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Messe für Gegenwartskunst in Karlsruhe

Die Lichtinstallation "Chandelier" (etwa 16 Meter hoch und 8 Meter im Durchmesser) von rosalie beeindruckt vor allem, wenn es dunkel wird. Foto: Dörthe Krohn


Noch bis Sonntag läuft die 11. Art Karlsruhe, die Kunsthandelsmesse für Werke der Klassischen Moderne und der Gegenwart. Anders als bei Ausstellungen in Museen oder Kunsthallen geht es hier vor allem um die materiellen Kunstwerte. Doch weil vor dem Kauf eines Bildes, Fotos, Drucks, Objekts, einer Skulptur oder Installation in der Regel die Entscheidung steht: gefallen oder nichtgefallen, werden die Kunstschätzchen aus den Portfolios der Galerien wie in einer Ausstellung präsentiert. Ein Besuch lohnt sich somit gleichermaßen für Kaufinteressierte als auch ausschließlich Kunstinteressierte, die nicht über das nötige Kapital verfügen. In vier Hallen kann man neue Stile oder Stile neu entdecken, Künstlerinnen und Künstler kennenlernen, die einer/einem bis dato unbekannt waren oder bereits ins Herz geschlossene Werke immer noch für wundervoll befinden und genießen. Klassiker wie Joan Miró oder Marc Chagall sind als signierte und nummerierte Farblithografien für knapp unter 10.000 bis hin zu 20.000 Euro aufwärts zu erwerben.

Eine kleine Auswahl aus der Karlsruher Schau

Für 35.000 Euro gibt es aber auch schon ein Original von Daniel Spoerri. Er unterzeichnete 1960 zusammen mit Yves Klein, dem Objektkünstler Arman, Jean Tinguely und anderen das Manifest des Nouveau Réalisme. Die Alltagswelt sollte in die Kunst integriert werden, sowohl inhaltlich als auch die Techniken und Materialien betreffend. Eines von Daniel Spoerris neueren (2010) „Fallenbildern" ist in der Messekoje der Konstanzer Galerie Geiger zu betrachten, die sich auf die internationale Avantgarde der 60er Jahre sowie Vertreter_innen der konkreten Kunst und der Op Art spezialisiert hat.

Auf einer Tischplatte steht benutztes Frühstücksgeschirr von drei Personen. Spoerri fixierte die Alltagsszene inklusive Tischdeko, Kaffeesatz, Brötchenrest und abgepellter Eierschale. Die vollstehende Tischplatte nach einem Frühstück wurde zu einem künstlerischen Wandobjekt. Die Methode und das Material für die Präparierung hat er über die Jahre stetig verbessert. Daniel Spoerri wird in der ZERO-Ausstellung vertreten sein, die das New Yorker Guggenheim Museum für Herbst vorbereitet.

Höchst persönlich war am Freitag James Francis Gill nach Karlsruhe gekommen. Der gebürtige Texaner wollte eigentlich Cowboy werden, doch dann wurde er 1962 mit dem „Marilyn Triptych" bekannt, das sich in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York befindet. Er porträtierte auch andere Prominente wie Gregory Peck, Kirk Douglas, John Wayne, die Beatles oder John F. Kennedy. Sein politisches Anliegen, insbesondere seine Kritik am Vietnam-Krieg, drückte er in Arbeiten wie „The Machines" oder „Political Prisoner" aus. Überraschend verabschiedete sich der Pop Art-Künstler für lange Zeit aus der Öffentlichkeit und zog sich in eine Künstlerkommune nach Kalifornien zurück. Auf 1997 wird der Beginn einer neuen Schaffensphase datiert. Heute arbeitet der Maler unter anderem mit Computer und Drucker. Handsignierte und nummerierte Serigrafien auf Büttenpapier von den farbstarken Marilyns oder „No more MM", gefertigt von Drucker Hans-Peter Haas, hat die Heilbronner Galerie Premium Modern Art im Sortiment.

Die Betrachterin und den Betrachter integrierend sind die figurativen Bilder von Kirsten van den Bogaards. Ihre „Beobachtungen" haben eine fotografische Vorlage. Die zunächst abgelichteten und dann fotorealistisch auf weiße und schwarze Dibond-Platten gemalten Personen und Personengruppen in Alltagssituationen sind zumeist von hinten zu sehen. Insbesondere in den Bildern mit glattschwarzem Hintergrund spiegelt man sich und es ist, als würde man Teil des Geschehens werden, würden eine/n die gemalten Protagonistinnen und Protagonisten auch sehen. Ihre Werke finden sich im Programm der Kölner Art Galerie 7.

Absolute Hingucker sind die „Kitchenplastics" der Berliner Künstlerin Anke Eilergerhard. Ihre Silikon-Objekte erinnern in ihrer Farbigkeit an Süßigkeiten, bezogen auf ihren abstrakten figürlichen Aufbau daran, bereits zu viel Süßigkeiten genossen zu haben (barock, üppig, füllig) und was die Oberflächenstruktur angeht an Tortenverzierungen aus dem Spritzbeutel (Baiser, Buttercreme oder reichlich Sahne). Wie der Ringaufbau, der mit einem kleinen „Fuß" beginnt und sich dann ausladendender und manchmal als würde er schwanken in die Höhe schraubt, zum Stehen gebracht wird, dürfe nicht verraten werden, ist am Stand der Jörg Heitsch Galerie zu erfahren.

