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"Alien"-Filme werden 40 Jahre alt: Ridley Scotts Monster-Erfolg - DER SPIEGEL - Geschichte

Es ist die Szene nach dem "Puh, alles wieder gut!"-Moment. Kane, Crew-Mitglied des Raumfrachters "Nostromo", hatte eine unbekannte Kreatur auf seinem Gesicht sitzen, die ihn ins Koma versetzte und ihm die Luft abdrehte, sobald man sie berührte. Nun ist sie von allein abgefallen, er sitzt zum Essen mit der restlichen Besatzung am Tisch. Alle scherzen, Kane macht sich den Teller voll, stopft sich die ersten Nudeln in den Mund, als er sich verschluckt. Oder ist das gar kein Verschlucken?

Er windet sich auf dem Tisch unter Schmerzen, die anderen müssen ihn festhalten. Unter seinem Shirt platzt etwas, alles ist voller Blut, dann bricht es endgültig aus seiner Brust hervor: das Alien. Klein noch, aber schon abstoßend. Nach einem drohenden Rundblick verschwindet es in den Fluren der "Nostromo". Zurück bleibt die geschockte Crew und der ebenso geschockte Zuschauer.

Die Sequenz dauert nur etwas über zwei Minuten, aber sie ist eine der berühmtesten der Filmgeschichte und steht in Sachen Schock und Horror gleich neben der Duschszene in "Psycho". Regisseur Ridley Scott filmte sie mit vier Kameras zugleich, damit die Reaktionen echter wirkten.

Die Schauspieler wussten zwar ungefähr, was passieren würde - Veronica Cartwright als Lambert aber war anzusehen: Sie rechnete nicht damit, dass so viel Blut spritzen und sie einiges davon abbekommen würde. "Wenn ein Schauspieler nur spielt, als erschrecke er sich, dann wirkt das nicht authentisch", sagte Ridley Scott.

Am 25. Mai 1979 lief "Alien" in den US-Kinos an, auch nach 40 Jahren hat diese Szene nichts von ihrem Schrecken verloren. Dabei dachte Drehbuchautor Dan O'Bannon beim Schreiben nicht, dass es der Schockmoment werden würde. "Ich wollte einfach relativ früh im Film etwas machen, das Grenzen überschreitet. Eine Szene, die so entsetzlich ist, dass man sie nicht drehen sollte", zitiert ihn die Website Tested.com. "Den Rest des Films muss man dann nur noch sicherstellen, dass genug dunkle Ecken in den Gängen sind, in denen man nichts sieht, so dass der Zuschauer schon mit den Zähnen klappert beim Gedanken daran, was wohl als Nächstes Schreckliches passiert."

Verfolgung wie bei Pac-Man

Genau daran hielt sich Scott. Die zweite Hälfte des Films ist ein Katz-und-Maus-Spiel in klassischer Horrorfilm-Manier. Das Alien schnappt sich ein Crewmitglied nach dem anderen, und die langen, düsteren und unübersichtlichen Flure der "Nostromo" samt Geräuschkulisse sind der passende Ort dafür.

In Sachen Spannung setzte der Film Maßstäbe. Dazu sorgt in den letzten Minuten Stroboskop-Licht für eine noch dichtere Atmosphäre. Das wurde später oft kopiert, hat aber die Wirkung des Originals selten erreicht.

Das Monster erst spät zu zeigen und immer noch ein wenig im Dunklen zu lassen - dieses Erfolgsmodell hatte einige Jahre zuvor schon bei "Der weiße Hai" funktioniert. Bei "Alien" gab es dafür auch andere Gründe: Es fehlte an Geld für Special Effects, zudem war die Technik noch nicht weit genug.

So schlüpfte der hünenhafte, über zwei Meter große Bolaji Badejo in das Alien-Kostüm ( siehe Fotostrecke). Und weil Scott Angst hatte, das Monster könnte dadurch allzu menschlich wirken, ist es fast nie ganz oder von vorn zu sehen.

Gänsehaut war dem Zuschauer garantiert, auch ohne weitere Splatter-Effekte. Scott schaffte mit einfachsten Mitteln Spannung, etwa als sich Kommandant Dallas in die Lüftungsschächte begibt, um dem Alien mit einem Flammenwerfer den Garaus zu machen: Wie bei einem Pac-Man-Spiel verfolgen die anderen am Monitor, wo er und das Alien sich gerade befinden. "Ping, ping, ping", plötzlich kommt es auf ihn zu, er sieht immer noch nichts, entscheidet sich für den falschen Weg - mit einem klassischen Jumpscare, einem Schreckmoment, endet die Szene. Und das Dasein von Dallas.

