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Geburtsstunde Bundesliga

Der SC Weßling - offiziell als EG Weßling/Starnberg in der ersten Bundesliga-Saison 1958/59. (Foto: privat)

Man schrieb das Jahr 1958. Der Krieg ging vor 13 Jahren zu Ende und es gibt zwei deutsche Staaten; der Mauerbau ist aber noch drei Jahre entfernt. Auch die Mondlandung liegt noch mehr als zehn Jahre voraus und der FC Schalke 04 wird letztmals deutscher Fußballmeister. Auch im Eishockey wird bereits zum zehnten Mal nach dem Krieg wieder ein deutscher Meister ausgespielt. Wie in jeder anderen Sportart heißt die höchste Spielklasse Oberliga - bis das Eishockey eine Vorreiterrolle in der deutschen Sportwelt übernahm!

Das organisierte Eishockey fand, genauso wie alle anderen Sportarten in Deutschland, während des zweiten Weltkrieges praktisch nicht statt. Der offizielle Spielbetrieb wurde in der Bundesrepublik 1948/49 wieder aufgenommen. Im ersten Spieljahr sicherte sich der EV Füssen im Modus einer Einfachrunde und sechs teilnehmenden Mannschaften den ersten Platz und damit die erste deutsche Meisterschaft nach dem Krieg. Die Liga hörte in dieser Zeit auf den Namen „Oberliga".

In den folgenden Jahren wurden die Anzahl der Mannschaften und der Modus immer wieder verändert. Mal wurde es bei einer Einfachrunde belassen, mal spielte man eine Vorrunde in zwei oder auch drei regionalen Gruppen, um dann in einer Endrunde den deutschen Meister zu ermitteln. Unabhängig von Größe und Austragungsart der Liga blieben die Allgäuer aus Füssen das Maß aller Dinge und holten bis 1957 sechs von möglichen neun Oberligameisterschaften.

Im Folgejahr, der Saison 1957/58, sollte die Oberliga in ihre letzte Spielzeit als höchste deutsche Spielklasse gehen. Die Liga zählte in diesem Jahr zwölf Mannschaften und wie im Vorjahr wurde zunächst in den Gruppen West und Süd eine Vorrunde ausgetragen. In den je sechs Mannschaften umfassenden Gruppen qualifizierten sich die besten drei Teams für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft, welche der EV Füssen souverän mit vier Punkten Vorsprung für sich entschied.

Danach begann im deutschen Eishockey eine neue Zeitrechnung: Als erste Sportart in der Bundesrepublik Deutschland wurde im Eishockey eine eingleisige höchste deutsche Spielklasse mit einem klingenden, unverkennbaren Namen eingeführt: die Bundesliga! Zum Start wurde die Anzahl der Mannschaften auf acht festgelegt. Es qualifizierten sich somit jeweils die ersten vier Mannschaften beider Vorrundengruppen der vorangegangenen Oberligasaison. Demzufolge konnten vier der zwölf Oberligisten das Bundesligaticket nicht lösen. Im Süden mussten der EV Landshut und der ESV Kaufbeuren, im Westen der VfL Bad Nauheim und der Kölner EK in den sauren Apfel beißen. Die beiden glücklichen Verlierer der Oberligasaison 1958 hießen SC Weßling und Preußen Krefeld, da sich diese zwar nicht für die Meisterrunde, aber als jeweilige Gruppenvierte für die neue Bundesliga qualifizieren konnten. Die Endrundenteilnehmer dieser Saison und somit die weiteren sechs Gründungsmitglieder der neuen Spielklasse hießen: EV Füssen, SC Riessersee, EC Bad Tölz, Mannheimer ERC, Krefelder EV und Düsseldorf EG.

Mit dieser Neueinführung ging das Eishockey voran. Bereits fünf Jahre vor Gründung der Fußball-Bundesliga (1963) und weit vor Handball, Basketball (jeweils 1966) und Volleyball (1974) wurde im Eishockey Bundesliga gespielt - Ende des Jahres 1958 war es dann soweit: Die Eishockey-Bundesliga war geboren!

An den sportlichen Kräfteverhältnissen änderte die neue Liga nichts: Der letzte Oberligameister war zugleich der erste Bundesligameister - mit souveränen sechs Punkten Vorsprung sicherte sich der EV Füssen seinen ersten Meistertitel in der Bundesliga und damit die siebte deutsche Meisterschaft in Folge. Absteiger der ersten Bundesligasaison waren nach der gespielten Einfachrunde die Düsseldorfer EG und die EG Weßling-Starnberg (ehemals SC Weßling). Für letztere blieb das Spektakel Bundesliga wortwörtlich ein einmaliges Erlebnis, denn die Oberbayern kehrten nach dem Abstieg nie wieder in die neue deutsche Eliteliga zurück.

