren verkauft. Der mobile Bankautomat am Eingangstor heißt „Zasterlaster" und ist auf einen dreirädrigen Piaggio Ape montiert. Das riesige Kongressgelände am U-Bahnhof Gleisdreieck ist von einer bunten, gut gelaunten Menschenmasse bevölkert. Wer es nicht besser weiß, könnte auf den ersten Blick hin denken, er sei auf einem Musikfestival gelandet.
Trotz der ernsten Themen, die das diesjährige Veranstaltungsprogramm der Republica bestimmen, ist die Internetkonferenz doch auch eine große Party geblieben. Hier feiert sich die Netzgemeinde ausgelassen selbst. Und wer zwischenzeitlich mal nichts über Massenüberwachung, Big Data und Google hören möchte, findet abseits der Podien ein reichhaltiges Zerstreuungsangebot.
Farn, Moos und MehlDie Bloggerin und Yogalehrerin Annina Luzie Schmid ist schon das zweite Jahr in Folge bei der Republica. Sie bietet den Workshop „Laptop Yoga" an. Der Andrang ist groß, wer zu spät kommt, muss stehen. Um zu erklären, worum es überhaupt geht, zeigt Schmid den rund einhundert Teilnehmern ein Bild, auf dem eine Frau an einem Klavier sitzt, das rechte Bein hinter dem Kopf verrenkt. Akrobatische Einlagen wie diese müsse man hier nicht absolvieren, scherzt Schmid und referiert dann ein wenig über die korrekte Sitzhaltung vor dem Laptop. Das Publikum reckt und streckt sich, jetzt ist Mitmachen angesagt.
Laptop Yoga wird bequem im Sitzen absolviert, es soll nach langen Arbeitsphasen am PC die Blutzirkulation wieder anregen. Schmid macht eine Übung vor, dreht den Oberkörper und schlägt die Beine übereinander, das Publikum macht es ihr nach. Zum Abschluss wird es dann doch ein wenig esoterisch. „Ich möchte gern mit denen von Euch, die wollen, drei Oms singen", sagt Schmid. Mit dem Mikrofon dicht am Mund atmet sie für alle hörbar ein und stimmt an. Aus einhundert Lungen schallt es: „Oooom." Dann entlässt Schmid ihr tiefenentspanntes Publikum in den Trubel der Konferenz.
In der zentralen Vorhalle, von wo aus sich die Vortragssäle abzweigen, sind Messestände aufgebaut. Die Kuratoren der Konferenz haben gerade hier ganze Arbeit geleistet. Passend zum diesjährigen Motto „Into the Wild" hängen schmale Banner von der Decke bis herunter zum Boden. Auf ihnen sind Bäume abgebildet. Man läuft durch sie hindurch wie durch einen Wald. Und auch die Stände sind entsprechend mit Farnen und Moos geschmückt. Große und kleine Unternehmen, Stiftungen und Organisationen bringen Infomaterial und Goodies unters Volk. An einem Stand kann man lernen, sein Smartphone zu reparieren, an einem anderen Insekten verkosten. Kleine, weiße Larven in Wodka zum Beispiel, bei denen es sich nach Expertenauskunft um Mehlwürmer handelt. Die Produkte seien laborgetestet und ausdrücklich zum Verzehr geeignet, garantiert das Werbeplakat. Und als ob man auch die letzten Zweifler überzeugen müsste, steht darunter: „Handarbeit aus Deutschland".
Dass die Republica längst mehr ist als eine Versammlung von Fachidioten, zeigt sich insbesondere bei einem weiteren Workshop, der sich großer Beliebtheit erfreut. „Irgendwo muss man halt anfangen - Programmieren für Nullcheckerbunnys", so der einladende Titel, ist als Crashkurs für Menschen gedacht, die noch nie etwas von PHP gehört haben und beim Begriff „Python" einzig an eine riesige Würgeschlange denken. Wer den Workshop allerdings mit der Erwartung besucht, danach Windows umschreiben zu können, wird enttäuscht. Kathrin Passig, Autorin des Buches „Weniger schlecht programmieren", und die Informatikerin Anne Schüßler wollen ihrem unbedarften Publikum vor allem Mut machen und erste Lernanreize geben. Um ein guter Programmierer zu werden, helfe sowieso nur Üben.
Während Passig und Schüßler abwechselnd über ihre eigenen Lernerfahrungen referieren, läuft über die Leinwand hinter Ihnen eine Powerpoint-Präsentation mit lustigen Tierfotos: Hasen vorm Computer, Katzen vorm Computer, Meerschweine vorm Computer. Das Publikum macht abwechselnd „oh" und „ah". Von 18 Uhr an öffnen sich die Tore der Konferenz auch für diejenigen, die keine 180 Euro für ein Ticket gezahlt haben. Die Stimmung auf dem Hof hat nun endgültig etwas von Festivalatmosphäre, man grüßt links und rechts, kommt ins Gespräch und ist sofort per Du. Auch auf der Hauptbühne geht man jetzt zum Spaßprogramm über. Spiegel-Online-Redakteur Ole Reißmann und sein Kollege Hakan Tanriverdi präsentieren eine Best-of-Auswahl an Quatschvideos aus den Tiefen des Internets, die im besten Fall absurd komisch und ansonsten einfach nur absurd sind.
Und im Nebenraum findet ein „Science Slam" statt. Bei dieser Veranstaltung treten nacheinander Redner aus allen wissenschaftlichen Disziplinen an, um in Kurzvorträgen ein aktuelles Forschungsprojekt vorzustellen. Am Ende gewinnt nicht der stichhaltigste, sondern der lustigste Vortrag. Die Netzgemeinde müsse darauf achten, sich nicht zu sehr vor dem Mainstream abzuschotten und offen und verständlich zu bleiben, hatten Reißmann und Tanriverdi am Ende ihrer Präsentation angemahnt. Auf der Republica ist das ziemlich gut gelungen.
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