Mit Donizettis „Maria Stuarda" steht im Theater an der Wien seit gestern eine Belcanto-Rarität auf dem Spielplan. Der Premierenabend gelang unter der musikalischen Leitung von Paolo Arrivabeni und dank der herausragenden Leistung von Marlis Petersen zu einem musikalischen Highlight und tröstete über die recht einfallslose Regie Christof Loys hinweg.
Belcanto-Traum trotz simpler Geschichte
Es ist ein Meisterwerk des Belcanto, und trotzdem blieb das von Donizetti vertonte Historiendrama Schillers nach der Uraufführung über 100 Jahre ungespielt und gelangte erst 1958 zur Wiederaufführung. Die Geschichte: Zwei mächtige Frauen lieben einen Mann. Roberto jedoch liebt nur eine: Maria Stuarda, Königin von Schottland. Die andere mächtigere Elisabetta, Königin von England, verurteilt Robertos Geliebte in ihrem Stolz gekränkt zum Tod.
Loy, Stammgast am Theater an der Wien, hatte die Aufgabe, die insgesamt recht dünne Geschichte packend auf die Bühne zu bringen. Diesmal jedoch ist es ihm nicht gelungen. Für seinen „Peter Grimes" im Theater an der Wien noch zum „Regisseur des Jahres" gekürt, wurde Loys „Maria Stuarda" größtenteils zum ermüdenden Stehtheater. Der Gedanke: Zu Beginn noch historisch gewandet (Ausstattung: Katrin Lea Tag) streifen sich die Protagonisten nach der Pause allen Prunk ab und schlüpfen in Allerweltskostüme. Sichtbar werden sollen wohl große Gefühle. Eine differenzierte Psychologisierung der Charaktere jedoch lässt Loy vermissen - Die Machtwirren geraten blass, das Spiel auf der am Rande des Erträglichen knarzenden Drehbühne (ebenfalls von Tag) statisch.
Etwas Dynamik sollen wohl der Arnold Schönberg Chor und die Statisterie bringen, die Loy unruhig den Störfaktor Drehbühne bevölkern und das Geschehen kommentieren lässt. Den einzigen Glanzmoment der Inszenierung bietet die Szene, in der Maria Stuarda kurz vor ihrer Hinrichtung Abschied von ihren Lieben nimmt. Allein hier zeigt sich die Kunst Loys, schöne Bilder zu zeichnen - und das Schauspieltalent Marlis Petersens.
Als Titelheldin überzeugte sie mit perfekter Intonation und feinsten Koloraturen und gab berührend die gedemütigte schottische Königin. Ihre Gegenspielerin Elisabetta, Königin von England, verkörperte Alexandra Deshorties und ließ an Wohlklang, Legato und sauberen Koloraturen mangeln. Auch Norman Reinhardt schien nicht in bester Verfassung: Ihm fehlte es in der Rolle des Roberto an stimmlicher und darstellerischer Kraft, nur selten vernahm man seinen sonst so strahlend samtenen Tenor.
Unmutsbekundungen für die Regie
In den Nebenrollen stach Stefan Cerny als Giorgio Talbot mit sonorem Bass heraus. Auch Natalia Kawalek als Anna Kennedy überzeugte berührend mit gut geführtem Mezzo. Tobias Greenhalgh gab bemüht den Bösewicht, ging jedoch stimmlich unter. Paolo Arrivabeni entlockte der Partitur und dem ORF-Radio-Symphonieorchester Zauberhaftes, dirigierte aufmerksam, stürmisch und sensibel zugleich. Jubel für die Sänger, allen voran für Petersen und das Orchester, deutlich zu vernehmende Buhrufe für die Regie. Es wäre wohl ein perfekter konzertanter Opernabend geworden.