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Rechtliche Grundlagen: So wehren Sie sich gegen Cybermobbing

Welche Erfolgsaussichten hat eine Anzeige gegen Cybermobber?

Kinder sind grausam. Wer zu klein, groß, dick, dünn ist, bekommt das unmittelbar zu spüren. Früher nannte man das Hänseln. Auf dem Schulhof wurde der Klassenkamerad damit aufgezogen, dass er anders ist als der Rest. Die anderen verhöhnten ihn, im schlimmsten Fall gab es Prügel. Doch das war es dann auch. Zumindest zu Hause hatten Kinder ihre Ruhe vor Rowdys. Das Internet und die rasende Verbreitung von Smartphones haben das verändert. Der Terror endet nie. "Cybermobbing" oder "Cyberbullying" lauten die Fachbegriffe dazu. Sie beschreiben das Beleidigen, Bedrohen oder Bloßstellen anderer mithilfe moderner Kommunikationsmittel, meist über einen längeren Zeitraum.

Die "JIM"-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) ergab 2013, dass Zwölf- bis 19-Jährige täglich im Schnitt 179 Minuten online sind. Die meiste Zeit entfällt auf den Bereich Kommunikation, und hier insbesondere Communitys wie Facebook. Sie sind der zentrale Tatort für Cybermobbing. 32 Prozent der Jugendlichen berichten in der Studie, dass sie schon einmal im Internet "fertig gemacht" wurden, sieben Prozent wurden im Netz über einen längeren Zeitraum gemobbt. Das Publikum ist dabei unüberschaubar groß. 290 Freunde haben Jugendliche im Schnitt in ihrer Community - die wiederum mit anderen Freunden verbunden sind. Jede Beleidigung maximiert sich in rasender Zeit. Erschwerend kommt hinzu: Die Täter können anonym agieren. Das senkt die Hemmschwelle.

Ging man in den vergangenen Jahren davon aus, dass Cybermobbing vor allem ein Problem von Jugendlichen sei, zeigte 2012 eine Umfrage des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), dass auch Erwachsene davon betroffen sind. Zwölf Prozent der befragten Internetnutzer wurden bereits Opfer von Mobbing und sexueller Belästigung in einem sozialen Netzwerk.

Ist Cybermobbing strafbar?

Einige Politiker fordern jetzt ein Gesetz gegen Cybermobbing. Denn bisher ist der Terror im Web nicht strafbar. Das heißt aber nicht, dass Internet-Bullys nicht mit Konsequenzen rechnen müssen. Cybermobbing kann verschiedene Straftatbestände erfüllen, so Andreas Mayer, Kriminaldirektor der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Die wichtigsten sind die folgenden:

Beleidigung(§ 185 StGB): Ob eine Straftat vorliegt, ist abhängig vom Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang. Auch Fotomonttagen oder Gesten wie etwa ein Stinkefinger können als Beleidigung empfunden werden. Sie werden mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet. Verletzung des Rechts am eigenen Bild(§ 22 Kunsturhebergesetz [KUG]): Die Veröffentlichung von Bildern oder Filmaufnahmen ohne Wissen der darin Gezeigten ist nicht erlaubt. Dies kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden.

Laut Kriminaldirektor Mayer gibt es noch etliche weitere Strafbestände, die in Frage kommen:

Üble Nachrede(§ 186 StGB) Verleumdung(§ 187 StGB) Nötigung(§ 240 StGB) Bedrohung(§ 241 StGB) Erpressung(§ 253 StGB) Körperverletzung(§223 StGB) Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes(§ 201 StGB) Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen(§ 201a StGB) Verletzung des Briefgeheimnisses(§ 202 StGB) Gewaltdarstellungen(§ 131 StGB) Nachstellung(Stalking, § 238 StGB) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung(§174 StGB)

Entscheidend ist immer der Einzelfall. "Es kommt darauf an, wie es der Beleidigte auffasst. Wenn ich zu einem Freund sage 'Du Idiot', ist es etwas anderes, als wenn ich es zu einem Unbekannten sage. Aber wenn im Internet beleidigt wird, ist es meist deftig. Ein Gericht bewertet das dann objektiv", so Rechtsanwalt Lutz Schroeder aus Kiel, der sich auf Internetrecht spezialisiert hat. Schwieriger wird es, wenn es um Jugendliche unter 14 Jahren geht. Sie sind nach §19 StGB schuldunfähig. Als rechtliche Folge kommt deswegen nur der Einzug der "Tatmittel" wie Smartphone oder Laptop infrage.

