"Mach doch mal was über Superfood!", haben die Kolleginnen diese Woche gesagt. "Das essen alle Frauen gerade!" Kurz danach tanzte ich schon gedanklich auf meinem Schreibtisch. Superfood! Ich wollte ja schon immer mal was über XXL-Schnitzel, vier Meter große Pizzen und Riesenburger machen. Frei fressen auf Firmenkosten, schlemmen im Dienste der Menschheit, davon hatte ich schon immer geträumt. Bis ich dann gegoogelt habe, was Superfood eigentlich ist. Früchte und Samen. Also wie in Obst und Blumen.
"Als Superfood werden Lebensmittel bezeichnet, die einen überdurchschnittlichen Anteil an Nährstoffen - Vitamine, Mineralstoffe oder sekundäre Pflanzenstoffe - enthalten. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass sich diese Lebensmittel auch besonders positiv auf die Gesundheit auswirken." Sagt eine Supermarkt-Kette. Und die müssen das wissen, die wollen das Zeug schließlich verkaufen. Also Superfood wie super gesund. Das sind ja bekanntlich die leckersten Lebensmittel.
Nachdem meine Begeisterung also in etwa auf das Niveau kurz vor dem Staffelstart des "Bachelor" gesunken ist, habe ich Mittagessen bestellt. Alles Superfood, alles super gesund und laut so ziemlich jeder Frau superlecker. Aber das behaupten die ja auch von Salat.
Die Hälfte der angegebenen Zutaten klingen für mich wie Yoga-Übungen, aber was tut man nicht alles für die Wissenschaft. Als Vorspeise gibt es einen asiatischen Pot. Das habe ich nämlich schon gelernt: Superfood kommt oft in Superschüsseln. Meine ist aus Plastik.
Der Inhalt: Glasnudeln, Zuckerschoten, Mango. Das kenne ich. Dazu: Kimchi und Edamame. Keine Ahnung, was das ist. Klingt nach einem finnischen Rennfahrer und einem Vertipper bei Edamer. Ist es aber nicht. Der erste Bissen: Hey, das schmeckt gut! Frisch, knackig, so eine Art Bohnensalat. Ich schiebe es meiner Frau herüber. Die schnalzt mit der Zunge. Das läuft doch besser als gedacht! Aus dem Weg, Burger und Bier, Superfood, wir kommen!
Ich greife zum Wrap, dem Hauptgericht. Natürlich Vollkorn, was sonst. Darin unter anderem Hummus, Dattel, Süßkartoffeln. Jetzt nicht unbedingt meine erste Wahl, wenn es um den mexikanischen Fladen geht, aber nun ja. Was Tabbouleh ist, will ich gar nicht erst wissen. Der erste Bissen: schmeckt wie ein Wrap mit Gemüse. Ohne Gewürze. Wahrscheinlich ist Superfood so super, dass man die nicht braucht.
"Bäh!", ruft die Frau angewidert und schiebt ihren Wrap an den hintersten Rand des Tellers. "Koriander!" Auf alle Gewürze haben sie offenbar nicht verzichtet. Da hilft nur Dr. Detox, sage ich. So heißt der Smoothie, den ich dazu bestellt habe. Der sieht aus wie eine Gruppe Spinatköpfe, die auf dem Familienausflug in einen Häcksler geraten sind. Eine grüne, dickflüssige Suppe. Sie zieht am Strohhalm und verzieht das Gesicht. Ich nehme einen Schluck. "Bäh!", rufe ich und schiebe das Getränk weit weg. Was ist denn da drin? "Staudensellerie, Spinat, Gurke, Minze." Na ja, man muss auch nicht alles trinken, was gesund ist. Schon gar nicht, wenn es schmeckt wie ein paar Algen, die sich in einer Schiffsschraube verfangen haben.
"Wäääh! Nimm das weg!"
Dann doch lieber wieder der Salat. "Wäääh! Nimm das weg, nimm das weg!", ruft die Frau. "Was ist denn jetzt los?" Sie ist auf eine rote Schlacke auf dem Boden des Pots gestoßen. "Das ist Kimchi!" "Kim-was?" "Fermentiertes Gemüse!" "So wie in vergärt?" "Genau!" "Bääääh!" Wir schieben den Salat gleichzeitig weg.
Unser Blick wandert zum Nachtisch. Ein großer Becher mit einer dunkelbrauen Creme, in der Mitte eine Himbeere. Sieht aus wie Schokopudding. "Du zuerst!", sage ich. "Nein, du!" Ich stecke den Löffel rein. Hmm. Schmeckt irgendwie seltsam und nach nichts zugleich. Was ist da denn drin? Avocado, dunkler ungesüßter Kakao, Agavendicksaft. Aha. Jetzt weiß ich auch, warum Kakao gezuckert wird. Sonst schmeckt der so. Also nach nichts.
Meine Frau nimmt einen halben Löffel. Und gibt auf. "Ich weiß auch nicht, warum alle Frauen das außer mir mögen", ruft sie. "Ich auch nicht!", schreie ich verzweifelt. "Ich mag am liebsten Nudeln!", sagt sie. "Ich auch!" "Daran kann doch nichts verkehrt sein!" "Nein!!!", "Gehen wir jetzt gleich?" "Ja!!!" "Pizza, Pasta, Antipasti?" "Unbedingt!!!" "Das ist doch auch Superfood, oder?" "Keine Ahnung", sage ich. "Ob Superfood oder nicht - das ist auf jeden Fall super lecker. Gesund werden können wir mit 90."
Rétablir l'original