Viele Deutsche haben ein Haus an der spanischen Küste. Es sollte ihre Altersvorsorge sein. Nun lässt die Immobilienkrise den Wert der Häuser jedoch sinken. Und die Senioren sitzen auf ihren Häusern fest, bangen um ihre Pflege. Wer soll für sie zahlen, wenn das Ersparte weg ist? Ein Ortsbesuch.
Auf das weiße Haus mit den Terrakotta-Schindeln scheint die warme Herbstsonne. Der Pool glitzert. Von dem Hügel, auf dem das Haus steht, ist das Mittelmeer zu sehen. Erna Schmidt* und ihr Mann, sie Hausfrau, er Elektromeister, haben es vor zehn Jahren gekauft. Sie wollten dort ihren Lebensabend verbringen. Der Traum ging nicht in Erfüllung. Jetzt hängt an der Grundstücksmauer ein Schild. „Se vende", (zu verkaufen), ist darauf zu lesen.
Ihr Haus ist nicht das einzige an der spanischen Costa Blanca, an dem so ein Schild hängt. Die Immobilienkrise ist überall im Land zu spüren. Neben den Spaniern trifft sie auch deutsche Altersresidenten. Allein an der spanischen Mittelmeerküste sollen rund 240 000 Deutsche leben.
Kein Markt für "normale" HäuserSeit Dezember 2007 sind die Immobilienpreise in Spanien um 38,7 Prozent gesunken, so ein Bericht der Immobilienbewertungsgesellschaft TINSA. Was sich zurzeit in Spanien gut verkauft, das sind extrem preiswerte oder sehr teure Immobilien, erklärt der 39-jährige Architekt Christian Zerbst. Der Braunschweiger lebt in Spanien und kennt den Immobilienmarkt. „Auf diese Preiskategorien haben sich viele Makler spezialisiert", sagt er, „normale Häuser lassen sich kaum noch verkaufen."
Ein Paradies für Schnäppchenjäger, die vor allem bei Bankverwertungen zuschlagen, bei denen die Preise deutlich unter dem Immobilienspiegel liegen. Auch deutsche Medien berichteten in den vergangenen Monaten immer wieder darüber, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei, um ein Feriendomizil in Spanien zu erwerben. Laut einer Marktstudie von Fewo Direkt und Engel & Völkers steigt die Zahl der Deutschen, die ein Ferienhaus in Spanien besitzen. Vor drei Jahren lagen noch 10,4 Prozent der deutschen Ferienimmobilien in Spanien. 2012 lag ihr Anteil schon bei 11,3 Prozent. Immobilienexperten rechnen damit, dass das laufende Jahr für die Branche das Beste seit dem Beginn der Krise sein könnte.
Aber nicht für Erna Schmidt. Sie wartet jeden Tag auf Käufer. Alleine sitzt sie auf der Terrasse. Das Zirpen der Grillen und Stimmen aus den Nachbargärten sind zu hören. „Oft glaube ich, dass ich hier oben vereinsame, aber was soll ich machen", sagt sie. Ihr Mann ist vor fünf Jahren verstorben. Herzinfarkt. Der Weg in den Ort ist ihr zu Fuß zu weit. Auto fährt sie nicht gerne.
„Ich werde ja auch nicht jünger"Ihre Einkäufe erledigt sie in dem kleinen Supermarkt, der in der Wohnanlage steht. Auch einen Bäcker und einen Zeitschriftenladen gibt es. Schwierig wird es für die 74-Jährige, wenn sie sich einmal nicht mehr alleine um ihren Haushalt kümmern kann. „Darüber mache ich mir viele Gedanken", sagt sie. „Ich werde ja auch nicht jünger."
Die Ersparnisse von Erna Schmidt sind mittlerweile aufgebraucht, die Minirente reicht kaum für den Alltag, geschweige denn für eine spätere Pflege. Ihr Reihenhaus in Düsseldorf hat die Familie vor einigen Jahren verkauft. „Wir hatten ja das Haus in Spanien als Altersvorsorge", sagt sie. Damals lebte ihr Mann noch. Die Beerdigung ihres Mannes war teuer. Ihre drei Kinder hatten nach dem Verkauf des Hauses in Düsseldorf auch einen Teil bekommen.
Deswegen will sie ihre Immobilie in Spanien verkaufen, aber nicht um jeden Preis. Das Geld braucht sie, um ihre Zukunft zu planen. Ob sie wieder zurück nach Deutschland geht oder sich eine Wohnung in einer Altersresidenz in Spanien sucht, weiß sie noch nicht. „Eines weiß ich aber, dass ich wieder über mein Leben selbst bestimmen will", betont sie.
So wie Erna Schmidt haben sich viele den Lebensabend im mediterranen Klima anders vorgestellt. Monika Welchering hat täglich mit solchen Menschen zu tun. Sie leitet die internationale Seniorenresidenz Montebello des evangelischen Johanneswerks in La Nucia. „Die Senioren besuchen uns, um sich unsere Einrichtung anzusehen, aber die Miete für ein Appartement können sie nicht bezahlen, weil sie ihr Haus nicht verkauft bekommen", sagt sie.
Die Pflegeversicherung zahlt nichtDas Geld, das eine Immobilie abwirft, ist so wichtig, weil die Pflegeversicherung nicht so zahlt, wie es in Deutschland der Fall wäre. „Unsere Bewohner zahlen deshalb das Meiste privat", so Monika Welchering.
So wie Edda Guhr. Die 75-Jährige ist pflegebedürftig und lebt in Montebello. Ihren Antrag auf Pflegesachleistungen, also das Geld, das ihr das Heim finanzieren sollte, lehnte die Versicherung ab. Dabei sind spanische Seniorenresidenzen um rund 30 Prozent preiswerter als in Deutschland.
Es ist früher Abend. Edda Guhr liegt bereits im Bett. Ihr Herz bereitet ihr wieder einmal Probleme. „Ich hab solche Schmerzen", sagt sie und findet noch drastischere Worte: „Ich will nicht länger leben, als mein Erspartes reicht."
Mitte September hat sie deshalb Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Jetzt müssen die Richter in Karlsruhe entscheiden, ob sie die Beschwerde annehmen. Edda Guhrs Name steht auf der Klageschrift, aber es könnte dort genauso gut ein anderer stehen. Sie ist nur eine von vielen Fällen. Das Verfahren selbst hat das Seniorennetzwerk Costa Blanca angestrebt. Dementsprechend richtungweisend wird es sein, ob das Verfassungsgericht der Beschwerde überhaupt stattgibt.
Nun ziehen sie vor das VerfassungsgerichtKlaus Bufe kann nicht verstehen, dass sie bis vor das Verfassungsgericht ziehen mussten. Er ist der Vorsitzende des Seniorennetzwerkes Costa Blanca. „Wenn ich das gleiche Geld in die Pflegeversicherung gezahlt habe, dann möchte ich auch die gleichen Leistungen bekommen", sagt er.
In Deutschland, so glauben die Senioren an der Costa Blanca, interessiere sich niemand für ihre Probleme. Ob es um die Immobilienkrise oder die Pflegeversicherung geht, sie fühlen sich allein gelassen - wie die vergessenen Deutschen.
*Name geändert
David Huth