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Émission télévisée

Wurzen kommt nicht zur Ruhe

Seit Monaten gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Flüchtlingen in Wurzen. In der vergangenen Woche nun - eine neue Eskalationsstufe. Mutmaßlich Linke haben in Wurzen zwei Gaststätten angegriffen, Scheiben zerstört und Buttersäure in die Lokale gekippt. Die Wirte der Lokale sind beide im Neuen Forum Wurzen aktiv, einem Bündnis, das in der Stadt gerade massiv um Mitglieder wirbt.


Die Gaststätte "First Diner" in der Altstadt von Wurzen. Dutzende Einschläge, bis auf die Straße stinkt es penetrant nach Buttersäure. In der Nacht zum Freitag wurde das Lokal von Unbekannten beschädigt - ein Nachbar hat den Angriff beobachtet und vier Vermummte gesehen: "Drei haben mit Brechstangen oder Kuhfüßen, mit denen man eigentlich Nägel rauszieht, auf die Scheiben eingeschlagen. Der vierte hat mit dem Handy gefilmt", berichtet der Anwohner.

Mutmaßliches Bekennerschreiben von Linksextremisten

Blick durch eine kaputte Fensterscheibe auf Menschen auerhalb des Hauses
Bildrechte: Frank Schmidt

In gleicher Art und Weise wurde ein zweites Restaurant attackiert. Der Wirt hat schon die Scheibe gewechselt, nun kämpft er gegen den Buttersäuregestank im Inneren. Sagen will er nichts. Beide Gaststätteninhaber gehören zum Vorstand des kürzlich gegründeten "Neuen Forums Wurzen", das wegen der angeblich drohenden Überfremdung und Islamisierung auf die Straße geht. Dass die Angriffe eben diesem "Neuen Forum" galten, behauptet ein Bekennerschreiben, das auf dem linksextremen Internetportal "Indymedia" erschien. Zitat: "Einem weiteren Schritt der Organisierung rechter und reaktionärer Kräfte in der Stadt muss und wird weiter entschieden begegnet werden." Einiges spricht für eine gut vorbereitete Straftat von Linksextremisten. Inzwischen ermittelt das Anti-Extremismuszentrum des Landeskriminalamtes Sachsen und prüft das Bekennerschreiben auf seine Echtheit.

Am vergangenen Montag hat das "Neue Forum Wurzen" auf einem Privatgelände zur Diskussion geladen. Das rund 300-köpfige Publikum wirkt bunt gemischt. Gekommen sind aber auch einige Rechtsextremisten, die als Ordner ihre Ansichten mit Parolen auf ihrer Kleidung offen zur Schau stellen. "Keeper of the race" steht auf einem T-Shirt, auf Deutsch: "Hüter der Rasse".

"Neues Forum Wurzen" wirft antirassistischem Netzwerk Anstiftung vor

Christoph Mike Dietel ist Initiator und Chef des "Neuen Forums Wurzen". Vor der Wende war der damalige Theologiestudent an der Gründung der sozialdemokratischen Partei in der DDR beteiligt. Heute fordert er die Schließung der Grenzen, in Wurzen hat er das antirassistische Netzwerk für demokratische Kultur zum Hauptfeind erklärt und macht es sogar für die Anschläge auf die Gastwirte verantwortlich. "Es ist vollständig egal, ob die diese Verbrecherbande diese Asozialen angeheuert haben oder ob sie nur Anstifter sind. Sie sind Anstifter", sagt Dietel über das antirassistische Netzwerk.

Heftige Vorwürfe ohne Belege gegen einen Verein, der seit 1999 in Wurzen Bildungsarbeit macht. Aber Dietel und dem "Neuen Forum" geht es um die Deutungshoheit, im nächsten Jahr will man zur Stadtratswahl antreten. Da stört das Netzwerk, das immer wieder rechtsextreme Strukturen offenlegt und auf rassistische Vorfälle hinweist.

Geschäftsführerin Martina Glass hält die Anschuldigungen für hanebüchen, lässt rechtliche Schritte gegen das "Neue Forum" prüfen.

Das "Neue Forum" versucht gerade, den öffentlichen Raum in Wurzen zu besetzen. Nun plant die Stadt eine eigene Bürgerversammlung, damit auch andere Stimmen zu Wort kommen.