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Reportage

Geocachen gegen Corona

Viele Menschen suchen inmitten von Lockdown und Social Distancing nach einem Sinn, einem Hobby oder eine Beschäftigung, der sie nachgehen können. Vor allem älteren Personen fällt dies zunehmend schwer. Eine Pensionistin und ihr Mann aus Niederösterreich haben das perfekte Rezept gefunden, um gegen die Lockdownmüdigkeit anzukämpfen.

Die Blätter knistern unter Gerdas Schuhen. Gemeinsam mit ihrem Mann streift sie durch den Wald – abseits des regulären Weges. Mitten im Gestrüpp, umgeben von Sträuchern und Bäumen, hält Gerda kurz inne. Dann zückt sie ihr Handy. Auf dem Display kommt eine Karte zum Vorschein. In der Mitte scheint ein blaues Fragezeichen auf. „Es muss direkt hier sein“, sagt Gerda. Sie wendet sich vom hellen Display ihres Handys ab und blickt wieder in den Wald hinein.

Zu ihrer Rechten entdeckt sie einen kleinen Baum. Seine Wurzeln sind bedeckt mit Moos. Auf ihrer Augenhöhe erblickt Gerda ein Loch mitten im Baum. Sie steckt das Handy mit ihrer rechten Hand in ihre Bauchtasche ein. Mit der linken Hand greift sie in das Loch hinein. Wenige Sekunden später zieht sie sie wieder aus dem Loch heraus. Ihre Hand umgreift ein kleines schwarzes, unscheinbares Ding.

Wir befinden uns am Fuße des Leithagebirges. Es ist die natürliche Grenze zwischen dem nördlichen Burgenland und Niederösterreich. Noch auf der niederösterreichischen Seite liegt Mannersdorf, eine 4.000-Seelen-Gemeinde. Hier sind die Pensionistin Gerda und ihr Mann Fritz zu Hause. Die beiden vertreiben sich den mittlerweile dritten Lockdown in der Natur – Waldspaziergänge kombinieren sie dabei gerne mit einem außergewöhnlichen Hobby: dem Geochaching.

GPS Schatzsuche

Geocaching ist eine Art Schatzsuche, bei der man kleine versteckte Schätze – sogenannte „Caches“ finden muss. Alles was man dafür braucht, ist ein Smartphone mit GPS-Empfang und die Geocaching-App. Auf einer Karte sind die versteckten Schätze markiert, manchmal gibt es auch Hinweise oder Fotos, die bei der Suche helfen.

Weltweit gibt es bis zu sechs Millionen Menschen, die regelmäßig „Geocachen“. In Österreich wird ihre Anzahl auf circa 25.000 geschätzt. Bei der Art der Verstecke werden der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Vom Gipfel des Großglockners bis zum Donauturm – überall dort kann man Geocaches finden.

Erster Fund

Das schwarze Ding in Gerdas Hand entpuppt sich als kleines, staubiges Filmdöschen. Sie pustet einmal kräftig darauf und der Staub löst sich in Luft auf. Als sie den Fund genauer untersucht, ist ein leises Rascheln zu vernehmen. Gerda öffnet das Döschen und findet ein zusammengerolltes Stück Papier. Sie nimmt das Papier ganz heraus. Wie ein Stück Pergament fängt es an sich aufzurollen.

Auf dem Papier sind einige Unterschriften zu sehen. Viele davon sind nur mehr schwer lesbar. Gerda zippt ihre Bauchtasche auf und wühlt darin herum. Einige Sekunden später holt sie einen grünen Kugelschreiber mit der Aufschrift „Naturfreunde Mannersdorf“ heraus. „Hier muss ich jetzt meinen Nickname und das heutige Datum eintragen“, sagt sie und beginnt zu schreiben.

„gerda007, 29.3.2021“ ist nun der letzte Eintrag auf dem Zettel. „Die letzten drei Ziffern meiner Handynummer sind null, null, sieben – mit James Bond hat das Ganze nichts zu tun“, schmunzelt Gerda und rollt das Stück Papier wieder sorgfältig zusammen. Sie steckt es wieder zurück in das Filmdöschen und verschließt es mit einem kurzen „Klick“. Gerda legt den Kugelschreiber wieder zurück in die Bauchtasche und holt ihr Handy heraus. Sie schaltet das Display ein und sucht nach weiteren blauen Fragezeichen in der Nähe.

Suchen und Finden

Die Geocaches gibt es in vielen verschiedenen Größen und Behältern zu finden. Am häufigsten findet man sogenannte Micro- oder Minicaches, die in kleinen Filmdosen versteckt sind. Darin findet man das eigentliche Herzstück des Caches: das Logbuch. Hier trägt man Funddatum und Nickname ein und versteckt den Cache wieder für die nächsten Geocacher:innen.

Caches kann jede Person mit einem aktiven Geocaching-Account erstellen. Man überlegt sich Größe und Versteck, erklärt den Weg dorthin mit einer kleinen Beschreibung oder einem kleinen Rätsel und gibt die Koordinaten mittels der Geocaching-App ein.

Auf der ganzen Welt verstreut gibt es mehr als drei Millionen versteckte Caches. 54.000 davon sind allein in Österreich zu finden. Neben dem Logbuch gibt es in vielen Caches auch immer wieder Goodies für die Fündigen mitzunehmen. Dabei kann es sich zum Beispiel um kleinere Glücksbringer oder aber auch Rätsel zu weiteren Caches handeln.

Die Kombi macht’s aus

Gerda und ihr Mann schlendern weiter durch den Wald. Die Sonne ist mittlerweile am Untergehen. Nach einer Weggabelung sieht man auf der linken Seite die Umrisse einer alten Ruine. Gerda bleibt stehen. „Das ist einer von vielen Gründen, warum ich Geocaching so zu lieben gelernt habe“, sagt Gerda in Gedanken versunken. „Ich kann zwei meiner Lieblingshobbys miteinander kombinieren: Spazierengehen und Entdecken. Viele Plätze würde man ohne Geocaching einfach nicht finden.“

Vor allem in der Corona-Pandemie hat sie durch das Cachen sehr viele neue Orte in den Wäldern ihrer Heimat entdeckt. Auch wenn die Pandemie bisher nicht immer einfach für sie und ihren Mann war. Geocaching und die gemeinsamen Spaziergänge haben ihr immer geholfen, damit besser umgehen zu können.

Gerda steckt ihr Handy wieder zurück in ihre Bauchtasche und zippt sie zu. Dann dreht sie sich um und geht weiter. Weiter in den Wald hinein.