Über 300.000 Flüchtlinge haben laut der Bundesagentur für Arbeit eine
Beschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt gefunden. Das heißt: Sie
fallen als Leistungsempfänger weg, bestreiten ihren Lebensunterhalt
selbst, zahlen Steuern und tragen zum deutschen Bruttosozialprodukt bei.
Allerdings ist es nicht für alle möglich, nahe dem ihnen zugewiesenen Wohnort eine Arbeitsstelle zu finden. Über einen möglichen Umzug entscheidet der Flüchtlings-Status – und das Amt.
Mohamedullah Mukhtar – Küchenhilfe in Dresden
Der 32-jährige Mohamedullah Mukhtar stammt aus Afghanistan. Er ist in
Deutschland nur geduldet. Als Wohnsitz wurde ihm Freital zugeteilt. In
Freital als Ausländer einen Job zu bekommen, sei mehr als schwierig,
sagt Mukhtar. Seit über zwei Jahren arbeitet der Afghane in einem
Burgerrestaurant in Dresden/Neustadt als Küchenhilfe. Das bedeutet auch
oft Spätschicht. Doch nach Mitternacht fahren unter der Woche keine
öffentlichen Verkehrsmittel von Dresden nach Freital. Bedeutet: Mukhtar
fährt mit der Straßenbahn bis an den Stadtrand und läuft nach Hause –
Sieben Kilometer nach Freital.
Von seinem Bruttogehalt von 1.300
Euro könnte Mukhtar eine kleine Wohnung in Dresden finanzieren. Er
hatte sogar schon eine gefunden, die man ihm vermieten wollte – doch das
Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge lehnte mehrfach Mukhtars
Anträge auf, wie es heißt "Umverteilung an den Arbeitsort" ab.
Begründung: Ein Arbeitsverhältnis in Dresden sei als Grund nicht
ausreichend. Als Gründe gelten aus Sicht der Behörde nur:
Haushaltsgemeinschaften von Ehegatten oder Lebenspartnern,
Haushaltsgemeinschaften von Eltern und ihren minderjährigen Kindern
oder humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Das alles trifft auf
den Afghanen nicht zu.
Ardalannezahd Saman – Schichtarbeiter bei Siemens
Auch Ardalannezahd Saman aus dem Iran ist in Deutschland nur geduldet.
Er hat einen Job als Schaltschrank-Monteur im Siemenswerk in Chemnitz
und würde gern näher an seine Arbeitsstelle ziehen, denn mit dem
öffentlichen Nahverkehr ist er jeden Tag drei bis vier Stunden zu seiner
Arbeitsstelle unterwegs. Diese Zeit, so Saman, würde er lieber sinnvoll
nutzen – etwa mit Deutsch lernen oder auch um mit Überstunden mehr Geld
zu verdienen. Hinzu kommt: Fast ein Jahr lang musste er sich eine
Einraumwohnung mit einem Landsmann teilen. Der war arbeitslos und hatte
kein Verständnis für den Schichtarbeiter. Saman verdient als
Zeitarbeiter bei Siemens nach eigenen Angaben zwischen 2.600 und 2.900
Euro brutto. Eine eigene Wohnung könnte er sich so definitiv leisten.
Kaum Chancen auf Bewilligung der Anträge
Laut Dave Schmidtke vom Chemnitzer Flüchtlingsrat gibt es für
Flüchtlinge wie Saman und Mukhtar derzeit kaum Chancen, dass ihre
Anträge auf Umverteilung zum Arbeitsort bewilligt werden. Laut Schmidtke
habe dies mit dem Fall Jabr Al Bakr
2016 zu tun: "Immer wieder steht in der Begründung Paragraph 53
Asylgesetz, öffentliches Interesse. Öffentliches Interesse heißt dann
einfach kurz gesagt man möchte öffentliche Gelder sparen. Das erscheint
in dem Fall aber extrem paradox, extrem widersprüchlich, weil er zum
Beispiel seine Wohnung selbst finanziert, der Staat ja gar nichts mehr
dazu schießen müsste und der Staat eigentlich Geld spart, da fragen wir
uns wie das öffentliche Interesse hier als Begründung legitim sein
kann."
Dresden geht einen anderen Weg
Dass es nur eine Frage des politischen Willens ist, zeigt das Beispiel der Stadt Dresden. Die dortige Sozialbürgermeisterin Kristin Klaudia Kaufmann (Die Linke), setzte durch, dass Flüchtlinge, die nachhaltig ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, eine eigene Wohnung mieten dürfen. Natürlich sei jede Entscheidung eine Einzelentscheidung, so Kaufmann, aber: "Personen, die hier Wohnraum finden, Personen die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und damit für einen eigenen Lebensunterhalt sorgen können, die sollten auch die Chance haben am Ort wo sie arbeiten auch leben zu können."