Cornelia Groß lässt die Betrachterinnen und Betrachter ihrer Bilder nicht rätseln. „Ohne Titel" ist hier weder eine lavierte Grafittuschezeichnung noch ein Werk, das mithilfe unterschiedlicher Malfarben (Ölkreide, Acryl, u.a.) seinen Ausdruck fand. Die sehr sogfältig ausgewählten Titel führen in die Bildgeschehnisse ein. „Ausruhen", „Aus dem Rahmen treten" oder „Fallschirm" greifen Stimmungen der Frankfurter Künstlerin auf. „Das Ergebnis ist bildhaft umgesetzter Ausdruck des in meinem Körper gespeicherten Erlebens", sagt sie. Die Reflexion des erlebten Gefühls, dem wahrhaftige Begegnungen voran gegangen waren, setzt sich in einer expressiven Pinselbewegung als Figur auf dem Malgrund nieder.
Die reduzierten Tuschezeichnungen haben Kraft, Tiefe und Humor. Eine Frau betrachtet ihr Spiegelbild, Titel: „Unbekannt?": Im Augenblick der Betrachtung kann sich die dargestellte Szene vom Gefühl der Urheberin gänzlich loslösen und zu einer rein persönlichen Frage werden. Am unteren Ende der Wand nahe der Fußbodenleiste flaniert sehr charmant ein „Flaneur", eher eine Flaneuse, von oben herab gleitet der „Fallschirm". Die Bilder zeigten, in welcher Verfassung sich die Künstlerin während des Malens befunden habe, erklärte Angelika Grünberg in ihrer Einführung am Vernissage-Abend in den Räumen des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen & Künstler Frankfurt e.V. (BBK). Oft reichen Cornelia Groß wenige aber prägnant gesetzte Pinselstriche, um eine Stimmung durch eine Figur im Kontext einer Geschichte herauszuarbeiten. Eine große Hand hält eine Frau an den Füßen. Sie baumelt kopfüber und hängt auf diese Weise ab. „Darüber hinwegsehen" zeigt eine kleines Wesen am Boden liegend und einen steif daneben stehenden Menschen, der anscheinend sowohl ungerührt als auch sich nicht rührend daneben steht.
Viele ihrer „im Körper gespeicherten Erlebnisse" bringt sie aus ihrem beruflichen Alltag mit. Seit einigen Jahren gehört Cornelia Groß als Angebotslehrerin im offenen Kunstraum zum pädagogischen Team der Freien Schule Frankfurt. Ton, Speckstein, Installationen, Basteln, Zeichnen, Malen, Nähen, Bühnenbild, Experimentieren, ... – sie greift die thematischen und Umsetzungsideen der Kinder auf und unterstützt ihre kreativen Prozesse. Die Beziehungen und Auseinandersetzungen, lustige und traurige Episoden der Kinder und Erwachsenen der Freien Schule sind ihr eine wertvolle Erfahrungsquelle. Dabei sei es ihr wichtig, sich von bereits bekannten Sichtweisen immer wieder lösen zu können, um neu hinzusehen. Neugier, Hinwendung und forschendes Interesse an der Komplexität der Situationen lenken schließlich ihre Hand bei der Bildgestaltung. Cornelia Groß sagt: „Ich spüre nach, konzentriere mich auf meine Erinnerung, zeichne, male, schnell, direkt ... hoffe zu erhaschen, zu erforschen ..." Das tut sie dann in der ruhigeren Umgebung ihres Ateliers in Niederrad.
Cornelia Groß ist ausgebildete Silberschmiedin und Erzieherin. Sie war Gaststudentin an der Hochschule der Künste Berlin (heute: Universität der Künste Berlin) und absolvierte später ein Kunststudium an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel, das sie mit einem Diplom abschloss. Ihre Schwerpunkte dort waren Bildhauerei und Projektkunst. Cornelia Groß lebt und arbeitet in Frankfurt und ist Mitglied im BBK Frankfurt.
Die Einzelausstellung „Die Fischverkäuferin und anderes" von Cornelia Groß mit Werken der letzten drei Jahre ist noch bis zum 2. September 2012 in den Räumen des BBK Frankfurt, Hanauer Landstr. 89, 60314 Frankfurt am Main zu sehen. Öffnungszeiten: Montag 17 bis 20 Uhr, Donnerstag 10 bis 12 Uhr, Samstag 12 bis 18 Uhr, Sonntag 16 bis 18 Uhr.
Text: Dörthe Krohn