Was muss man bei einer Anzeige beachten?

Die Polizei empfiehlt zunächst, bei beleidigenden Nachrichten und Posts im Internet oder auf dem Smartphone eine Vertrauensperson bzw. einen Zeugen einzubeziehen. Wichtig ist, möglichst viel Material zu sammeln: Bilder, Posts, Nachrichten, SMS usw. sollten gespeichert oder als Screenshot archiviert werden.

Die Anzeige selbst erfolgt bei der Polizei, indem man den Sachverhalt persönlich vor Ort schildert oder schriftlich Strafanzeige erstattet. "Zu beachten ist, dass manche Delikte nur auf einen Antrag hin verfolgt werden", so Rechtsanwalt Volker Blees aus Dannstadt, der sich im Bündnis gegen Cybermobbing e.V. engagiert. Darunter fallen zum Beispiel Delikte, an denen kein öffentliches Interesse besteht und die deshalb keine automatische Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft nach sich ziehen. Beispiele hierfür sind Beleidigung und Üble Nachrede.

Straftaten, die nur auf Antrag verfolgbar sind, müssen innerhalb von drei Monaten nach Kenntnisnahme angezeigt werden. Zu stellen ist dieser bei der Polizei oder schriftlich bei Gericht oder der Staatsanwaltschaft. Wichtig ist laut Rechtsanwalt Blees, Strafanzeigeund- antrag zu stellen. "Die Strafanzeige dient lediglich dazu, die Strafverfolgungsbehörden von einer eventuell strafbaren Handlung in Kenntnis zu setzen."

Welche Erfolgsaussichten hat meine Anzeige?

Bei jeder Anzeige entscheidet der Einzelfall - eine zu verallgemeinernde Aussage über die Erfolgsaussichten lässt sich laut Kriminaldirektor Andreas Mayer nicht treffen. Bei schwerwiegenden Fällen oder Wiederholungstätern kommt es aber eher zu Verurteilungen als in leichten Fällen oder bei Ersttätern. Sollte dies nicht zum gewünschten Ergebnis führen, kann es sinnvoll sein, einen Anwalt einzuschalten. "Der mahnt ab und fordert eine Unterlassung. Die schärfste Waffe ist das Zivilrecht", so Internetrecht-Experte Lutz Schroeder. Hat die Polizei den Täter ermittelt, sind auch zivilrechtliche Ansprüche wie Unterlassung, Beseitigung und Schmerzensgeld möglich.

Entziehen sich Webseiten im Ausland der deutschen Rechtsprechung?

Komplizierter wird es, wenn der Anbieter der Seite im Ausland sitzt. Grundsätzlich findet das deutsche Strafrecht auch dort Anwendung. Dazu muss aber bekannt sein, von wem das Opfer gemobbt wird. Ist das nicht der Fall, "besteht immer der Anspruch auf Löschung der Einträge", so Rechtsanwalt Lutz Schroeder. Dies im Ausland umzusetzen und den Betreiber zum Handeln zu zwingen, ist aber nicht immer einfach: "Macht er es, ist alles gut, wenn nicht ... Im Fall von Facebook zum Beispiel gilt das US-Recht, die lachen Sie aus." Trotzdem erziele man gerade bei großen Betreibern wie Youtube oder Facebook gute Erfolge, da dies auch im Interesse der Unternehmen liege, so Schroeder. "Handelt es sich um deutsche Foren, zieht man vor Gericht."

Mehr Hoffnung gibt Kollege Volker Blees: „Aus meiner Sicht können sich Webseitenbetreiber im Ausland auch nicht der deutschen Rechtsprechung entziehen. Da sich Cybermobbing häufig im Internet abspielt, kann die Rechtsverletzung auch von jedem Ort weltweit 'abgerufen' werden, somit auch in Deutschland, weshalb der Ort der rechtsverletzenden Handlung in Deutschland ist - und deshalb deutsches Recht zur Anwendung gelangt." Entsprechende Urteile im Ausland dann zu vollstrecken, sei allerdings wieder eine ganz andere Sache - und sehr aufwändig.

Felix Reek

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