3 abonnements et 0 abonnés
Interview

„Vor allem die Bewerber haben Interesse an Nachhaltigkeit, weniger die Unternehmen“

Noch ist Nachhaltigkeitsmanagement ein  junges Arbeitsfeld. Dennoch wird von angehenden Nachhaltigkeitsmanagerinnen und Nachhaltigkeitsmanagern einiges erwartet, sagt Benjamin Nölting.


Interview: Elisabeth Korn


Prof. Dr. Benjamin Nölting ist Leiter des berufsbegleitenden Masters „strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). Viele der Forschungsprojekte von Nölting, der Geschichte, Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre studiert hat, sind transdisziplinär angelegt.


WILA Arbeitsmarkt: Wo werden Nachhaltigkeitsmanager/innen eingesetzt?


Benjamin Nölting: Nachhaltigkeitsmanager werden vor allem in größeren Unternehmen mit klassischen Corporate-Social-Responsibility-Abteilungen eingesetzt. Zunehmend interessieren sich auch in Kommunen oder im Non-Profit-Bereich Organisationen für Fachkräfte, das sind meist keine ganzen Abteilungen sondern eher Stabsstellen oder Beauftragte. Beratung ist auch ein großes Arbeitsfeld, viele kleinere Unternehmen ohne Kapazitäten für eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte holen sich die Expertise für eine entsprechende Entwicklung von außen.


Was tut also ein Nachhaltigkeitsmanager in seinem Berufsalltag, zum Beispiel in einem Unternehmen?


Das ist ein Spagat zwischen der fachlichen Expertise auf der einen Seite und der Kompetenz für das Feld, in dem sie Nachhaltigkeit voranbringen wollen, auf der anderen Seite. Sie brauchen ein Standbein, mit dem sie hauptsächlich unterwegs sind – zum Beispiel Marketing oder Personalmanagement. Und dann muss ein Nachhaltigkeitsmanager die Brücke schlagen können zwischen einem Voranbringen der eigenen Abteilung und einer konkreten Lösung, die diesen Prozess nachhaltig gestaltet.


Welche Kompetenzen oder Fähigkeiten sollte ein potentieller Nachhaltigkeitsmanager außerdem mitbringen?


Zum einen den strategischen Blick dafür, wie man Nachhaltigkeit im eigenen Bereich operationalisieren kann – das kann eine Abteilung oder das  Unternehmen an sich sein, oder auch ein Marktsegment oder eine ganze Branche. Und dann braucht es die Kompetenzen, diese Ideen umsetzen zu können. Wenn Sie einen Bereich transformieren möchten, muss diese Transformation Stück für Stück angestoßen werden. Damit das gelingt, braucht es zum einem persönliche Kompetenzen wie Authentizität oder die Bereitschaft, Konflikte konstruktiv zu lösen. Sie müssen aber auch kommunikative Fähigkeiten mitbringen, um die Leute, die Unbehagen an Veränderungen haben in diesen Prozess mit einzubeziehen.


Fachliche Expertise in gleich zwei großen Themenfeldern und große persönliche Kompetenzen – das klingt nach der eierlegenden Wollmilchsau.


Ja, und manchmal sind die Anforderungen auch widersprüchlich, zum Beispiel große Empathie für alle Beteiligten auf der einen Seite und eine Durchsetzungsfähigkeit, um Prozesse schnell vorwärts zu treiben, auf der anderen Seite. In einem unserer Module entwickeln die Studierenden ein ideales Kompetenzprofil für strategisches Nachhaltigkeitsmanagement – also was müsste jemand können, der als Change-Agent ein Unternehmen strategisch nachhaltig neu positioniert? Da kommt tatsächlich oft die eierlegende Wollmilchsau raus. Dann muss eben jeder gucken: Was davon kann ich, und was davon will ich können. So kann man dann individuelle Schwerpunkte setzen, und sich in der Praxis ein entsprechendes Team zusammenstellen, das ein möglichst breites Spektrum an den genannten Kompetenzen abbildet.


Wird denn ein Nachhaltigkeitsmanager, der sich um ein Erwerben all dieser Kompetenzen bemüht, auf dem Arbeitsmarkt dann auch entsprechend für seine Bemühungen entlohnt?


Noch ist Nachhaltigkeitsmanagement vor allem ein Beruf, der sich ideell lohnt. Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit Nachhaltigkeitsverantwortlichen von der Otto Group oder Tchibo, die sich als potentielle Arbeitgeber mit unseren Studierenden unterhalten haben. Dabei kam raus, dass sie als Unternehmen mit nachhaltigen Bestrebungen von Seiten der Arbeitnehmer stark gefragt sind, aber umgekehrt bei der Einstellung von neuen Fachkräften nur bedingt auf Nachhaltigkeitskompetenzen achten. Tatsächlich haben also im Moment vor allem die Bewerber und weniger die Unternehmen ein Interesse an diesem Thema. Aber mit Sicherheit sind Kompetenzen im Nachhaltigkeitsmanagement ein bedeutender Faktor, um sich von Mitbewerbern abheben zu können.

 



Das Interview erschien erstmals im WILA Arbeitsmarkt (2017).