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Jobwunder in Köln? - Was bewirkte die Plakataktion „1.000 freie Stellen"?

Seit Mitte März 2016 sucht die Stadt Köln mit einer Werbekampagne händeringend Personal: Städtische Werbetafeln, Aushänge in öffentlichen Gebäuden sowie Website und Facebook-Kanal der Stadt machten auf „1.000 freie Stellen" aufmerksam. Ein halbes Jahr später fragen wir nach dem aktuellen Stand: Wie viele der Stellen sind inzwischen besetzt? Was hat die Kampagne der Stadt gebracht? Und mit welchen Schwierigkeiten haben Städte bei der Personalgewinnung zu kämpfen?

Altersbedingtes Ausscheiden, neue Aufgaben

2017 gehen fast 200 städtische Angestellte in den Ruhestand, der für 2024 prognostizierte Spitzenwert ist mit etwa 500 mehr als doppelt so hoch: Künftig macht sich der demographische Wandel und das damit verbundene „altersbedingte Ausscheiden zahlenmäßig starker Jahrgänge" besonders deutlich bemerkbar. So werden in den nächsten zehn Jahren rund ein Drittel aller Führungskräfte und mehr als die Hälfte der Amtsleitungen in Rente gehen. In Köln führten daneben der „stetige Aufgabenzuwachs, die Flüchtlingsversorgung und die zahlreichen Infrastrukturprojekte im Stadtgebiet" zu einem erhöhten Personalbedarf - und zwar in nahezu allen Einsatzfeldern, blickt man auf die der Stadt.


Kaum konkrete Zahlen

Wir fragten nach: Wie viele der „1.000 freien Stellen" sind mittlerweile, sechs Monate nach dem Start der Kampagne, besetzt? Außerdem interessierte uns, ob die Werbekampagne überregionale Wirkung hatte, ob sich also Menschen aus ganz Deutschland bewarben. Die Antworten, die wir erhalten haben, bleiben größtenteils vage. Auf die Frage nach einem Zieltermin für die 1.000 Neubesetzungen etwa erfahren wir vom Presseamt der Stadt, dass die „Personalgewinnung ein kontinuierlicher Prozess", die „1.000 keine exakte Zahl" sei. Zwar seien „vermehrt auch überregionale Bewerbungen" eingegangen, der Großteil der Bewerberinnen und Bewerber komme jedoch aus dem Stadtgebiet oder der Region. Eine genaue Aufschlüsselung kann die Stadt Köln nicht geben.


„Keine Gesamtübersicht über erfolgte oder veranlasste Einstellungen vorhanden." - Stadt Köln


Einige konkrete Zahlen erhalten wir jedoch: „Knapp 3.000 Initiativbewerbungen" seien „im Rahmen der Plakataktion" beim zuständigen Amt für Personal, Organisation und Innovation eingegangen. Die Kosten für die Aktion beliefen sich auf 2.235,54 Euro für das Drucken und Aufhängen von Postern, im Vergleich zu anderen Personalakquisen seien diese gering. Andererseits sei der - nicht näher bezifferbare - Personalaufwand „aufgrund der enormen Anzahl an eingegangenen Bewerbungen hoch" gewesen.

Bekannt seien „mindestens 85 Einstellungen" beim „Personaleinsatz der Stadt Köln", insbesondere beim Kassen- und Steueramt, den Kundenzentren und bei Amt für Öffentliche Ordnung. Das wirkt, gemessen am hohen Bedarf, eher mau. Zumindest der Bürgerservice ist inzwischen wieder handlungsfähig, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete .


Darüber hinaus seien - „nicht zuletzt aufgrund der Plakataktion vermehrt" - Bewerbungen auf konkrete externe Stellenausschreibungen bei den Fachämtern der Stadt Köln eingegangen. Inzwischen seien „nahezu 100% der Bewerbungen inhaltlich vorgeprüft". Konkrete Zahlen nennt die Stadt hier nicht. Die Besetzungsverfahren liefen dezentral, weshalb „keine Gesamtübersicht über erfolgte oder veranlasste Einstellungen vorhanden" sei, lautet die wenig griffige Begründung. Eine „allgemeine SAP-Auswertung" zeige jedoch einen „deutlich steigenden Trend", nach dem in der Gesamtverwaltung „deutlich mehr Einstellungen als in den Vorjahren" vorgenommen werden - „2016 prognostiziert mindestens 1.200", rechnet die Stadt, ausgehend von rund 300 Bewerbungen im ersten Quartal 2016, vor und betont, dass „die vielfältigen zentralen und dezentralen Personalgewinnungsmaßnahmen erfolgreich verlaufen". Was die Stadt hier unerwähnt lässt: Den 1.200 vorausberechneten Einstellungen stehen rund 1.100 Austritte gegenüber.


Geringer Handlungsspielraum, hohe Abhängigkeit

„Tatsächlich haben Städte und Kommunen teilweise wenig Handlungsspielraum", sagt René Geißler, Kommunalexperte bei der Bertelsmann Stiftung. Denn der Bedarf an Fachkräften werde, z. B. bei Kindertagesstätten und bei der Feuerwehr, „von höheren Ebenen gesetzt, teilweise auch kurzfristig". Hinzu komme, dass die Stadt bestimmte Berufe nicht selbst ausbilden könne, etwa Sozialarbeiter, Mediziner oder Bauingenieure. Im Bausektor etwa ist der Bedarf besonders groß.


So können etwa aktuell 15 Schulbauprojekte, die der Stadtrat bereits beschlossen hat, wegen des Personalmangels nicht betreut werden, berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger. Hier wie in anderen Bereichen ist die Stadt schlichtweg abhängig von dem Personal, das auf dem Arbeitsmarkt verfügbar ist - und um das sie mit anderen Kommunen und der - häufig deutlich besser zahlenden - Privatwirtschaft konkurriert.


Der Personalnotstand habe auch, so Kommunalexperte Geißler, mit der angespannten Haushaltssituation vieler Städte zu tun. So sei zwar in der Vergangenheit in prestigeträchtige, kostspielige Bauprojekte investiert, Neueinstellungen seien hingegen verschleppt worden, um Personalkosten zu sparen. „Hier muss die Politik umdenken. Sie darf das Personal nicht einfach als Kostenblock betrachten, sondern muss langfristig in die Angestellten investieren." Altersstrukturen und Nachwuchsgewinnung müssten frühzeitig und strategisch in den Blick genommen werden. In Köln immerhin steigt die Zahl der Bewerbungen für eine Ausbildung seit 2011 kontinuierlich an. Der Großteil der Nachwuchskräfte hat anschließend bei mindestens befriedigenden Leistungen sehr gute Aussichten auf eine unbefristete Stelle.


Mit dieser guten Berufsperspektive, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und flexiblen Arbeitszeiten versucht die Stadt, für sich zu werben. Abzuwarten bleibt, ob dies das so dringend benötigte Personal überzeugen wird und die begrenzten Verdienstmöglichkeiten ausreichend kompensieren kann. Die Kampagne „1.000 freie Stellen" jedenfalls dürfte ein erster, kleiner Schritt sein. Der Personalnotstand der Stadt Köln und in anderen Kommunen wird jedoch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein Dauerthema bleiben.

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