Draußen: Es ist ruhig abseits der Hauptstraßen um die Eisenacher Straße im Stadtteil Berlin-Schöneberg. Gesichtslose Neubau-Wohnhäuser reihen sich an Wohnblöcke, selbst der Supermarkt an der Ecke trägt keinen Markennamen, er heißt „Supermarkt". Auch Jihan El-Tahris Klingel trägt keinen Namen, zumindest nicht ihren, denn sie wohnt hier nur übergangsweise.
Drinnen: Im Wohnungsflur liegt ein roter Teppich, auf einem Sessel im Wohnzimmer eine reich verzierte blaue Decke aus dem Senegal. Sie sind El-Tahris einzige persönliche Einrichtungsgegenstände in der Wohnung. Sie nutzt die Räume hauptsächlich zum Schlafen und Arbeiten. Wenn es die Temperaturen zulassen, sitzt sie auf dem Balkon in der Sonne, vor ihr der Laptop, links ein Glas Orangensaft, rechts eine Zigarettenschachtel rote Gauloises.
Ein neues Kapitel: Seit beinahe einem Jahr hat El-Tahri den ersten festen Job ihres Lebens. Sie arbeitet jetzt bei Dox Box, einer NGO, die junge afrikanische und arabische Filmschaffende fördert. „Ich habe gefragt, ob sie sicher sind, dass sie eine 55-jährige Frau anstellen wollen, die noch nie einen Job hatte", sagt El-Tahri und lacht. „Ich bin doch ein wandelndes Pulverfass in einem festen Beruf." Aber sie glaubt an das Projekt und vor allem stehe die Organisation, genau wie sie selbst, mit einem Bein im Nahen Osten und in Afrika und mit dem anderen in Europa.