1 abonnement et 1 abonné(e)
Émission télévisée

Macht die Wohnsitzauflage für vollbeschäftigte Flüchtlinge Sinn?

Dass Flüchtlinge einer Arbeit nachgehen, ist politisch gewünscht. Die Bundesagentur für Arbeit zog zuletzt vergangene Woche eine positive Zwischenbilanz bei der Integration von Flüchtlingen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Demnach gingen im Mai 2018 306.574 Personen aus den acht Haupt-Asylzugangsländern einer Beschäftigung nach. Doch vielen wird die Integration in den Arbeitsmarkt erschwert, weil sie nicht dort leben dürfen wo sie arbeiten.

Über 300.000 Flüchtlinge haben laut der Bundesagentur für Arbeit eine Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt gefunden. Das heißt: Sie fallen als Leistungsempfänger weg, bestreiten ihren Lebensunterhalt selbst, zahlen Steuern und tragen zum deutschen Bruttosozialprodukt bei. Allerdings ist es nicht für alle möglich, nahe dem ihnen zugewiesenen Wohnort eine Arbeitsstelle zu finden. Über einen möglichen Umzug entscheidet der Flüchtlings-Status – und das Amt.

Mohamedullah Mukhtar – Küchenhilfe in Dresden

Ein Mann arbeitet in einer groen Kche
Seit zwei Jahren arbeitet Mohamedullah Mukhtar in Dresden als Küchenhilfe. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der 32-jährige Mohamedullah Mukhtar stammt aus Afghanistan. Er ist in Deutschland nur geduldet. Als Wohnsitz wurde ihm Freital zugeteilt. In Freital als Ausländer einen Job zu bekommen, sei mehr als schwierig, sagt Mukhtar. Seit über zwei Jahren arbeitet der Afghane in einem Burgerrestaurant in Dresden/Neustadt als Küchenhilfe. Das bedeutet auch oft Spätschicht. Doch nach Mitternacht fahren unter der Woche keine öffentlichen Verkehrsmittel von Dresden nach Freital. Bedeutet: Mukhtar fährt mit der Straßenbahn bis an den Stadtrand und läuft nach Hause – Sieben Kilometer nach Freital.

Von seinem Bruttogehalt von 1.300 Euro könnte Mukhtar eine kleine Wohnung in Dresden finanzieren. Er hatte sogar schon eine gefunden, die man ihm vermieten wollte – doch das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge lehnte mehrfach Mukhtars Anträge auf, wie es heißt "Umverteilung an den Arbeitsort" ab. Begründung: Ein Arbeitsverhältnis in Dresden sei als Grund nicht ausreichend. Als Gründe gelten aus Sicht der Behörde nur: Haushaltsgemeinschaften von Ehegatten oder Lebenspartnern, Haushaltsgemeinschaften von Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Das alles trifft auf den Afghanen nicht zu.

Ardalannezahd Saman – Schichtarbeiter bei Siemens

Auch Ardalannezahd Saman aus dem Iran ist in Deutschland nur geduldet. Er hat einen Job als Schaltschrank-Monteur im Siemenswerk in Chemnitz und würde gern näher an seine Arbeitsstelle ziehen, denn mit dem öffentlichen Nahverkehr ist er jeden Tag drei bis vier Stunden zu seiner Arbeitsstelle unterwegs. Diese Zeit, so Saman, würde er lieber sinnvoll nutzen – etwa mit Deutsch lernen oder auch um mit Überstunden mehr Geld zu verdienen. Hinzu kommt: Fast ein Jahr lang musste er sich eine Einraumwohnung mit einem Landsmann teilen. Der war arbeitslos und hatte kein Verständnis für den Schichtarbeiter. Saman verdient als Zeitarbeiter bei Siemens nach eigenen Angaben zwischen 2.600 und 2.900 Euro brutto. Eine eigene Wohnung könnte er sich so definitiv leisten.

Kaum Chancen auf Bewilligung der Anträge

Zwei Mnner sitzen zusammen am Tisch
Ardalannezahd Saman (r) sucht Hilfe bei Dave Schmidtke vom Chemnitzer Flüchtlingsrat. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Laut Dave Schmidtke vom Chemnitzer Flüchtlingsrat gibt es für Flüchtlinge wie Saman und Mukhtar derzeit kaum Chancen, dass ihre Anträge auf Umverteilung zum Arbeitsort bewilligt werden. Laut Schmidtke habe dies mit dem Fall Jabr Al Bakr 2016 zu tun: "Immer wieder steht in der Begründung Paragraph 53 Asylgesetz, öffentliches Interesse. Öffentliches Interesse heißt dann einfach kurz gesagt man möchte öffentliche Gelder sparen. Das erscheint in dem Fall aber extrem paradox, extrem widersprüchlich, weil er zum Beispiel seine Wohnung selbst finanziert, der Staat ja gar nichts mehr dazu schießen müsste und der Staat eigentlich Geld spart, da fragen wir uns wie das öffentliche Interesse hier als Begründung legitim sein kann."
 

Dresden geht einen anderen Weg

Dass es nur eine Frage des politischen Willens ist, zeigt das Beispiel der Stadt Dresden. Die dortige Sozialbürgermeisterin Kristin Klaudia Kaufmann (Die Linke), setzte durch, dass Flüchtlinge, die nachhaltig ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, eine eigene Wohnung mieten dürfen. Natürlich sei jede Entscheidung eine Einzelentscheidung, so Kaufmann, aber: "Personen, die hier Wohnraum finden, Personen die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und damit für einen eigenen Lebensunterhalt sorgen können, die sollten auch die Chance haben am Ort wo sie arbeiten auch leben zu können."