Schon einen roten, blauen, gelben, grünen oder purpurfarbenen Goethe vorbestellt? Die Christoph Maisenbacher Galerie in Trier nimmt Vorbestellungen entgegen. Zum 100. Geburtstag der Johann Wolfgang Goethe-Universität wird vom 11. Juni bis zum 21. Juli eine Installation von Ottmar Hörl zu sehen sein. 400 etwa ein Meter hohe Goethe-Figuren werden auf der Grünfläche vor der Südfassade des ehemaligen IG Farben-Hauses in Richtung Fürstenberger Straße stehen. Der Preis für eine Figur aus der Installation in den fünf Farben der historischen Fakultäten der Uni beträgt mit eingeprägtem Künstlernamen 350 Euro, signiert 500 Euro.

In Karlsruhe ausgekundschaftete Lieblingsstücke aus Galerien der Region

Skulpturen aus Lindenholz – männliche Figuren des Bildhauers Thomas Hildenbrand sind nicht nur aktuell auf der Art Karlsruhe zu sehen sondern auch ab 28. März in der Galerie Mühlfeld und Stohrer in Frankfurt. Nicht ans Kreuz genagelt und ohne Kreuz im Rücken, aber wie ein Gekreuzigter steht er da, ein junger, moderner Mann in Hose und mit Kurzhaarschnitt. Äußerlich zeigt der eher zarte Körper keine Verletzungsspuren. Die Haltung gibt die seelischen Hiebe preis. Doch der Titel irritiert - „Der Springer". Setzt der in Konzentration versunkene vielleicht gerade zu einem akkuraten Sprung in ein tiefes Schwimmbecken an?

Sich ganz schön hängen lässt auch der „Headthinker" von Laura Ford. Ein Eselskopf aus Steingut liegt wie erschöpft seitlich auf einem Tisch. Den Körper zum Kopf bildet eine Lumpenpuppe. Die Schultern hängen herab, als hätte ein Teenager aus Frust über zu viel sinnlose Lernerei eine Eselskopfmaske über den Kopf gestülpt. Alles sieht nach Resignation aus. Kostenpunkt: 25.000 Euro. Viele bräuchten da schon einen Goldesel, doch die Arbeiten von Laura Ford sind allemal sehr faszinierend. Insgesamt sind drei davon in Karlsruhe am Stand der Bad Homburger Galerie Scheffel zu sehen.

Malerei zum Thema Essgeschirr (Bezug siehe oben: Daniel Spoerri) gibt es von Lisa Morfeld. Abzuwaschendes Geschirr am Rande eines Spülbeckens oder bereits gespültes Geschirr in Abtropfgestellen hat die junge Würzburgerin in Öl auf Leinwand festgehalten. Ihre One-Artist-Show ist am Stand der Frankfurter Galerie Ulrich Gering anzuschauen.

Johannes Heisig hat mit seinem Bild „Dialog" (2014) ein Farbenfeuerwerk in Öl auf Leinwand gebracht, das man stundenlang anschauen können möchte, um alle Details darin zu erfassen. Für 27.000 Euro könnte man es zu diesem Zweck in die eigenen vier Wände bringen. Auf den ersten Blick: Drei Stabpuppen in prächtigen Gewändern und mit unheilvoll dreinblickenden Gesichtern erzählen eine, eher 1001 Geschichten und werden dirigiert von einem Puppenspieler, dessen halber Kopf am unteren Bildrand zu sehen ist. Als hätte er sich kurz mal umgedreht, schaut er die Betrachtenden der Szenerie direkt an. Johannes Heisig ist mit diesem und anderen Werken in „Die Galerie" in Frankfurt vertreten.

Den ganz persönlichen Art Karlsruhe-Kunstgenuss mit ureigenen Interpretationen kann man noch bis Sonntag erleben. Bis dato eher unbekannte zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler verkaufen ihre Werke für um die 3.000 Euro. Bei einem Talk Freitagnachmittag mit Wolfgang Henze (Galerie Henze und Ketterer) und Peter Femfert (Die Galerie, Frankfurt) wies Henze auf den „Verbrauchswert" eines Kunstwerks hin. Selbst wenn einzelne Kunstwerke auch langfristig nicht ihren Wert auf dem Kunstmarkt steigern könnten, sei die Investition ohne Risiko. Femfert ergänzte, dass Herzklopfen und Freude an einem Bild kaufentscheidend sein sollten. Dann zahle man quasi eine Leihgebühr für das Vergnügen, ein Original an der eigenen Wand hängen zu haben.

Ab Karlsruher Hauptbahnhof fahren Shuttlebusse zum Messegelände. Navigationsadresse: Messealle 1, 76287 Rheinstetten

Alle Infos zu Öffnungszeiten, Eintrittspreisen und Rahmenprogramm: www.art-karlsruhe.de

reinMein/Text: Dörthe Krohn
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