In den folgenden Jahren wurde Einiges am Modus herumexperimentiert, sowie die Zahl der teilnehmenden Teams und der Absteiger stetig verändert. Statt einer Einfachrunde wurde ab 1960/61 eine Doppelrunde und nur ein Jahr später anschließend Meister- und Abstiegsrunde ausgetragen. Sechs Jahre später erfolgte zur Reduzierung der Reisekosten die Aufteilung der mittlerweile zehn Mannschaften umfassenden Spielklasse in Bundesliga West und Süd, welche nach drei Saisons bereits wieder Geschichte war. Seit 1965 machten in der Bundesliga immer zwischen zehn und zwölf teilnehmende Teams den deutschen Meistertitel unter sich aus. Anfang der 80er folgte dann die Einführung von Meisterschaftsspielen am Ende der Hauptrunde, die Playoffs. Der Abstieg wurde seit Ende der 70er fortwährend in etwaigen Abstiegs- oder Relegationsrunden geklärt.

Die Bundesliga schrieb viele Geschichten - große Erfolge, dramatische Niederlagen, Abstürze großer Clubs, Teams, die eine ganze Ära prägten, und und und... Doch als gerade ein Team eine dieser Erfolgsgeschichten schrieb, rückte das Ende der Bundesliga in ihrer bestehenden Form immer näher...

Die Düsseldorfer EG war es, die Anfang der 90er die Konkurrenz fest im Griff hatte und zwischen 1990 und 1993 als einzige Mannschaft in der Bundesligageschichte vier aufeinanderfolgende Meistertitel holte, dem EV Füssen war eine solche Serie noch zu Oberligazeiten geglückt. Auch die Aufstockung der Liga um die beiden Ostvereine Berlin und Weißwasser nach der Wende zur Saison 1990/91 konnte die DEG nicht stoppen. Einige Teams gingen daher ins Risiko und investierten kräftig, um zum Ligakrösus vom Rhein aufschließen zu können, und wurden dafür bestraft. Auch viele andere Mannschaften verzeichneten eine finanzielle Schieflage. Seit Einführung der Playdowns zur Saison 1990/91 war die Abstiegsentscheidung nicht mehr auf dem Eis gefallen, da aufgrund finanzbedingter Rückzüge oder entzogener Lizenzen anderer Clubs die sportlichen Absteiger ihre Bundesligaplätze behalten konnten. Auch in der zweiten Bundesliga wurde die wirtschaftliche Not immer größer, sodass der Ruf der Clubs nach einer neuen höchsten Profiliga nach nordamerikanischem Vorbild, sprich Auslagerung der Profimannschaften in Kapitalgesellschaften sowie Aussetzung des sportlichen Abstiegs, immer größer wurde. Im Dezember 1993 wurden die Planungen offiziell und bald darauf war das Schicksal der Bundesliga besiegelt. Die Spielzeit 1994/95 war die erste, in der der deutsche Meister in der neu gegründeten Deutschen Eishockeyliga (DEL) ermittelt wurde.

Letzter Titelträger in der 36-jährigen Geschichte der Eishockeybundesliga wurde 1993/94 der EC Hedos München, der die Dominanz von Düsseldorf durchbrechen und die Rheinländer im Finale bezwingen konnte. Der Dauerbrenner der früheren deutschen Eliteklasse kommt aus Niederbayern; nach dem Aufstieg 1963 spielte der EV Landshut 31 Jahre lang bis zum Ende 1994 in der Bundesliga, so lange wie kein anderer Club. Die ewige Tabelle führt trotzdem ein anderer Verein an: die Düsseldorfer EG, die 30 Jahre Ligazugehörigkeit aufweist. Rekordsieger ist der EV Füssen, der neun seiner 16 Titel in der Bundesliga erringen konnte.

Was bleibt, ist ein großes Stück deutsche Sportgeschichte. „Als die Bundesliga laufen lernte..." wurde eine Scheibe über das Eis gejagt und nicht etwa auf grünem Rasen gekämpft. Die DEL trägt mittlerweile wieder den Beinamen „1. Bundesliga". Eine mehr als verdiente Wertschätzung für die erste Bundesliga auf deutschem Boden!

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