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Woraus Windräder bestehen

Bau eines Windparks im Sauerland: Windräder bestehen aus unterschiedlichsten Materialien. Ein Großteil davon ist gut recyclebar. // Picture-Alliance/Jochen Tack

Vom Fundament bis in die Flügelspitzen setzen sich Windräder aus unterschiedlichsten Materialien zusammen. Woher die Rohstoffe stammen und wie sie recycelt werden können.

745 Windräder gingen 2023 in Deutschland in Betrieb. Im Schnitt kamen sie auf eine Leistung von 4,8 Megawatt und eine Nabenhöhe von 136 Metern - deutlich mehr als in den Vorjahren. Dieses Wachstum geht allerdings mit einem erhöhten Materialbedarf einher. Neben Stahl und Beton kommen vor allem Faserverbundwerkstoffe, Holz und Seltenerdmetalle zum Einsatz, daneben auch Gase und Öle. Doch wo mehr Material verbraucht wird, wird auch der CO 2-Rucksack schwerer.


Der Turbinenhersteller Vestas verfolgt daher jedes Teil penibel. Laut Nachhaltigkeitsmanager Peter Garrett besteht jede Anlage aus 25.000 Einzelteilen. „Wir führen für alle unsere Produkte Lebenszyklusanalysen (LCA) durch, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Herstellung der Rohstoffe über den Betrieb und Transport bis hin zum Ende des Lebenszyklus bewerten", sagt Garrett. Im LCA für die Anlage V136-4.2 etwa ist nachzulesen, dass „die Umweltauswirkungen von der Rohstoff- und Komponentenproduktion dominiert werden. Die Produktion von Turm, Gondel, Rotorblättern und die Fundamente tragen am stärksten zu den untersuchten Umweltauswirkungen bei."


Windrad-Recycling verbessert die Klimabilanz. Aber das ist noch nicht alles

Wenn diese Materialien erneut verwendet werden, verkleinert das allerdings nicht nur den CO 2-Fußabdruck. Es dient auch der Rohstoffsicherung.


Zwar lassen sich heute große Teile der Windturbinen recyceln, wie es im Papier „Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen" vom Bundesverband WindEnergie (BWE) heißt. Mittlerweile seien zwischen 80 und 90 Prozent der Gesamtmasse verwertbar. Mit Bestandteilen aus Stahl und anderen Metallen würden überdies sogar Primärrohstoffe eingespart; zudem verschlinge die Aufbereitung weniger Energie als die Neuherstellung.

Doch die Versorgung mit Materialien ist damit noch nicht gesichert. So sieht der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) im Papier „Kritische Mineralien für den Windenergieanlagenbau" (PDF) für Kupfer, Nickel und Seltenerdmetalle bis zum Jahr 2030 keine ausreichende Deckung. Erst ab 2030 dürfte sich die Lage entspannen. Zum einen, weil bis dahin neue Bergbauprojekte in Betrieb sein dürften. Zum anderen, weil die Versorgung durch Recycling dann einen größeren Stellenwert einnehme.


Allerdings werden in Zukunft deutlich mehr Anlagen produziert und errichtet werden müssen, allein schon um die ehrgeizigen Klimapläne in Deutschland zu erreichen, vom Rest der Welt ganz zu schweigen. Und damit wiederum schießt der Rohstoffbedarf in die Höhe.

Um welche Rohstoffe es sich handelt und wie sie gewonnen und recycelt werden, zeigt unsere Liste.


Das Fundament: Windräder stehen auf Stahl und Beton

Der Fuß eines Windrads besteht in der Regel aus Stahl und Beton. Bei einer Nordex-Anlage vom Typ N149 etwa sind es rund 900 Kubikmeter Beton und 150 Tonnen Baustahl für die Bewehrung. Je nach Produktionsverfahren sind beide Baustoffe klimaschädlich: Bei der Herstellung einer Tonne Stahl entweichen in der bislang dominierenden Produktion im Hochofen bis zu 1500 Kilogramm CO 2. Bei einer Tonne Beton sind es rund 600 Kilogramm. Sowohl Stahlhersteller als auch die Zementindustrie arbeiten deshalb an klimafreundlicheren Methoden, die den CO 2-Fußabdruck künftig verkleinern werden.


