Cori S. Socaciu

Journaliste d'Innovation, Frankfurt

15 abonnements et 2 abonnés
Article

Start-ups: Gründerinnen braucht das Land

Nur knapp jedes dritte Unternehmen wird derzeit von einer Frau gegründet. IMAGO

Nur etwa jedes dritte Unternehmen wird von einer Frau gegründet. Mehrere Initiativen arbeiten daran, dass sich das ändert.


Vor eineinhalb Jahren wagte Corinna Engel den Sprung in die Selbstständigkeit. „Ich hatte ja nichts zu verlieren", sagt die für den Hessischen Gründerpreis in der Kategorie „Mutige Gründung" nominierte Unternehmerin. Gegen Widerstände lernte sie schon zu Beginn ihrer Selbstständigkeit anzukämpfen. Denn die Finanzierung ihrer Gründungsidee lehnten sowohl Hausbank als auch Arbeitsagentur ab. „Man erklärte mir, es sei unrealistisch, Torten über das Internet zu verkaufen", erinnert sich die heute 27-Jährige. Mit einem Zuschuss ihrer Eltern gründete sie allen Widrigkeiten zum Trotz die Confiserie „Engelswerk", mit der sich die Krifteler Unternehmerin inzwischen einen Namen gemacht hat.

Mit ihrer Hartnäckigkeit schwamm die Jungunternehmerin gegen den Strom. Denn obwohl das Bildungsniveau der Frauen in Deutschland noch nie so hoch war wie heute, sind weibliche Gründungen deutlich unterrepräsentiert. Wie eine aktuelle Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) belegt, wird nur knapp jedes dritte Unternehmen von einer Frau gegründet. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) belegt, dass ein Trend zur Angleichung der Gründungsneigung über die Zeit nicht zu erkennen ist. Während die Gründungsquote bei Männern im vergangenen Jahr bei 6,5 Prozent lag, wagten nur vier Prozent der Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit.

Für mehr Wirtschaftswachstum, Innovation und Chancengleichheit sei es jedoch unerlässlich, dass Frauen häufiger gründen, sagt Sascha Gutzeit, Geschäftsführer des RKW Hessen, einem Beratungsunternehmen für Mittelständler. „Die Angleichung ist ein langsamer Prozess", sagt er. Eine wichtige Rolle spiele das Gesellschaftsbild, wonach Frauen immer noch als Hauptverantwortliche für die Familie gelten würden. Um sie zu mehr Gründungen zu motivieren, seien Vorbilder erforderlich.


Ganz wichtig: Vorbilder

Zu diesem Zweck koordiniert das RKW-Kompetenzzentrum gemeinsam mit der bundesweiten Gründerinnenagentur (BGA) die Initiative „Frauen unternehmen". Dazu gehören Workshops und Netzwerkveranstaltungen. Und 180 Vorbild-Unternehmerinnen aus dem ganzen Bundesgebiet, die an Schulen, Hochschulen und auf Wirtschaftsveranstaltungen über ihre Erfahrungen sprechen.

Wie wichtig Vorbilder für die Gründungsaktivität von Frauen sind, belegt die aktuelle IAB-Studie. Demnach streben Kinder von Existenzgründern als Erwachsene häufiger eine unternehmerische Tätigkeit an als Menschen, deren Eltern abhängig beschäftigt sind. Die Untersuchung zeigt, dass 5,6 Prozent der Frauen mit unternehmerisch tätigen Eltern eigene Firmen gründen. Dagegen würden nur 2,7 Prozent der Frauen, deren Mütter und Väter abhängig beschäftigt sind, die Selbstständigkeit anstreben. Die geringe Gründungsneigung bei Frauen führt die Studie unter anderem auf die für Frauen oft mangelnden weiblichen Vorbilder zurück.

