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Provisionen für Leichen

Mehrere Ärzte sollen von Bestattern für illegale Vermittlungsdienste monatlich bis zu 3000 Euro bekommen haben.

„Wer mit Leichen umgeht, hat dabei die gebotene Ehrfurcht vor dem toten Menschen zu wahren", heißt es in Paragraf zwei des Berliner Bestattungsgesetzes. Doch jetzt werden Vorwürfe gegen drei Bereitschaftsärzte des Leichenschaudienstes der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) laut, die diese Würde missachtet haben sollen.

Laut einem Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) haben die Beschuldigten aus dem Tod ein Geschäft gemacht und gegen Zahlung von bis zu 300 Euro pro Sterbefall Tote an einen Bestatter in Hellersdorf vermittelt. Der RBB beruft sich dabei auf interne Protokolle der Bundesärztekammer und auf Zeugenaussagen von Arztkollegen, die den Männern ein derartiges Vergehen vorwerfen.

Auf Anfrage der Berliner Morgenpost bestätigt die Kammer, eine Untersuchung zu diesem Fall eingeleitet zu haben. Sprecher Sascha Rudat sagte: „Bislang haben sich die Vorwürfe gegen die Beschuldigten nicht bestätigt." Man wolle abwarten, ob sich weitere Zeugen melden. Die Ärztekammer sei für jeden Hinweis dankbar. „Wir haben in dieser Hinsicht nur begrenzte Mittel, gegen ein solches Fehlverhalten vorzugehen", so Rudat weiter. Möglich wäre eine Rüge oder eine Strafe bis zu 5000 Euro. Alles weitere müsse in einem Berufsgerichtsverfahren geklärt werden. Ein Entzug der Berufserlaubnis sei dabei aber schwierig. „Wir müssen uns vor Augen halten, die Entziehung der Approbation ist ein absoluter Härtefall. Dafür ist aber das Lageso zuständig."

Der beschuldigte Bestatter soll sich über Totenscheine die Adressen besorgt, die jeweiligen Ärzte angeschrieben sowie Geld und Vergünstigungen geboten haben. Bis zu 30 Leichen soll das Bestattungsunternehmen so in guten Monaten überstellt bekommen haben. So funktioniert das Geschäft mit den Toten: Die Bereitschaftsärzte kontaktierten den Bestatter, wenn sie Leichenschaudienst hatten. Der Bestatter war bereits darauf vorbereitet, die Verstorbenen schnell abzuholen. Noch während der Leichenschau empfahl der jeweilige Arzt den Hinterbliebenen dann genau diesen Bestatter.

Angehörige berichten davon, massiv unter Druck gesetzt worden zu sein. Laut Zeugenaussagen, soll ein Arzt Hinterbliebene aufgefordert haben, ihm sofort einen entsprechenden Bestatter zu nennen, andernfalls würde er keinen Totenschein ausstellen. Bis zu 3000 Euro Zuverdienst wäre so monatlich in die Taschen der Ärzte geflossen. Das gezahlte Bestechungsgeld soll anschließend auf die Bestattungskosten umgelegt worden sein.

Besonders schwer wiegen die Vorwürfe gegen einen der drei Beschuldigten, den AfD-Politiker Dietmar Buchberger. Er kandidierte im September als Bürgermeister in Hennigsdorf.

Ärzten ist es streng verboten, Bestatter zu empfehlen

Grundlegend haben Hinterbliebene die freie Wahl unter mehr als 280 Bestattern in der Stadt. Betroffene sprechen vom „Menschenhandel" und dem „Verkauf von Verstorbenen". Die Kassenärztliche Vereinigung weist in einem internen Schreiben darauf hin, dass es Ärzten strikt verboten sei, Empfehlungen für bestimmte Bestatter auszusprechen. Die KV räumt ein, von den Vorwürfen zu wissen und macht deutlich, dass man ein solches Verhalten unter keinem Gesichtspunkt tolerieren werde. Gegen besagte Ärzte liege „ein Hinweis zu möglichem Fehlverhalten im Rahmen des Leichenschaudienstes" vor. Bereits in der Vergangenheit habe die Vereinigung Ärzten, die an der Leichenschau teilnehmen, klargemacht, dass derartige Werbung im Rahmen des Dienstes nicht akzeptiert werde.

Die KV kann in diesen drei Fällen jedoch nicht mit disziplinarischen Maßnahmen tätig werden, da es sich hierbei nicht um Vertragsärzte handele. Lediglich den Ausschluss aus dem Leichenschaudienst könne man prüfen. Das wäre dann der Fall, wenn sich die Beschuldigten „nicht an die im Berliner Bestattungsgesetz festgelegten Grundlagen der Durchführung der Leichenschau und der dazugehörigen Durchführungsordnung" gehalten hätten.

Für alle zugelassenen Ärzte besteht die gesetzliche Pflicht eine Leichenschau durchzuführen. Laut KV hätte so ein Verhalten eine solch hohe Relevanz, die bis zum Widerruf der Approbation führen könne. Alles weitere müsse die Ärztekammer klären.

Bei der Morgenpost-Recherche kam heraus, dass auch etliche Fachanwälte von Absprachen mit Bestattungsinstituten oder Altenheimen wissen.

AfD-Politiker Buchberger nahm bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine Stellung zu den Vorwürfen.


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