Konzert in Berlin
Pop fürs Herz: Der Berliner Tim Bendzko spielt vor 9000 Zuschauern in der Mercedes-Benz-Arena in Friedrichshain
Er hatte es nicht leicht in den vergangenen Monaten. Zuerst hat sich Comedian Carolin Kebekus über ihn lustig gemacht. Warum er auf seiner neuen Platte so weinerlich klinge, hatte sie gefragt. Warum er plötzlich "keine Maschine", so heißt der erste Song daraus, mehr sein wolle. Und dann musste Tim Bendzko auch noch die Generalkritik von Satiriker Jan Böhmermann einstecken. Der hatte unter dem Pseudonym Jim Pandzko über den Namensverwandten und andere junge Pop-Musiker hergezogen - austauschbar, kommerziell, weichgespült lautete der Tenor.
Das hat Tim Bendzko aber nicht die Sprache verschlagen. Im Gegenteil, bei seinem Konzert am Montagabend zeigte er sich so redselig und unbeschwert, als hätte er die Zeilen seines aktuellen Songs "Leichtsinn" absorbiert: "Du kannst das Leben leicht nehmen, auch wenn es das nicht ist." Aber das ist ja auch kein normaler Abend seiner "Immer noch Mensch"-Tour. Das Konzert in der Mercedes-Benz-Arena, zu dem 9000 Zuschauer kamen, das ist wie nach Hause kommen für den Berliner.
Noch vor wenigen Jahren hat er nämlich nicht weit weg gewohnt von der Konzerthalle. Es war dieser Ort, in 500 Metern Luftlinie, an dem er entscheidet, seinen Job zu kündigen und Sänger zu werden. Denn Bendzko studiert fünf Semester Theologie und arbeitet als Auktionator, ehe er sich als Popmusiker auf die Bühne stellt. "Auch wenn ich viele dumme Ideen hatte, das war eine gute", sagt Bendzko und lacht, dass seine blauen Augen schmal werden. Auf Chichi hat er an diesem Abend verzichtet - keine Feuershow, keine Videomontagen, keine Vorband. Es geht bloß um Bendzko, unaufgeregt in Jeans, Collagejacke und Sneakers, und seine zehn-köpfige Band.
Die rechte Hand am Mikro, die linke durch die Luft pflügend singt Bendzko mit seiner hellen Stimme über Liebe und wie hart es ist, sich die zu ertrotzen ("Ich will in dein Herz"), übers Verknallen und wie viel Überwindung es kostet, das zu gestehen ("Wenn Worte meine Sprache wären") und so generell über alles, was die Schmetterlinge im Bauch aufputscht. Bendzko wiegt sich mit geschlossenen Augen im süßen Sommerwind gefühliger Popmusik, so wie das Publikum. Weil er ja aber nicht nur heitere Songs singen will, wie der 32-Jährige neulich sagte, gibt es auch Zeitkritisches: Stücke gegen Überarbeitung, eben dieses "Ich bin doch keine Maschine", und gegen Selbstoptimierung. Lieber mal einen Gang zurückschalten, lautet die Devise, man ist schon irgendwie gut, so wie man ist.
Nein, da ist keine Spur mehr davon, nur noch schnell die Welt zu retten und 148.713 Mails zu checken, wie er noch 2011 behauptete, in dem Stück, das ihn populär machte. Aber auch das singt Bendzko und tanzt dabei über die Bühne, dass seine blonden Locken beben. Die kleben ihm dann, nach zwei Stunden, auf der Stirn. Da singt er mit vor Eifer gebogenen Augenbrauen fast so etwas wie eine Antwort auf diese Kritik, die er da vertragen musste: "Das ist der Grund, warum ich Lieder sing: Weil mir sonst das Herz zerspringt." Es gehe ihm nicht um den Applaus, gehört zu werden reicht schon aus.
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