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Bahn: Schneller im ICE einen freien Sitzplatz finden

Die Bahn möchte ein besserer Gastgeber werden

Mehr Service, mehr Komfort und vor allem bessere digitale Dienste: Die Bahn will zum Gastgeber werden. Auf der Veranstaltung Mobilität erleben 2018 hat das Unternehmen rund 50 Zukunftsprojekte vorgestellt, die dabei helfen sollen.

Bosch Gruppe, Waiblingen eQ-3 Entwicklung GmbH, Leer (Ostfriesland)

Wer einen ICE ohne Sitzplatzreservierung betritt, soll künftig etwa schneller einen freien Platz finden. Auf den Monitoren am Eingang zeigt ein Ampelsystem, in welchem Wagen die Auslastung niedrig ist. Als Datenbasis nutzt die Bahn die Anzahl der verkauften Reservierungen für den jeweiligen Zug. Auch der Komfort-Check-in wird herangezogen. Dabei melden sich Fahrgäste in der App DB Navigator als anwesend an und entwerten zugleich ihre Fahrkarte. Die klassische Fahrkartenkontrolle entfällt. Das System ist bereits im Einsatz und wird der Bahn zufolge gut angenommen: In den ersten drei Monaten gab es eine Million Check-ins, was rund der Hälfte aller Check-in-fähigen Tickets entspricht. Ab November 2018 kann man auch ohne Sitzplatzreservierung mit einem Ticket in der App einchecken.

Als weitere Datenquelle für das Ampelsystem der Sitzplatzauslastung nutzen die Entwickler die Anzahl der angemeldeten Geräte im WLAN. Die Datenverbindung wird inzwischen in der ersten und zweiten Klasse der ICEs kostenlos angeboten. Unabhängig vom Alter nutzen laut Deutscher Bahn 90 Prozent aller Fahrgäste die drahtlose Verbindung. Somit liefern die WLAN-Daten eine verlässliche Aussage über die Sitzplatzausnutzung. Einen Termin für die Umsetzung der Sitzplatzampel konnte der verantwortliche Produktmanager bei der Veranstaltung im Berliner Motorenwerk allerdings noch nicht nennen.

Zugbegleiter werden Gastgeber

"Wir wissen, dass wir in vielen Bereichen noch nicht perfekt sind. Aber daran arbeiten wir", sagte Vorstandschef Richard Lutz zur Begrüßung der 250 Gäste aus Politik, Medien, Fahrgastverbänden und dem Kundenbeirat. "Ankommen schon beim Einsteigen", lautet das neue Motto der Bahn. "Wir wollen Gastgeber der Zukunft sein", sagt Lutz. Das gastronomische Angebot, die Wagenausstattung als auch der Service der Zugbegleiter sollen besser werden.

Der Komfort-Check-in verschafft Zugbegleitern, die jetzt bahnintern Gastgeber heißen, mehr Freiraum für individuellen Service. Bei Störungen und Verspätungen sollen die Gastgeber ihre Gäste schneller und vor allem ohne Bahn-Fachausdrücke informieren. Äußere Zeichen des Wandels sind das Gastgeschenk in Form einer Süßigkeit als auch eine neue Uniform. Ab Ende 2019 kombinieren die Gastgeber ihre Berufskleidung aus einer Kollektion bestehend aus 90 Einzelteilen. Neben dem klassischen Blau hat Designer Guido Maria Kretschmer der Bahn ein dezentes Burgunderrot verpasst.

Während die meisten Projekte noch im Planungsstadium sind, ist Railmate bereits Realität. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) wertet die Bahn Kundenfeedback in Echtzeit aus. Die Bahn erhält pro Monat rund 50.000 Kundenmeinungen. Knapp 25.000 Feedbacks kommen über die QR-Codes, die an Wänden und Sitzen der Wagons kleben. 20.000 Kundenmeinungen stammen aus der App DB Navigator. "Die Software erkennt Schlüsselwörter und unterscheidet nach positiver und negativer Kritik", sagt der Projektleiter Axel Schulz. Jeder Mitarbeiter im Konzern hat über das Intranet Zugriff auf die Daten. Die Produktmanager können für ihr jeweiliges Angebot oder ihren Zugtyp Auswertungen mit Wortwolken, Balkendiagrammen sowie nach Positiv-/Negativ-Meldung auswählen. "Gehäufte Meldungen wie beispielsweise zu niedrige Temperatur in einem ICE-Wagen leiten wir direkt an den Zugchef weiter", sagt Schulz.

Die meisten der 50 vorgestellten Projekte betreffen digitale Dienste entlang der Reisekette. Viele zielen auf das größte Problem der Deutschen Bahn: Pünktlichkeit. Die Sitzplatzampel, digitale Wagenstandanzeiger und eine Bahnhofsnavigation für Umsteiger innerhalb der App sollen Ein- und Aussteigezeiten reduzieren, damit Abfahrtszeiten eingehalten werden können. Der zweite Aspekt ist besserer Service. Ab Ende 2019 führt das Unternehmen den Single-Sign-on mit einer einheitlichen Bahn-ID für Bahn.de, DB Navigator, Flinkster und WLAN im ICE ein. Mit ihrem Skill für Amazons Alexa gehörte die Bahn zu den ersten Anbietern der Sprachsteuerung in Deutschland. Ab Anfang kommenden Jahres können Fahrgäste neben Zugverbindungen auch Preisauskünfte und Fahrkartenbuchungen per Stimme erhalten. Für Menschen mit eingeschränkter Sehkraft bedeutet das eine große Erleichterung.

Lösungen für die erste und letzte Meile

Beim Blick in die Werkstatt der Bahn waren auch mehrere Tochterunternehmen vertreten. Dazu gehört Ioki. Das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt kümmert sich um Lösungen für die erste und letzte Meile einer Reise. In zwei Hamburger Stadtteilen sind elektrische Fahrzeuge des britischen Herstellers LEVC im Einsatz. Die Shuttles lassen sich zu Tarifen des öffentlichen Nahverkehrs per App bestellen und bündeln Fahrtwünsche. Diese London-Taxen sind so geräumig, dass ein Kinderwagen oder ein Rollstuhl Platz hat. Mit Bahn-Mitarbeitern testet Ioki in Frankfurt elektrische Tuk Tuks, die Platz für einen Fahrgast bieten. Das langfristige Ziel sind autonom fahrende Transporter. Bereits heute wird ein autonomer Kleinbus im niederbayerischen Kurort Bad Birnbach getestet.

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