Beide Stoffe lassen sich zudem recht gut recyceln. Beton wird gebrochen und kann später als Zuschlagstoff etwa im Straßenbau eingesetzt werden. Auch Stahl, der etwa 30 bis 35 Prozent des Gewichts eines durchschnittlichen Windrads ausmacht, lässt sich verhältnismäßig gut wiederverwenden - aber eben nur verhältnismäßig. Beim Umweltbundesamt heißt es dazu, ein Drittel des in Deutschland hergestellten Stahls werde in Elektrostahlwerken auf Basis von Stahlschrotten hergestellt. Aufgrund der Vielfalt an Stahlsorten, die jeweils unterschiedliche Legierungsmetalle enthielten, sei ein vollständiges Stahlrecycling ohne Qualitätsabstriche mit geschlossenen Kreisläufen nicht ohne Weiteres erreichbar.


Zudem gilt sowohl für Stahl als auch Beton: Beim Abbruch, Abtransport und der Weiterverarbeitung entstehen Emissionen, die vom Energiemix der dabei eingesetzten Werkzeuge und Verfahren abhängen.


Der Turm: Stahl, Beton - und in seltenen Fällen Holz

Die Türme von Windrädern setzen sich üblicherweise aus Stahl oder Beton zusammen. Auch Mischbauweisen aus beiden Materialien sind verbreitet. Ihr Recycling unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der Fundamente. Bei Anlagen mit Betonturm macht das Material inklusive des Fundaments rund 80 bis 90 Prozent aus. Maschinen mit Stahlturm kommen auf etwa 20 bis 25 Prozent Stahl. Einige Hersteller wie Modvion oder Timber-Tower entwickeln Holztürme, deren CO 2-Bilanz vorteilhaft ist.


Die Gondel: Viel Stahl, dazu seltene Erden und Aluminium

Oben auf dem Turm thront die Gondel, meist aus Stahl. Sie trägt die Nabe mit den Flügeln, das Getriebe (so vorhanden) und den Generator. Ferner sind hier Schaltschränke untergebracht. Vor allem getriebelose Windkraftanlagen brauchen zudem Seltenerdmetalle wie Praseodym, Dysprosium, Terbium oder Neodym. Je nachdem, wie und wo Seltene Erden gewonnen werden, kann es dabei zu sozialen und ökologischen Problemen kommen. So listet die Bundesanstalt für Geowissenschaften potenzielle Gefahren bei der stufenweisen Gewinnung und Aufbereitung Seltener Erden auf, darunter giftige Stäube und radioaktiv belastete Rückstände.


Auch wenn es der Name andeutet: Seltene Erden sind im Grunde nicht knapp. Deutschland ist allerdings bislang von China abhängig. 2021 wurden rund 3.800 Tonnen aus Fernost eingeführt, was einem Anteil von 66 Prozent des Bedarfs entsprach. Bis zu drei Kilogramm der Metalle stecken in einem Elektroauto, in einem Offshore-Windrad bis zu 300.

Zuversichtlich stimmt eine Nachricht aus dem schwedischen Kiruna. Dort wurde ein gigantisches Vorkommen an Seltenen Erden entdeckt. In Zukunft könnte auch das Recycling eine wichtige Quelle werden. Pyrometallurgische und chemische Verfahren erlauben es, kritische Metalle aus Produkten zurückzugewinnen. „Momentan lohnt sich Recycling nur für teure Metalle wie Gold, Platingruppen-Metalle und Kupfer", wird Jens Gutzmer, Direktor des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie in Freiberg, auf Ingenieur.de zitiert.

Zu einem geringeren Anteil ist Aluminium in der Gondel verbaut, etwa für Verkleidungsteile. Auch dieses Metall lässt sich recht gut recyceln, wenn auch nicht unbedingt zu einer gleichwertigen Qualität wie ein neues Produkt. Recycling-Alu verbraucht weniger als ein Zehntel der Energie, die zur Herstellung von primärem Aluminium aus Bauxit benötigt wird.