Am deutlichsten wird dies in Start-ups mit technischem Fokus, wie Thomas Funke, Leiter des RKW-Fachbereichs Fachkräfte, berichtet. Die geringe Zahl der von Frauen gegründeten IT-Firmen entspricht dem ebenfalls geringen Anteil von Studentinnen in technikbezogenen Studiengängen. Neben dem Bildungsgrad ist jedoch auch die Wahrnehmung eigener Potenziale erfolgsrelevant, wie die Gründungsexpertin Ramona Lange vom Verein Jumpp sagt. An diesem Punkt setzt das Programm „Migrantinnen gründen" an, um Frauen mit Migrationshintergrund für den Unternehmerinnenberuf zu sensibilisieren. So können die Teilnehmerinnen in Einzel-Coachings, Workshops und durch wertvolle Einblicke in Unternehmen erfahrener Gründer das eigene Start-up vorbereiten und ihre Potenziale entdecken. „Wenn Frauen gründen, ist es wichtig, dass sie den Wert ihrer Arbeit zu schätzen wissen", sagt Lange, die das Projekt koordiniert. Denn in der Praxis würden Unternehmerinnen dazu neigen, ihre Dienstleistungen und Produkte unter Wert anzubieten. „Wir ermutigen Frauen deshalb, in Verhandlung zu treten."


In der Region vernetzen

Zur stärkeren Kultivierung des Unternehmerinnen-Bewusstseins hält es RKW-Geschäftsführer Gutzeit darüber hinaus für erforderlich, dass sich Frauen untereinander besser vernetzen. Für die 47-jährige Julia Scholz, ebenfalls Finalistin für den Hessischen Gründerpreis, war es eine Umstellung, das Netzwerken neu zu erlernen. Zwar sei die Finanzierung in Höhe von 90 000 Euro aufgrund ihrer langen Berufserfahrung nicht schwer gewesen, aber um Umsatzschwankungen auszugleichen, musste sie sich in der Region vernetzen. Demnächst werde sie die Eisspezialitäten ihres französischen Cafés auch in einem regionalen Supermarkt anbieten können. „Vernetzen ist wichtig. Wenn ich mich schon früher mit anderen Unternehmern aus meiner Branche hätte austauschen können, hätte ich viele Fehler vermeiden können", sagt die alleinerziehende Mutter.

In ihrer Rolle als Unternehmerin sieht Scholz auch einen sozialen Auftrag. „Wir brauchen mehr Solidarität mit Müttern auf dem Arbeitsmarkt." Aus Prinzip würden ihre 16 Mitarbeiter unabhängig vom Geschlecht den gleichen Lohn erhalten. Frauen mit Kindern könnten oft früher nach Hause fahren. „Wenn man selbst Benachteiligung erfahren hat, achtet man genauer auf gerechte Arbeitsbedingungen. Frauen führen einfach anders", sagt Scholz.

Durch mehr weibliche Gründungen könnte sich nach Auffassung der Unternehmerin langfristig auch etwas an der Situation abhängig beschäftigter Frauen ändern. Dass Unternehmen erhebliche Einbußen zu verzeichnen hätten, wenn weibliche Mitarbeiter die gleiche Entlohnung erhielten wie männliche Kollegen, hält sie für unrealistisch. „Im Beruf geben sich Mütter oft deutlich mehr Mühe als andere Mitarbeiter."

Dass dies auch für Unternehmerinnen gilt, beweist die Mitfinalistin Andrea Bienia. Ebenfalls alleinerziehend, wagte die 46-Jährige mit guter Selbstorganisation die Gründung einer Nähschule in Lorsch. Nachdem ihr eine Finanzierung verwehrt blieb, gründete sie im Nebenerwerb. Dies sei jedoch nur gelungen, weil ihre Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsen waren. Mit kleinen Kindern hätte Bienia sich nicht vorstellen können, diesen Schritt zu wagen. Um diese Lücke zu schließen, die Frauen vom Gründen abhält, ist derzeit eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe der Bundesministerien für Wirtschaft und Familie damit befasst, neue Vertretungsregelungen und Möglichkeiten der finanziellen Absicherung in der Schwangerschaft und nach der Entbindung zu ermöglichen.

Rétablir l'original