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Kuchen gegen die Einsamkeit

Lachen, tratschen, neue Leute kennenlernen, etwas machen, was einem Freude bereitet und dabei Geld verdienenden -ist das nicht im Grunde die Idealvorstellung von einem Jobs? In München versuchen zwei junge Gründerinnen genau eine solche Arbeitsstelle zu bieten. Allerdings darf nicht jeder dort arbeiten: Einstellungsvoraussetzung ist ein Rentenausweis. Mit ihrem Start Up „ Kuchentratsch" wollen Katharina Mayer und Katrin Blaschke gleich zwei großen Probleme begegnen: Altersarmut und soziale Vereinsamung. In gemütlicher und geselliger Runde sollen Seniorinnen und Senioren Kuchen, Torten und Gebäck zubereiten und sich auf diese Weise etwas zu ihrer Rente hinzuverdienen. Ein bis zweimal die Woche backen sie nun seit Juni 2014 in einer angemieteten, stillgelegten Kantinenküche. Bestand die Runde der Seniorinnen anfangs vor allem aus Bekannten der beiden Gründerinnen, kamen durch Mundpropaganda und Berichte in der lokalen Press immer mehr Interessentinnen. (Backende Männer jenseits der 60 konnten bislang nicht gefunden werden.) Inzwischen besteht Kuchentratsch aus einem festen Pool von sieben bis zehn Seniorinnen, die regelmäßig in die Backstube kommen. Seit der Eröffnung mussten die beiden jungen Gründerinnen bereits einige Hürden nehmen. „Wenig Schlaf, viel Verzicht", lacht Mayer auf die Frage, wie das erste Jahr als Sozialunternehmerin so gewesen sei. „Aber da kennt wohl jeder Gründer. Eine besondere Herausforderung war in unserem Fall die Eintragung in die Handwerksrolle," sagt sie. Denn Bäcker ist ein zulassungspflichtiges Handwerk für das eine Meisterprüfung erforderlich ist. Die Erleichterung war groß, als Blasche, gelernte Hotelfachfrau mit jahrelanger Berufserfahrung in einer Bäckerei, die IHK-Prüfung erfolgreich ablegte und nun offiziell einem Meister gleich gestellt ist.

Die älteste Kuchentratschlerin ist bereits über 85 Jahre alt

Wenn sie immer mal wieder von den "Kuchentrasch-Omas" spreche, meine sie das nicht despektierlich, erklärt Mayer. Vielmehr wolle sie mit dem Begriff ein Gefühl von Gemütlichkeit und Selbstgemachtem vermitteln - der leckere Kuchen von Oma eben. Auch bei der Unternehmensführung lernen die Gründerinnen ständig dazu. Schließlich haben ihre Angestellten deutlich mehr Lebenserfahrung als sie selbst, und wissen längst wer sie sind und was sie können. Die meisten sind zwischen 65 und 75, die beiden ältesten Mitarbeiterinnen bereits über 85 Jahre alt. Das muss auch im Arbeitsablauf berücksichtigt werden. „Wir haben herausgefunden, dass die ideale Schicht etwa vier Stunden dauert", sagt Mayer. Bis zu 30 Kuchen entstehen in einer Arbeitsschicht. Das Kuchentratsch-Team übernimmt Catering-Aufträge, beliefert Cafés und Unternehmen, aber auch Privatpersonen. „Inzwischen läuft es so gut, dass wir immer öfter Bestellungen ablehnen müssen", sagt Mayer. Deswegen muss eine größere - seniorengerechte - Backstube her, in der mehr Kuchen produziert und weitere Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Der Raum ist bereits gefunden, die Ausbauarbeiten laufen, das nötige Geld haben sich die Gründerinnen von Familie und Bekannten zusammengeliehen. Um den Raum nun mit Geräten wie Rührgeräte und Öfen bis hin zu mobilen Backinseln auszustatten, läuft aktuell eine Crowdfunding-Kampagne auf startnext. Die Gehälter der Seniorinnen, die alle auf 450-Euro-Basis angestellt sind, werden bereits seit Gründung des Start Ups durch den Kuchenverkauf gedeckt. Doch Mayer und Blaschke betreiben Kuchentratsch bislang ehrenamtlich, inzwischen haben sie auch noch bestehende Werkverträge beendet. Für die beiden Gründerinnen geht es jetzt ums Ganze. Lässt sich aus Kuchentratsch ein tragfähiges Geschäftsmodell etablieren? Nach dem Umbau der neuen Backstube in München sollen zeitnah eine Filiale in Stuttgart und Hamburg eröffnet werden - die Anfragen seien bereits vorhanden.

Disclaimer: Direkt nach Fertigstellung dieses Textes hat die Autorin einen Zitronenkuchen von Oma Amalia bestellt.

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