Die Kabel: Gut zu recyceln, aber perspektivisch rar

Die Verkabelung besteht in der Regel aus Kupfer. Kabel machen gut ein Prozent des Gewichts von Windrädern aus. Kupfer lässt sich ideal wiederverwerten. Beim BWE heißt es dazu, ausgediente Kupferteile würden vom Metallhandel erfasst, aufgearbeitet und anschließend an Kupferhütten zum Einschmelzen weiterverkauft. Kupfer habe auch nach mehrmaligem Recycling die gleichen Eigenschaften wie Primärrohstoffe. In Deutschland habe sich das Kupferrecycling etabliert, die Quote liege bei mehr als 45 Prozent.

Entspannt sieht der Finanzdienstleister S&P die Situation allerdings nicht: Auch Kupfer sei rar. Gegenüber dem US-Sender CNBC sagte Daniel Yergin, stellvertretender Vorsitzender von S&P Global: „Die Energiewende wird viel stärker von Kupfer abhängig sein als unser derzeitiges Energiesystem. Man ist einfach davon ausgegangen, dass Kupfer und andere Mineralien schon vorhanden sein werden. Kupfer ist aber eben das Metall der Elektrifizierung, und die Elektrifizierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende." Die Spezialisten gehen davon aus, dass für die Energiewende bis 2050 mehr Kupfer benötigt werde, als zwischen 1900 und 2021 weltweit verbraucht wurde.


Die Rotorblätter: Glasfaser, Kohlenstofffaser und Harze

Die Flügel werden aus faserverstärkten Kunststoffen hergestellt und tragen mit zwei bis drei Prozent zum Gesamtgewicht bei. Diese sogenannten Kompositwerkstoffe bestehen aus einer Faser und einem flüssigen Material, in das die Faser gebettet wird und das später aushärtet. Als Faser dienen hauptsächlich Glas-, selten auch Kohlenstofffasern. Als Harz kommen Epoxid-, Polyester-, Vinylester- oder Polyurethanharz zum Einsatz. Teils finden noch weitere Kunststoffschäume und Balsaholz Verwendung. Sind die Materialien einmal verbunden, lassen sie sich später nur schwer trennen.


Das Recycling der Flügel ist daher noch oft ein Problem. In der Regel landen sie im Ofen von Zementwerken, etwa im schleswig-holsteinischen Lägerdorf, oder sie enden als Terrassendiele. Rotorblätter mit Kohlenstofffaseranteil jedoch sind im Zementwerk nicht willkommen. Zwar gibt es auch dafür Optionen, etwa die Pyrolyse oder die Solvolyse, doch diese Prozesse sind energieintensiv. Inzwischen arbeiten die Hersteller allerdings an Verfahren für zu 100 Prozent recycelbare Rotorblätter, sodass sich dieses Problem über die Jahre entschärfen sollte.


Flüssigkeiten und Gase: Schmierstoff, Kühlflüssigkeit, SF6

Flüssigkeiten und Gase gibt es natürlich auch in Windkraftanlagen. Hauptsächlich sind das Öle im Getriebe und Kühlflüssigkeiten. Durch erneutes Raffinieren und Aufarbeiten von Altöl könne hochwertiges Basis-Öl gewonnen werden, das in Bezug auf Viskosität und Schmiereigenschaften neuem Öl ähnele, heißt es beim BWE.


Zu den Betriebsmitteln gehört auch das Gas Schwefelhexafluorid, kurz SF6, das etwa als Isolator in Transformatoren eingesetzt wird. In einem Windrad gibt es davon etwa drei Kilogramm. Die Menge klingt überschaubar, doch beim Rückbau muss es fachgerecht entsorgt werden: SF6 ist ein Treibhausgas, das rund 23.500-mal schädlicher wirkt als CO 2. Deshalb ist besondere Sorgfalt gefragt. Das Gas wird abgesaugt und in speziellen Anlagen aufbereitet. Teils kann es sogar recycelt werden. Zudem läuft die Forschung an Alternativen zu SF6 nach Branchenangaben vielversprechend.

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