Schirmer: Bis zu dieser Lawine hatte ich das Risiko nie wirklich akzeptiert. Das Risiko war für mich nur eine Art abstrakter, lästiger Störfaktor zwischen mir und dem, was ich liebe: das Skifahren. Hinzu kam, dass ich mich plötzlich gegenüber der Familie meiner damaligen Freundin rechtfertigen musste: Die wollten von mir wissen, warum das Risiko, das ich offenkundig eingehe, für mich in Ordnung ist. So wie sie dem Risiko ausgesetzt waren, dass mir etwas passiert, war ich plötzlich ihren Fragen ausgesetzt. Ich musste mich erklären und mit Menschen, die mir nahestehen, darüber reden, was ich tue und weshalb ich glaube, dass es das trotz des Risikos wert ist. Was hatte das für Auswirkungen auf dich? Die Gespräche haben mich dazu gezwungen, eine explizitere, ehrlichere Beziehung zu den Risiken meines Berufs zu entwickeln. Ich musste darüber nachdenken, was ich eigentlich mache und ob es wirklich okay ist. Das war neu für mich, denn meine eigene Familie hatte sich ja nach und nach an das gewöhnt, was ich da mache. Ich habe ja nicht damit angefangen, mit 10 Jahren an einem Eispickel über einem Felsabsturz zu hängen.
CL: Deine Familie ist mit dir in das Risiko hineingewachsen.
Schirmer: Ja, man wächst gemeinsam hinein und man
gewöhnt sich daran. Für die Familie meiner
damaligen Freundin war es ganz anders.
Die waren ganz plötzlich mit mir, diesem
Freak, konfrontiert – und den Risiken, die
ich eingehe. Und dann gleich dieser Lawinenunfall. Ich musste mich also erklären.
Und dabei ein paar Gedanken-Runden mit
mir selbst drehen.