Was lauert da hinter der nächsten Ecke?

Wie konnte Scott damals den Zuschauern fast eine Stunde das Monster vorenthalten? In der ersten Hälfte des Films passiert wenig, fast nichts; die kühle, klaustrophobische Atmosphäre an Bord der "Nostromo" beherrscht die Szenerie. Die Crew-Mitglieder sind Jedermanns, die sich schon mal über ihr Salär beschweren, keine stylishen Weltraumhelden. Wobei Scott auch um Sigourney Weaver herum tolle Schauspieler geschart hatte: Ian Holm als herrlich ausdruckslosen Roboter, dazu Harry Dean Stanton, John Hurt und Veronica Cartwright - auch in einem Monsterfilm muss das menschliche Ensemble stimmen.

Den Spannungsaufbau unterstützten das Produktions- und Sounddesign und die eindringliche Musik von Jerry Goldsmith: Lauert da schon etwas hinter der nächsten Ecke? Welches Crewmitglied spielt hier ein falsches Spiel, was hat es mit diesem Notsignal und den Eiern auf diesem Planeten auf sich? Und was ist das für ein Ding auf dem Gesicht von Kane? Dem Sog kann der Zuschauer kaum entrinnen, spätestens ab der obskuren "Geburtsszene".

Drehbuchautor O'Bannon hatte die "Alien"-Idee. Zuvor schrieb und inszenierte er zusammen mit Horrormeister John Carpenter die Science-Fiction-Parodie "Dark Star", dann schrieb er "Star Beast", woraus später "Alien" wurde, und holte H.R. Giger für das Monster-Design an Bord. Der Schweizer Künstler kreierte das Alien wie auch die Eier, er half beim Erschaffen des Alien-Planeten in den Shepperton Studios in England mit. Scott hatte ihn für ein paar Wochen eingeladen, am Ende blieb Giger fünf Monate.

Glück hatte O'Bannon auch mit dem Timing: Nach dem Erfolg von "Star Wars" wollten die Studios weitere Weltraumgeschichten ins Kino bringen, und so gab Fox grünes Licht für die "Alien"-Verfilmung. Das Studio brachte den Film sogar am 25. Mai ins Kino, dem gleichen Tag wie zwei Jahre zuvor "Star Wars" - und es wurde ein weiterer Erfolg an der Kinokasse.

Heldinnen der Leinwand

Für einige Mitwirkende war der Film Durchbruch und Auftakt zu großen Karrieren. Regisseur Scott schuf drei Jahre später mit "Blade Runner" den nächsten Klassiker, und Sigourney Weaver gilt in ihrer Rolle als Ripley, die dem Alien die Stirn bietet, als Vorbild für weibliche Action-Heldinnen. Die Hauptrolle spielte sie auch in allen drei Fortsetzungen - "Aliens" von James Cameron (1986), "Alien 3" von David Fincher (1992) und "Alien: Resurrection" von Jean-Pierre Jeunet (1997).

Über Ridley Scott hieß es, er habe sich gegen alle Widerstände des Studios vehement dafür eingesetzt, dass die ursprünglich als Mann beschriebene Figur Ripley eine Frau ist. Autor O'Bannon besteht allerdings darauf, dass er in seiner ersten Fassung das Geschlecht aller Crew-Mitglieder offengelassen habe - darüber sollte das Casting entscheiden. Als Ripley war auch John Travolta im Gespräch, aber nach Probeaufnahmen bekam Sigourney Weaver die Rolle. Starke Frauenfiguren blieben ein Markenzeichen von Scott, später etwa bei "Thelma & Louise" oder "G.I. Jane".

Die "Alien"-Reihe war ein Monster-Erfolg - und ist es noch immer. Zwar hatte Ridley Scott bei den Fortsetzungen die Regie anderen überlassen. Bei den Prequels, also Filmen, die vor dem ersten "Alien" spielen, übernahm er sie aber wieder selbst: Nach "Prometheus" (2012) und "Alien: Covenant" (2017) kündigte der inzwischen über 80-Jährige an, noch eine weitere Fortsetzung drehen zu wollen.

Die Wirkung der Szene des ersten Alien-Erscheinens aber wird er wohl nicht mehr erreichen: Dass Zuschauer immer wieder erschrecken, obwohl sie einen Film kennen und wissen, was gleich kommt - das schaffen nur wenige Werke.

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