Wenn aus Sympathie zwischen zwei (vergebenen) Menschen mehr wird, dann mündet das nicht immer in einer neuen Beziehung. Immer häufiger kommt es zu innigen Verbindungen - ganz ohne Sex. Paarberater sprechen dann von dem Phänomen der emotionalen Affäre.
Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Wo verläuft die Grenze zur Freundschaft? Wer ist anfällig für diese Form der Zweisamkeit? BILD hat bei dem Paarberater Eric Hegmann aus Hamburg nachgefragt.
BILD: Ist eine emotionale Affäre (ohne Sex) genauso gefährlich für die bestehenden Beziehungen wie eine „richtige“ Affäre mit Sex?
Eric Hegmann: „In vielen Fällen ist eine emotionale Affäre der Beginn einer Beziehung, die schließlich auch körperlich wird. In dem Moment, in dem mit einer anderen Person eine exklusive Zweisamkeit gepflegt wird, ist die eigene Beziehung gefährdet. Also wer sich denkt: „Darüber kann ich nur mit dir reden“, schließt den Partner aus und es entsteht eine Intimität, die es mit dem Partner nicht gibt. Ich möchte gar nicht sagen, dass man mit dem Partner wirklich über alles reden muss, es gibt sicher Themen, die den gar nicht interessieren, aber es darf nicht das Gefühl aufkommen, ich könne das gar nicht. So viele sexuellen Affären haben so begonnen.“
Was ist der Unterschied zwischen einer emotionalen Geliebten und einer – platonischen – Freundin?
Hegmann: „Für den Außenstehenden mag es da keine erkennbaren Unterschiede geben, das können nur die Partner selbst beurteilen. Nach meiner Erfahrung ist in der emotionalen Affäre mehr Schwärmerei, also wie die rosarote Brille bei der Verliebtheit. Einen guten Freund erfasst man mit seinen sympathischen und unsympathischen Seiten, ist bereit, Kritik zu üben. Die emotionale Affäre fokussiert sich mehr auf den angenehmen Teil und blendet den Rest eher aus. Es liegt auf der Hand, wohin sich das entwickeln kann.“
Welche Rolle spielt die Geheimhaltung in dieser Verbindung?
Hegmann: „Geheimhaltung ist gefährlich und geht nicht. Wenn mir eine emotionale Affäre etwas gibt, die mein Partner mir nicht gibt, dann ist der bessere Weg, offen über seine Wünsche zu sprechen und zu verhandeln, wie diese erfüllt werden können. Wie bei der körperlichen Affäre ist Geheimhaltung eine bewusste Entscheidung gegen den Partner und die Beziehung. Man muss sich das auch einmal umgeehrt vorstellen: Wie würde man sich selbst fühlen, wüsste man so etwas nicht vom Partner? Da würden sich die meisten Menschen unwohl wenn nicht betrogen fühlen.“
Warum gehen Menschen eine emotionale Affäre ein? Wann sind sie empfänglich dafür?
Hegmann: „Die Anlässe sind sehr unterschiedlich, ebenso die Affären und Partner. Vermutlich eint sie alle, dass es die Gelegenheit gab, ein in diesem Moment nicht befriedigtes Bedürfnis zu erfüllen. Meist gibt es dafür einen Anlass, eine Veränderung. Das kann das gemeinsame Haus, die Geburt eines Kindes oder auch Stress oder eine Sinnkrise sein. Oder ein verbindendes, gemeinsames Interesse, das der Partner aber nicht teilt.“
Welche Auswirkungen hat eine emotionale Affäre zu der Beziehung zum Partner?
Hegmann: „Sie nimmt der bestehenden Beziehung eine Intimität, die dieser schaden kann und ich möchte behaupten, schaden wird. Diese Sichtweise mag natürlich daher kommen, dass ich in der Beratung selten die super glücklichen Paare erlebe – die wären ja sonst nicht da.“
Was schützt gegen die Verlockungen einer emotionalen Affäre?
Hegmann: „Offenheit! In einer Beziehung sollten die Partner ihre Wünsche gemeinsam besprechen und eine Lösung finden. Selbst wenn die Lösung eine Trennung wäre im schlimmsten Fall. Aber heimliche Affären sind immer ein Vertrauensbruch. Bereits der Wunsch danach ist ein Anlass für ein klärendes Gespräch. Dann und nur dann kann der Partner sich einbringen. Vielleicht sagt er ja auch: Mach nur! Aber ihm diese Entscheidungsmöglichkeit nicht zu geben, ist eine einseitige Aufkündigung einer Vereinbarung.“
Welche „Regeln“ gibt es in einem solchen Verhältnis?
Hegmann: „Die Grenzen zwischen platonischer Freundschaft und emotionaler Affäre definiert jedes Paar selbst. Vielleicht soll ja sogar aus der emotionalen Affäre eine neue Beziehung werden und das würde die Partner glücklich machen. Wer eine solche emotionale Affäre beginnt, macht das in den meisten Fällen aus einer unbefriedigenden Partnerschaft heraus.
Nicht jede Beziehung macht glücklich und lässt sich retten. Selbst wenn sie nicht darauf ausgerichtet ist, bietet sie dennoch das Potential und ist deshalb ein Risiko, dass man nicht eingehen sollte, will man den bestehenden Partner und die Beziehung nicht gefährden. Ich würde da keine Regel aufstellen, ich würde sagen: NEIN, nicht eingehen!“